Volltext: XIV. Jahrgang, 1909 (XIV. JG., 1909)

Seite 2. 
Öberösterreichische Bauzeitung 
Nr. 1. 
sauganlage, mehrere Keller und die Wohnung des Haus¬ 
meisters. 
2. Hochparterre: Großer Saal (9.75X 13.5) für die 
gewerblichen Ausstellungsobjekte, ferner ein Saal (15.60 
X 6.30) Größe, Mitte Entree mit großem Vestibül und 
dreiarmiger Stiege; dann Lesezimmer, Zimmer für den 
Direktor sowie für den Genossenschafts-Instruktor, 
Kanzleizimmer, Aborte und Klosetts. 
In den drei Stockwerken befinden sich je 3 
Wohnungen aus 3—4 Zimmer, Vorzimmer, Speisekammer, 
Badezimmer, Dienstbotenzimmer und Klosett bestehend, 
und mit allem Komfort der Neuzeit ausgestattet. 
Schieß lieh enthält der Dachboden zwei kleine 
Wohnungen, Bodenräume und für jede Wohnpartei ein 
Kabinett für Garderobe. Endlich die Waschküche mit 
Bügelzimmer und Rollkammer. 
Wir gehen nun zur dekorativen Ausstattung des 
Hauses über und besehen uns die Fassade. Sie zeigt uns, 
daß der geistige Urheber derselben, Herr Baumeister 
Gustav Steinberger, bemüht war, dem ernsten 
Zweck des Gebäudes zufolge, der Außenseite eine archi¬ 
tektonische Lösung zu geben, bei der .alles vermieden 
werden sollte, was zur Unruhe und Kleinlichkeit führt. Als 
einziger Schmuck dient hier der plastisch sich gut ab¬ 
hebende Erker mit seiner Bekrönung und die gelungene 
Dekorierung der Wandflächen in den zwei Stockwerken. 
Reicher ausgestattet ist das Innere des Hauses, beispiels¬ 
weise sind hier außer dem großen Vestibül mit seiner 
prachtvollen dreiarmigen Stiege und schön gearbeiteten 
Geländer vom Schlossermeister Ferdinand Thilo noch 
zwei Interieurs enthalten, die an Eleganz und Geschmack 
nicht leicht in einem anderen Privatgebäude angetroffen 
werden dürften. 
Der Oberösterreichische Gewerbeverein, der durch 
Jahre in einem alten defekten Hause der Altstadt seine 
Lokalitäten inne hatte, besitzt nun mit dem Gewerbe¬ 
förderungsinstitute zusammen Räumlichkeiten, die einer 
Landeshauptstadt würdig sind, und zu deren Errichtung 
der Bauherr des Gebäudes und Kassier des Gewerbe¬ 
vereines Herr Josef Haslinger den Vorschlag machte, 
der von den Vereinsmitgliedern mit Freuden akzeptiert 
wurde. Dem genannten Herrn gebührt die Anerkennung, 
dem Verein eine schöne Heimstätte geschaffen, dem 
Baumeister Herrn Gustav Steinberger aber, das 
Verdienst, den ganzen Bau in allen seinen Teilen 
elegant und solid durchgeführt zu haben. 
Die Liste der beim Bau beschäftigt gewesenen 
Industriellen stellt sich folgendermassen: 
Baumeister Gustav Stein her ge r 
Steinmetz A. Nuß bäum er in Freistadt 
Zimmermeister PaulReichl 
Spengler L. Papinsky 
Wasserleitung etc. . . . J. Herbsthofer 
Maler Willi. Höhnel 
Anstreicher Willi. Höhnel 
Tischler J. Haslinger 
Bildhauer Hans Oycerle 
Schlosser Joh. Eckl, Thilo (Geländer) 
Glaser J. Chitracek 
Fußböden J. Haslinger 
Heizeinrichtung J. H a r d t m u t h 
Hauptpolier Franz Weiguny 
Pflasterungen 0. Bergmann 
Elektrische Beleuchtung . G. Zauner. 
Eduard Kornhoff er. 
Erbbaurecht. 
Referat und Beschluß des 6. österreichischen Städtetages. 
Die wirtschaftliche Unzulänglichkeit der obligato¬ 
rischen Pachtverhältnisse an Immobilien hat schon im 
römischen Reiche eigentumsälinliche, vererbliche und 
veräußerliche Nutzungsrechte an fremdem Grund und 
Boden entstehen lassen, die Superficies und die Emphy- 
teusis, auf deren Grundlage sich später eine Art Hörig¬ 
keitsverhältnis, der Colonat, entwickelte. Auch das Mittel- 
alter hat in Anlehnung an das politische System des 
Lehenwesens ähnliche ausgedehnte Nutzungsrechte an 
Grund und Boden hervorgebracht, das Erbzins- und das 
Erbpachtrecht, welche ebenfalls nach und nach persön¬ 
liche Abhängigkeitsverhältnisse, die Leibeigenschaft und 
später die Grundhörigkeit im Gefolge hatten. An diese 
Zustände anknüpfend, hat das allgemeine bürgerliche 
Gesetzbuch in den §§ 1122 bis 1150 Vorschriften über 
das Erbpacht-, das Erbzins- und das Bodenzinsrecht er¬ 
lassen, durch welche unter dem Gesichtspunkte des ge¬ 
teilten Eigentumes die rechtlichen Beziehungen zwischen 
dem Obereigentümer und dem Nutzungseigentümer 
ziemlich eingehend geregelt sind. Die Gesetzgebung über 
die Grundentlastung in der Mitte des vorigen Jahrhun¬ 
derts hat diesen Rechtsverhältnissen durch teils entgelt¬ 
liche und teils unentgeltliche Aufhebung der gegenseitigen 
Rechte und Pflichten im großen und ganzen ein Ende 
bereitet, indem sie das Nutzungseigentum in freies Eigen¬ 
tum verwandelte. Zur dauernden Sicherung dieser Reform 
verfügt das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte 
der Staatsbürger: Jede aus dem Titel des geteilten 
Eigentumes auf Liegenschaften haftende Schuldigkeit oder 
Leistung ist ablösbar und es darf in Zukunft keine 
Liegenschaft mit einer derartigen unablösbaren Leistung 
belastet werden. Seither sind in Österreich vererbliche 
und veräußerliche Nutzungsrechte an fremden Grund¬ 
stücken mehr und mehr verschwunden. Das praktische 
Leben behalf sich an ihrer statt mit Bestandverträgen, 
die nach Bedarf erneuert und fortgesetzt wurden. Ins¬ 
besondere wird der Grundbesitz kirchlicher und welt¬ 
licher Korporationen vielfach in dieser Art zur Benützung 
ausgelan und die rücksichtsvolle Handhabung der Pacht¬ 
verträge durch die Verpächter hat sogar die Entstehung 
von Bauten auf fremdem Grund nicht verhindert. Aller¬ 
dings ist der Zustand derartiger Superädifikate mit Rück¬ 
sicht auf ihre prekäre Rechtsgrundlage zumeist ein kläg¬ 
licher und die Rechtsverhältnisse der Superädifikat-Inhaber 
zu dritten Personen, insbesondere zu ihren Gläubigern 
leiden an einer Unklarheit und Unbestimmtheit, welche 
die Justiz oft zu absonderlichen Auskunftsmitteln nötigt. 
Das bürgerliche Gesetzbuch für das Deutsche Reich 
hat durch die Bestimmungen seiner §§ 1012 bis 1017 
neuerlich ein vererbliches und veräußerliches Nutzungs¬ 
recht an fremden Grundstücken geschaffen, nämlich das 
Erbbaurecht, das Recht, auf oder unter der Oberfläche des 
Grundstückes ein Bauwerk zu haben. Das Gesetz bestimmt 
hierüber nur, daß für das Erbbaurecht die sich auf 
Grundstücke beziehenden Vorschriften gelten, daß die 
für den Erwerb des Eigentumes und die Ansprüche aus 
dem Eigen turne geltenden Vorschriften auf das Erbbau¬ 
recht entsprechende Anwendung finden, daß zur vertrags¬ 
mäßigen Bestellung des Erbbaurechtes die Einigung 
beider Vertragsteile vor dem Grundbuchsamte erforderlich 
ist, daß das Erbbaurecht durch Übergang des Bauwerkes 
nicht erlischt, daß das Erbbaurecht sich auch auf die
	        
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