Volltext: XIV. Jahrgang, 1909 (XIV. JG., 1909)

Seite 82. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 11. 
haben; seine Behandlung der Renaissance-Formen ist 
epochemachend und mustergültig geworden. 1803 in Altona 
geboren; erhielt er eine klassische Bildung, studierte dann 
eine kurze Zeit lang in Göttingen Mathematik und wandte 
sich dann der Architektur zu. Er begann seine künstlerischen 
Studien in München, ging aber 1826 nach Paris, wo er 
zunächst sich an Gau anschloß. 1830 verließ er Paris und 
machte vier Jahre lang Studienreisen in Italien "und 
Griechenland, deren nächste Frucht eine Schrift über 
die polychrome Architektur und Plastik des klassischen 
Altertums war, ein damals noch viel bestrittener Gegenstand. 
1834 wurde er als Professor an die Kunstschule zu Dresden 
berufen, wo er in den nächsten Jahren bedeutende Bau¬ 
werke ausführte. Er erbaute 1836 bis 1840 die Synagoge, 
1837—41 das bewundernswürdige Theater, dann das 
Frauenhospital, einen monumentalen Brunnen auf dem 
Postplatze, die Villa Rosa und andere Privathäuser. 1847 
begann er den Bau des Museums, einen Prachtbau, welchen 
er zwar nicht zu Ende führen konnte, der aber nach seinen 
Plänen vollendet worden ist. 1848 ward er in die politischen 
Ereignisse verwickelt und mußte nach der Niederschlagung 
des Aufstandes im Mai 1849 flüchten. Er begab sich zuerst 
nach Paris und dann nach London, wo er 1851 eine 
Professur erlangte, sehr hoch geschätzt wurde und auch 
an der Gründung des Kensington-Museums tätigen Anteil 
nahm. 1853 ward er als Professor an das Polytechnikum 
in Zürich berufen, wo er bis 1870 gewirkt hat. Er erbaute 
dort das prachtvolle Gebäude des Polytechnikums, die 
Sternwarte und das Stadtkrankenhaus, alle drei hoch¬ 
bewunderte Werke. Dann nach Wien übergesiedelt, führte 
er dort den Prachtbau der neuen Museen und entwarf 
den Plan zu dem neuen Burgtheater, sowie den Plan 
zum Ausbau der Hofburg. Diese in Verbindung mit den 
Museen, ist ein architektonisches Prachtwerk ohnegleichen. 
Der Brand des Dresdener Theaters gab ihm Gelegenheit, 
dasselbe im großem Maßstabe und reichern Formen wieder 
neu zu erbauen, und dieses neue Dresdener Theater ist 
wieder ein Muster von reicher und eleganter architek¬ 
tonischer Schönheit. Von sonstigen großen Entwürfen 
sind noch zu nennen ein Plan zur Nikolaikirche in 
Hamburg, der aber nicht zur Ausführung kam, und ein 
Plan zu einem Theater in Rio de Janeiro, womit der 
Meister auf der Weltausstellung von 1867 einen Ehrenpreis 
gewann. Von seinen Schriften über Kunst und Kunst¬ 
industrie haben wir diejenige über polychrome Baukunst 
schon genannt, die darin aufgestellten Behauptungen sind 
seitdem allgemein zugegeben; 1851 erschien „Die vier 
Elemente der Baukunst“, 1852 „Über Industrie, Wissenschaft 
und Kunst“ und 1860 bis 1865 sein Hauptwerk „Der 
Stil in den technischen und tektonischen Künsten“, zwei 
Bände, denen ein dritter folgen sollte, der aber noch 
nicht erschienen ist. Dieses höchst geistreiche, ebenso 
freisinnige wie gelehrte Buch ist ein epochemachendes 
Werk, welches bereits in 4. Auflage erschienen ist. 
Fürstendenkmäler einst und jetzt. 
Von Georg Voss,. 
Niemand wird ernstlich darüber streiten wollen, daß 
in den Denkmälern, welche wir unseren großen Männern 
errichten, die Person des Dahingeschiedenen die Haupt¬ 
sache ist. Bei bescheidenen Mitteln ist es wenigstens 
der Name des Gefeierten, den wir auf seinem Grabstein, 
auf einer Gedenktafel an dem Orte seines Wirkens, auf 
einer weithin sichtbaren Felsenwand, auf einer Ruhebank 
oder einem anderen Erinnerungsmal in monumentalen 
Lettern hervorheben. Sobald die Geldmittel nur einiger¬ 
maßen reicher fließen, gilt es in jedem Denkmal ein 
monumentales Bildnis des Dahingeschiedenen zu schaffen. 
Eine Statue, eine Büste oder wenigstens ein schlichtes 
Medaillon-Relief soll die Züge des Toten für alle Zeiten 
der Nachwelt überliefern. 
Dieser Wunsch scheint so tief in unseren hergebrachten 
Anschauungen begründet zu sein, daß wir ihm auch dann 
folgen, wenn jedes Bildnis des zu feiernden Mannes längst 
verschollen und vergessen ist. Das wahre historische 
Porträt unserer Helden und Heroen mag verloren gehen, 
dennoch wird sich die Phantasie der Völker aus eigener 
Kraft die idealen Bildnisse ihrer Lieblingshelden schaffen. 
Die griechischen Marmorbüsten Homers sind frei erfundene 
Idealgebilde. Ebenso hat die deutsche Kunst ihr Idealbild 
Karls des Großen geschaffen, ohne eine Ahnung von den 
wirklichen Zügen des Kaisers zu besitzen. Die traditionelle 
Darstellung Karls des Großen mit dem lang wallenden 
Barte, so wie ihn vor allen Albrecht Dürer gemalt hat, 
ist eine Erfindung, welche durch die jetzt aufgefundene 
echte historische Statuette des Kaisers in jedem einzelnen 
Zuge der Erscheinung widerlegt wird. Von Andreas 
Schlüter ist kein einziges beglaubigtes Bildnis überliefert. 
Doch an zahlreichen Orten, wo es die Männer deutscher 
Kunst zu verherrlichen gilt, finden wir den Meister in 
Erz, in Marmor oder in monumentalen Wandgemälden 
dargestellt. Man behilft sich lieber mit fingierten Zügen, 
als daß man das Bild des gefeierten Mannes in der Reihe 
der Porträts der ebenbürtigen Genossen missen möchte. 
Überall, wo es gilt, Denkmäler zu errichten, wird man 
mit diesem Streben rechnen müssen. Jeder andere Gedanke, 
so namentlich die jetzt vielfach auftretende Absicht, das 
Andenken des Kaisers Wilhelm durch Gebäude von 
gemeinnützigem Interesse zu verherrlichen, mag von sehr 
praktischer Bedeutung sein, doch Denkmäler im volks¬ 
tümlichen Sinne des Wortes werden dadurch nicht ge¬ 
schaffen. Epochen wie die der prähistorischen Kunstübung, 
die keine Porträtkunst besaßen, mochten sich für die 
Grabmäler ihrer Helden mit Bautasteinen, Lichaven, 
Dolmen und Stonehengen begnügen. Die durch eine 
strenge Tradition gebundene altägyptische Kunst, der 
es versagt war, in ihren aus Granit gemeißelten Kolossal¬ 
statuen ein Bild von dem inneren geistigen Leben der 
Persönlichkeit zu geben, mochte den erhabensten Ausdruck 
fürdieDenkmäler ihrer Pharaonen in einer architektonischen 
Form, der Pyramide, finden. Doch seit es der griechischen 
Kunst gelungen ist, den Menschen, sein Fühlen und sein 
Wollen in Erz und Marmor darzustellen, ist das Porträt 
des zu feiernden Helden der wichtigste Bestandteil unserer 
Denkmäler geblieben. 
Allerdings ist dieser Grundgedanke des Denkmals 
im Verlaufe der Entwicklungsgeschichte der künstlerischen 
Ideale oft durchkreuzt worden. 
Gerade deshalb, weil die Kunst einer jeden Zeit bemüht 
ist, in den Denkmälern ihrer großen Männer ihr höchstes 
Können zu dokumentieren. Je höher sich in den wechselnden 
Jahrhunderten die künstlerische Prachtliebe steigerte, desto 
mehr mußte dieses Streben nach Pracht auch in den 
Denkmälern zum Ausdruck kommen. Die Bildhauerkunst 
durfte sich nicht mehr damit begnügen, das schlichte 
Bildnis des Verstorbenen, so wie er unter den Lebenden 
gewandelt, zu geben, sondern die Kunst wurde auf Parade¬ 
stücke gerichtet, welche unter allen Umständen das ge¬ 
samte technische Können der Zeit erschöpfen mußten.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.