Volltext: XIV. Jahrgang, 1909 (XIV. JG., 1909)

Nr. 19. 
Lohnerhöhungen und mit den Materialpreissteigerungen 
nicht in Einklang gebracht werden konnten. Die Genossen¬ 
schaft konstatiert auch eine außerordentliche Schädigung 
ihres Gewerbes dadurch, daß nicht von Hafnern allein 
Herde gesetzt und Fliesen gelegt werden dürfen. 
Steinbrüclie, Steinhauerei und sonstige Bearbeitung 
von Steinen. Für die Steinindustrie des Kammerbezirkes 
zählt das Berichtsjahr, hauptsächlich infolge des Dar- 
niederliegens der Bautätigkeit im Kammerbezirke, zu den 
unlohnendsten Epochen des letzten Dezenniums. Bruch¬ 
steine, ein Massenartikel für Fundamentbauten, und 
Bausteine (Werksteine) waren stark außer Begehr. 
Als ungünstiger Faktor ist insbesondere die immer mehr 
zunehmende Verwendung von Surrogaten und die immer 
häufigere Anwendung von Beton und Betoneisen anzu¬ 
führen. Die Fundamente werden teilweise auch aus 
Ziegeln und Abbruchmaterialien, ja wegen der fort¬ 
während steigenden Löhne sogar aus neuen Ziegeln her¬ 
gestellt, weil die Handarbeit mit Bruchsteinen viel teurer 
zu stehen kommt. Eine bedeutende Menge von Bruch- 
und Werksteinen absorbierte allerdings der Bau der 
zweiten Wiener Hochquellenleitung, doch kam dies nicht 
den Steinindustriellen zugute, da die Kommune Wien 
alle diese Arbeiten in eigener Regie ausführte. Lediglich 
die Beistellung von Werksteinen für die Wasserreservoire 
wurde‘einigen selbständigen Unternehmern im Kammer¬ 
bezirke übertragen; auch diese Arbeiten wurden jedoch 
schon vor geraumer Zeit zur Vollendung gebracht. Sand¬ 
steine aus dem Wienerwalde gelangten, wie seit vielen 
Jahren, zum Baue des Domes in Linz zur Verwendung; 
einige, wenn auch nicht bedeutende, so doch feinere 
Arbeiten aus diesem Material wurden für Schloßbauten 
nach Steiermark und Ungarn ausgeführt, wobei die kom¬ 
pakte Struktur dieses Steines und seine entsprechende 
Farbe für die Wahl dieses Materials den Ausschlag geben. 
Stiegenstufen und Pfeiler, wofür früher viel 
Werksteine verbraucht wurden, werden nun meist durch 
Eisenbeton ersetzt. Die noch aus Werksteinen herge¬ 
stellten Stiegenstufen kommen übrigens zum größten 
Teile aus dem Karst. Gewöhnliche Stufen aus Wiener 
Sandstein für kleine Häuser wurden im Berichtsjahre in 
kaum nennenswerten Mengen abgesetzt. Die Granit¬ 
würfelerzeugung hielt sich in normalen Grenzen. 
Die Verkaufspreise waren jedoch, hauptsächlich infolge 
höherer Arbeitslöhne, sehr wenig gewinnbringend. 
Bessere Steinmetzarbeiten aus hartem Gestein 
in Marmor und Granit konnten nur zu gedrückten Preisen 
abgesetzt werden und viele Betriebe waren nicht voll 
beschäftigt. Die beispiellos billigen Offerte von Stein¬ 
metzarbeiten aus der Karstgegend machen es häufig zur 
Unmöglichkeit, die Rohsteine im Kammerbezirke fertig 
zu bearbeiten, weil die hierortigen Industriestätten mit 
unverhältnismäßig höheren Regiekosten zu rechnen haben. 
Auch die Kunststeinindustrie trägt dazu bei, den Bedarf 
von bearbeiteten Natursteinen immer mehr einzudämmen. 
Stärkere Verwendung fanden Marmorplatten in der Möbel¬ 
industrie und in Elektrizitätswerken; auch die Aus¬ 
schmückung von Vestibülen in Privat- und Zinshäusern 
nimmt immer mehr zu, doch waren leider die erzielten 
Verkaufspreise zum Teil sehr gedrückt. Die Grab- 
monumentenindustrie hatte gleichmäßigen Absatz? 
doch klagen die bestehenden Etablissements über un¬ 
lohnende Abschlüsse infolge der scharfen Konkurrenz. 
Für diese Branche wäre von ausschlaggebender Bedeu¬ 
tung, wenn hervorragende und künstlerische Arbeiten, 
Seite 151. 
wie öffentliche Denkmäler, in größerer Zahl zur Ver¬ 
gebung gelangen würden. 
Der Export von Rohsteinen und Steinfabrikation 
ruhte fast gänzlich. Der Import beschränkte sich auf 
den Bezug von Rohgraniten aus Schweden und Marmor 
in Blöcken und Platten aus Belgien und Italien. Be¬ 
merkenswert ist übrigens, daß die Steinmaterialien des 
Kammerbezirkes durch Provenienzen der übrigen Kron- 
länder in zunehmendem Maß verdrängt werden. Marmor 
aus den Donaugegenden wird vom Tiroler und schlesischen 
Marmor verdrängt, Granit aus der Gmündner Gegend 
durch Provenienzen aus Böhmen und Schlesien. Als 
Hauptübel für das konzessionierte Steinmetzgewerbe wird 
die Beschäftigung von Steinmetzgehilfen und die Aus¬ 
führung der einschlägigen Arbeiten durch Baumeister, 
Monumentenerzeuger, Kunststeinerzeuger und Bildhauer 
bezeichnet. Alle diese Gewerbe bedienen sich nach An¬ 
gabe der Interessenten der von konzessionierten Stein¬ 
metzmeistern ausgebildeten Steinmetzgehilfen und ent¬ 
ziehen dem konzessionierten Steinmetzmeister die wichtig¬ 
sten Arbeiten. Klagen werden aus diesen Kreisen auch 
erhoben über die Ausdehnung des Schulbesuches der 
Lehrlinge auf die vielen Nachmittagsstunden in der Woche, 
wodurch besonders kleinere Meister von der Aufnahme 
von Lehrlingen abgehalten werden sollen. 
Gips. Die Absatzverhältnisse für die Gipsindustrie 
des Kammerbezirkes haben sich im Berichtsjahre weiter 
wesentlich verschlechtert. Die hauptsächlichste Ursache 
dieser ungünstigen Entwicklung ist der stagnierenden 
Bautätigkeit zuzuschreiben. Die Werke waren nur ganz 
ungenügend beschäftigt, so daß trotz vielfacher Betriebs¬ 
einschränkungen bedeutende Vorräte unverkauft auf Läger 
verblieben. Anderseits verschlechterten sich die Kon¬ 
kurrenzverhältnisse gegenüber dem Vorjahre dadurch^ 
daß die bestehende Vereinigung der bedeutendsten Werke 
eine wesentliche Lockerung erfuhr. Zudem änderte sich 
nichts in der scharfen Konkurrenz gegenüber der unga¬ 
rischen und reichsdeutschen Industrie. Die ungarische 
Konkurrenz beherrscht nicht nur ihr eigenes Gebiet samt 
Bosnien und der Herzegowina, sondern ist vor allem in 
Mähren wirksam und liefert selbst nach Wien jährlich 
zirka 400 Waggons Gips. Die deutsche Konkurrenz hin¬ 
wiederum ist speziell im Norden Böhmens nicht zu ver¬ 
drängen, und zwar gerade in den größten Konsumtions¬ 
orten daselbst, wie den Badeorten und größeren Industrie¬ 
städten; die Hauptursache ist die ungünstige fracht¬ 
tarifarische Lage, deren Verbesserung trotz aller An¬ 
strengungen der inländischen Industrie seitens der Bahn¬ 
verwaltungen nicht zu erreichen war. Als dringend not¬ 
wendig werden demnach abermals entsprechend billige 
Frachtsätze nach den Sudetenländern bezeichnet, um dort 
gegen die Konkurrenz der ungarischen und reichsdeutschen 
Werke aufkommen zu können. Auch der Zollschutz wird, 
wie bereits öfter erwähnt wurde, als vollständig unge¬ 
nügend erklärt und müßte so hoch wie derjenige für 
Zement sein. In Wien wurden die Preise von Gipsdielen 
und -Wänden durch eine neu aufgetauchte inländische 
Konkurrenz teilweise selbst unter die Gestehungskosten 
herabgedrückt. Als technischer Fortschritt in der Gips¬ 
dielenbranche ist die Einführung von Gipsdielen mit 
Kokosfasern statt der ungezieferführenden Stukkaturrohre 
zu verzeichnen. In den Preisen der Roh- und Hilfsstoffe 
sowie in den Lohnverhältnissen und Arbeitsbedingungen 
sind keine wesentlichen Veränderungen eingetreten. 
Immerhin sind die Arbeitslöhne, speziell in Wien, bereits 
Oberösterreichische Bauzeitung.
	        
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