Volltext: XIV. Jahrgang, 1909 (XIV. JG., 1909)

Seite 10. Oberösterreichische Bauzeitung. Nr. 2. 
Abschaffung des Vadiums. 
Aus dem Wiener Rathause kommt eine Nachricht, 
die in den Kreisen der städtischen Kontrahenten und 
Offerenten alldort einmütig mit großer Freude begrüßt 
werden wird. Im Laufe der eben stattgehäbten Budget¬ 
debatte machte nämlich der Referent Stadtrat Hraba die 
Mitteilung, daß demnächst dem Gemeinderat ein Bericht 
vorgelegt werden wird, nach welchem künftighin von 
dem Erlag eines Vadiums oder einer Kaution bei Offert¬ 
stellung für städtische Arbeiten und Lieferungen Abstand 
zu nehmen ist. Charakteristisch ist die Begründung für 
diese Maßregel. Der Referent erklärt nämlich, „daß die 
Vadien heute bereits die Höhe von 18 Millionen Kronen 
und die Kautionen eine solche von 6 Millionen Kronen 
erreicht haben, so daß im Rathause nicht mehr Platz 
genug sei, um diese Wertpapiere unterzubringen und es 
müsse Remedur geschaffen werden, weil durch den Erlag 
der Vadien und Kautionen die Geschäftsleute sehr hohe 
Zinsen verlieren.“ 
Letzterer Satz gilt heute wohl nicht mehr in dem 
Maße als früher, weil zum weitaus größten Teil die 
Vadien und Kautionen in Wertpapieren und Sparkasse¬ 
büchern und nicht mehr in barem Geld erlegt werden, 
so daß Zinsen nicht verloren gehen. Verloren geht aber 
der Geschäftswelt ein Betrag von 24 Millionen Kronen, 
welcher in den Kassen der Stadt Wien erliegt und der 
zum größten Teil dem Geschäftskapital entzogen wird. 
Die wahre Begründung wäre die, daß sich das Prinzip 
des Vadien-Erlages heute überlebt hat, daß es eine ver¬ 
altete Institution geworden, die nur aus Gewohnheit und 
Abneigung gegen Neuerungen beibehalten würde. Man 
kann ruhig sagen, die Einführung des Vadiums war 
direkt nachteilig für Arbeitgeber und Unternehmer. Für 
letztere bedeutet sie einen Geld-und Zeitverlust, für die 
Gemeinde bestand der Nachteil darin, daß eine ganze 
Schar von Beamten mit der Übernahme und Wieder- 
ausfolgung der Vadial-Gelder beschäftigt, also anderen 
Arbeiten entzogen war. Die Gemeinde hatte aber auch 
einen indirekten Schaden insoferne, als reelle Geschäfts¬ 
leute, die über kein Kapital verfügten, abgehalten wurden, 
Offerte zu stellen. Selbst wenn sie Kredit erhalten hätten, 
nahmen sie ihn nicht in Anspruch, da bei niedrig1 ge¬ 
stellten Preisen die Verdienstsumme kaum hinreichte, 
um die Zinsen des Darlehens zu bezahlen, bei höheren 
Preisen mit dem Risiko der Ablehnung des Offertes ge¬ 
rechnet werden mußte. Aber auch Geschäftsleute mit 
Kapital hatten eine gewisse Abneigung gegen städtische 
Arbeiten und Lieferungen, weil sie das als Vadium ge¬ 
forderte Geld dem Geschäfte entziehen mußten. Aller¬ 
dings trug zu dieser Abneigung noch der Umstand sehr 
viel bei, daß der Kontrahent oft eine unverhältnismäßig 
lange Zeit auf die Auszahlung des letzten Restes der 
Verdienstsumme (?) warten mußte. 
Begreiflich und nicht unbillig wäre es, wenn der 
Ersteher die Arbeit oder Lieferung dann erst definitiv 
zugesprochen erhielte, nachdem er eine Sicherstellung 
geleistet hat. Was es aber bedeutet, daß alle Offerenten 
Vadien erlegen müssen, kann man z. B. bei der Offert¬ 
verhandlung für.kurrente Arbeiten der Gemeinde Wien 
beobachten. Von ungefähr 1200 Offerenten werden rund 
500 als Kontrahenten erwählt, es müssen also 700 Ge¬ 
schäftsleute das Vadium vergeblich erlegen. Sie verlieren 
wie oben angedeutet nicht blos sehr viel Zeit beim Ein¬ 
zahlen und bei der Rückforderung, sie müssen auch 
Wochen oder gar Monate lang auf das Geld Verzicht 
leisten, da sie warten müssen, bis die betreffenden 
Arbeiten vergeben sind. 
Boi der Einführung des Vadiums dürfte der Beweg¬ 
grund maßgebend gewesen sein, daß der Arbeitgeber 
eine Sicherheit haben wollte, daß der Offerent eine ihm 
zugeschlagene Arbeit oder Lieferung tatsächlich über¬ 
nimmt. Bei der heutigen Lage des Gewerbes, namentlich 
des Baugewerbes, welches quantitativ in erster Linie bei 
Vergebungen in Betracht kommt, dürfte es wohl nicht 
Vorkommen, daß der Ersteher einer Arbeit sie äuszu- 
führen sich weigert, da die Gewerbetreibenden, nur um 
für ihre Arbeiter Beschäftigung zu haben, Preise stellen, 
daß sie gerade ohne Verlust davonkommen. Sollten aber 
hie und da Anbote mit abnorm niedrigen Preisen gestellt 
werden, bei denen der Offerent unmöglich solid und 
vorschriftsmäßig die erstandene Arbeit hersteilen kann, 
so würde dies höchstens zur Einführung des wiederholt 
von der Geschäftswelt angestrebten Prinzips des Mittel¬ 
preises führen, nach welchem Offerte mit der höchsten 
und der niedersten Ziffer überhaupt von der Konkurrenz 
auszuschalten sind. 
Die Abschaffung des Vadiums für städtische Arbeiten, 
welche nunmehr mit Sicherheit erwartet werden kann, 
wird voraussichtlich den Erfolg haben, daß auch der 
Staat, das Land und alle übrigen Korporationen, die 
öffentliche Arbeiten und Lieferungen vergeben, dem 
Beispiele der Stadt Wien folgen und von dem Erlag eines 
Vadiums absehen werden. Wiener Kommunalblatt. 
Neue biographische Skizze über Michel 
Angelo Buonarotti. 
In Michel Angelo Buoriarotti, geboren 147^, gestörbgn 
1564, staunt die Nachwelt einen der vielseitigen Künstler 
an, schon als Jüngling ein Wunder an Schaffenskraft 
und noch schöpferisch als neunzigjähriger Greis, sowohl 
als Maler wie als Bildhauer, Baumeister, Dichter. Eiserner 
Wille und Ehrgeiz, aber auch Gunst seiner Mäcene, 
Reichtum seiner gräflichen Eltern, vorzügliche Bevor¬ 
mundung des Herzogs Lorenzo de Medici, sowie des 
Kardinals Raphael Riario, bahnten ihm die schwierigen 
Wege des Künstlerwerdens. Selbst der Papst Julius II. 
wandte ihm seine volle Gunst zu. Der junge Künstler 
scheute selbst vor der schwierigsten Arbeit nicht zurück, 
sei sie durch den Meißel, sei sie durch den Pinsel her- 
gestellt. Ein in Florenz liegender Marmorblock von so 
riesiger Dimension, den weder Donatello noch Sansovino, 
nicht einmal Leonardo da Vinzi wagte zu verarbeiten, 
wurde zum Standbild des David verwendet, welcher noch 
heute vor der Pforte des Justizpalastes in Florenz steht. 
Riarios Gunst gewann er durch folgende unlautere 
Manipulationen, die man nur seinem jung aufstrebenden 
Drange zum Erfolge verzeihen könnte: Als Zwanzig¬ 
jähriger meißelte er den schlafenden Cupido in Marmor 
und vergrub ihn, um ihm ein antikes Aussehen zu geben. 
Entzückt von der herrlichen Schöpfung kaufte der 
Kardinal das Werk zu hohem Preis als Antike. Durch 
Verrat kam aber der Schwindel heraus, der geprellte 
Kardinal sandte ihm sein Werk zurück. Aber geblendet 
von der hohen Kunst des Fälschers lud ihn Riario zu 
sich nach Rom und behielt ihn ein Jahr lang in seinem 
Palast bei sich. Trotz aller Vorliebe für die Plastik schuf 
der Künstler fortgesetzt hervorragende Gemälde. Im 
Jahre 1493 trat er zum Dienst der Kirche über. Ein¬
	        
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