Volltext: XV. Jahrgang, 1910 (XV. JG., 1910)

Seite 12. 
Öberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 2. 
ledigen oder sie auf dem Platz um eine Kleinigkeit ver¬ 
kaufen zu können. Anfangs kam dieses Mauerwerk, 
Pracht, Material und Arbeit zusammen auf fünf Francs 
per Kubikmeter zu stehen. Die Architekten, welche zu¬ 
erst glaubten, diese Verwendung übersehen oder vernach¬ 
lässigen zu sollen, wurden in der Folge doch überrascht 
von den Erfolgen, die sie für Bauten anwies, denen der 
Zweckbestimmung gemäß, aller Luxus fremd bleiben 
mußte, denn bald sah man Häuser, bei denen billiger Preis 
sich mit Solidität zusammenfinden mußte, wie Fabriken, 
Magazine, Stallungen etc. aus diesem Material konstruiert. 
Heute, nach einer während fünfzig Jahren gesammelten 
Erfahrung ist diese Bauart so verbreitet, daß man in 
Lyon fast gar keine Schlacken mehr findet, und daß, 
wenn es sich um größere Bauten handelt, man sich ge¬ 
nötigt sieht, sich an mehrere Fabriken und Eisenbahngesell¬ 
schaften zu wenden. Die Fracht hat den Preis dieses 
Mauerwerkes verdoppelt, der heute auf 11 Francs pro 
Kubikmeter steht. Die Konstruktion ist natürlich um so 
widerstandsfähiger, je weniger man mit dem Kalk spart, 
die gewöhnliche Mischung ist vier Teile Schlacken und 
ein Teil Kalk. Die Mauern aus gestampfter Schlacke 
werden durchaus in der nämlichen Weise bereitet, wie 
die aus gestampfter Erde. Die Aufschüttung geschieht 
in etwa 15 Zentimeter starken Schichten unter starkem 
Einstampfen. Diese Mauern haben gewöhnlich die Stärke 
eines halben Meters, aber nichts hindert sie dünner zu 
machen, wenn die Mauer keine starke Last zu tragen 
hat. Man kann mit diesen Mauerwerk noch solide Scheide¬ 
wände von 15 bis 20 Zentimeter Dicke herstellen, indem 
man sie zwischen Planken einstampft oder indem man 
viereckige Platten formt, die nacher mit Gips oder Zement 
zusammengefügt werden. Die Gewölbe aus Schlacken 
werden ungefähr in gleicher Weise geformt, wie die aus 
Beton, immerhin muß man vermeiden, die Mischung senk¬ 
recht auf dem Gewölberücken zu stampfen, was die Ge- 
rüstung in unaufhörliches Zittern bringen und der Ver¬ 
kittung der Masse schaden müßte, man stampft vielmehr 
tangential zur Gewölberüstung. Die Dicke der Gewölbe 
wird im Verhältnis ihrer Tragweite bemessen; sie ist im 
Mittel 0-30 Meter mit einer Steigung von OHO Meter bei 
einer Spannung von 5 Meter. Ob sich die Herren Bau¬ 
meister, die zu dieser Bauart animiert wurden, dazu ver¬ 
stehen werden, dieselbe in Anwendung zu bringen und 
ob die Baubehörde diese Bauweise zulassen wird, steht 
abzuwarten und werden wir das Resultat darüber seiner¬ 
zeit berichten. S. St. 
Randglossen zur Bauspekulation. 
(Vortrag von Herrn X.) 
Sie gestatten mir, meine Herren, daß ich mich Ihnen 
vorstelle. Mein Name ist X, vom Stand bin ich Bau¬ 
unternehmer, meinetwegen auch Bauspekulant. Ich habe 
schon viele Neubauten als Unternehmer ausgeführt und 
habe dabei mit ungefähr 400 Bauhandwerkern Geschäfte 
gemacht, aber auch Prozesse zu bestehen gehabt. 
Meine Herren, ich muß vorausschicken, daß Sie in mir 
nicht etwa einen von jenen verfl . . . Bauspekulanten vor 
sich sehen der die armen Handwerker um ihr gutes Geld 
brachte oder bringen wollte. Meine Bauhandwerker wurden 
bis auf den letzten Pfennig bezahlt und keiner hat einen 
Pfennig verloren. Wenn ich eingangs sagte, ich hätte 
auch eine Anzahl Prozesse geführt, so waren dies nicht 
etwa Prozesse, die ich anstrengte, um den Handwerkern 
Geld abzuzwacken, sondern sie waren zum Teil veranlaßt 
durch die Vorschriften der Bauordnung, bezogen sich 
zum Teil auf Erreichung besserer Baubedingungen und 
nur zum kleinen Teil waren sie veranlaßt durch die 
minderwertigen Arbeiten, die mir von gewissen Hand¬ 
werkern geliefert wurden und wobei ich, um zu meinem 
Rechte zu gelangen, prozessieren mußte. 
Ich sage Ihnen aber jetzt gleich, meine Herren, die 
meisten dieser vonseiten der Handwerker verursachten 
Prozesse hätten vermieden werden können, und mir und 
den Handwerkern hätte mancher Taler an Gerichtskosten 
gespart werden können, wenn ich immer Handwerker 
vor mir gehabt hätte, die nur irgend welche kaufmännische 
Erfahrung gehabt hätten, die von vorneherein das Bestreben 
gehabt hätten, die Arbeiten reell zu liefern und nicht 
immer versucht hätten, da und dort etwas zu beschummeln, 
sie hätten zum Teil auch vermieden ;werden können, wenn 
ich mitunter Handwerker vor mir gehabt hätte, mit denen 
ein fachtechnisches Wort hätte geredet werden können, 
die einmal zu einer vernünftigen Auseinandersetzung zu 
haben gewesen wären, die bei der geringsten Reklamation 
nicht gleich grob geworden wären. Ist mir doch mit dem 
Hinauswerfen und ähnlichen Handlungen gedroht worden. 
Unter solchen Umständen war ich in den langen 
Jahren meiner Bautätigkeit nicht selten gezwungen, mein 
Recht vor dem Richter zu suchen. Doch das nur nebenbei, 
meine Herren, ich werde im Laufe meines Vortrags noch 
näher auf diese Verhältnisse zurückkommen. 
Meine Herren 1 Ich könnte Ihnen ja vielerlei erzählen 
von den Schäden, die die sogenannte unreelle Bau¬ 
spekulation für unseren Bauhandwerkerstand gebracht 
hat, ich könnte Ihnen Summen aufführen, die in die 
vielen Millionen gehen, die die Bauhandwerker in den 
letzten 30 Jahren verloren haben. Ich würde Sie aber 
ganz gewiß damit langweilen, wenn ich mich da in 
einzelne Zahlen verlieren wollte, zum Ende käme ich 
dabei gar nicht. Ich glaube, daß wohl keiner unter meinen 
verehrten Zuhörern ist, der schon sein Handwerk eine 
Anzahl von Jahren betreibt und der nicht in dieser Be¬ 
ziehung seine Erfahrungen gemacht hätte und sein 
Liedchen singen könnte. 
Wenn man klagen wollte und wollte lamentieren, so 
käme man auch nicht zum Ziele, und wenn ich in meinem 
Vortrage in diese Klagen mit einstimmen wollte, so käme 
ich ebensowenig zum Ziele. Das gesamte Bauhandwerk 
schimpfte und schimpft noch über das leidige Bau¬ 
spekulationswesen. 
Wenn wir uns fragen, meine Herren, wer hat das 
Bauspekulationswesen verursacht, so haben wir die 
Antwort ja gleich bei der Hand: Die ungenügende Ge¬ 
setzgebung, die dem Bauhandwerker nicht, genügenden 
Schutz bietet für seine Forderungen, die das Eindringen 
unreeller und mittelloser Bauunternehmer in das Bau¬ 
gewerbe ermöglicht, die Umständlichkeit der Gerichte 
bei anhängigen Prozessen usw. 
Meine Herren, das ist ist alles richtig. Ganz gewiß 
bot die Gesetzgebung seither dem Bauhandwerker nicht 
genügend Schutz, ganz gewiß war es möglich, daß un¬ 
reelle und mittellose Unternehmer sich breit machten und 
auch ist es nicht zu bestreiten, daß die Gerichte in solchen 
Prozessen, wo es sich um Baustreitigkeiten handelt, sehr 
langsam arbeiten und es ist Tatsache, daß manchem 
Bauhandwerker Vermögen und Geschäft hätte erhalten 
bleiben können, wenn die Gerichte, in den anhängigen 
Prozessen rascher zum Urteile gekommen wären.
	        
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