Volltext: XIII. Jahrgang, 1908 (XIII. JG., 1908)

Seite 50. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 7. 
2. Der Baumeisterverein soll in der Landesgenossen¬ 
schaft der Baumeister Oberösterreichs aufgehen. Ein¬ 
stimmig angenommen. 
Es wird zur Wahl des vorbereitenden Komitees für 
die Gründung einer Landesgenossenschaft der Baumeister 
Oberösterreichs geschritten und folgende Herren einstimmig 
gewählt: 
Gustav Steinberger, Linz, Karl Feichtinger, 
Linz, F. Hö 1 z 1, Schärding, Joh. Schrems, Kirchdorf, 
Josef War sch, Wels. 
Das Komitee konstituierte sich und wählte Herrn Gustav 
Steinberger zu seinen Obmann. Sämtliche Anwesende 
erklären sich durch ihre Unterschrift einverstanden, in die 
zu gründende Landesgenossenschaft der Baumeister Ober¬ 
österreichs einzutreten. 
Punkt 2 der Tagesordnung: 
Antrag über Abänderung der Bauordnung für Ober¬ 
österreich. Nach längerer Wechselrede wird der Antrag 
des Herrn Baumeisters Karl Feichtinger einstimmig 
angenommen: Montag 27. April 1908 in der Weinstube 
des Vereinshauses zwei Sitzungen des Vereins abzuhalten 
und in der ersten um V2I Uhr mittags beginnenden Sitzung 
die Städtebauordnung zu beraten, und in der zweiten um 
'/aJ Uhr desselben Tages beginnenden Sitzung die Landes¬ 
bauordnung bezüglich wünschenswerter Änderungen 
durchzunehmen. 
Punkt 3 der Tagesordnung: 
Verlesung des Protokolls der letzten Generalversamm¬ 
lung und Verifizierung desselben. 
Punkt 4 der Tagesordnung: 
Mitteilung der Einläufe. 
Punkt 5 der Tagesordnung: 
Vorlage des Rechnungsausweises. 
Das Vermögen des Vereins beträgt mit 31. Dezem¬ 
ber 1907 an Bargeld . K 23*80 
Sparkassebuch der Städtischen Sparkasse 
samt Zinsen . . 568 34 
Postsparkasse laut Kontoauszug „ 158*59 
Insgesamt . K 750*73 
Zur Revision wTerden bestimmt: Ernst H i 11 b r a n d 
und Johann Schrems und nach Richtigbefund das Ab- 
solutorium einstimmig erteilt. 
Punkt 6 der Tagesordnung: 
Entfällt über einstimmigen Wunsch, da der Verein 
zur Auflösung bestimmt ist. Schluß 3/45 Uhr abends. 
Der Schriftführer: Der Vorstand: 
R. Urbanitzky. 4 J. Weikl. 
Wie steht es mit der Gotik? 
Über dieses Thema erhalten wir von Herrn Max 
Hasak, Kunstschriftsteller in Köln a. Rh., folgende Zeilen. 
Bei dem Tode August Reichenspergers, des¬ 
jenigen Mannes, der im großen Publikum am bekanntesten 
geworden ist als der glühendste Verehrer der Gotik, 
wird sich vielen, auch der Kunstfreunde, die Frage auf¬ 
drängen: „Was ist aus der Gotik bisher geworden,] was 
wird aus ihr weiterhin werden?“ 
Wer mit den Kreisen, welche die Kunstwerke schaffen 
nicht vertraut ist, sondern nur die Oberfläche der jetzigen 
Kunsttätigkeit betrachtet, dem möchte es scheinen, als 
sei bei dem Tode August Reichensperger.s die Wieder¬ 
belebung der Gotik fraglicher als je, die Begeisterung 
für dieselbe in Abnahme begriffen, als sei der Kreis der 
Jünger der mittelalterlichen Baukunst auf eine gering¬ 
fügige Anzahl bekannter Namen zusammengeschmolzen, 
daher das Aussterben der Gothik unvermeidlich. Diese 
trüben Anschauungen sind keineswegs begründet. 
An Stelle der wenigen lokalen Pflanzstätten mit sehr 
geringem Nachwuchs, innerhalb einer durchaus entgegen¬ 
gesetzten, man kann sagen, feindlich gesinnten Welt, 
haben sich zahlreiche neue Pflanzstätten an den ver¬ 
schiedensten Stellen des deutschen Reiches, auch in 
Österreich-Ungarn, Holland, Belgien etc. gebildet; manche 
von ihnen hat jährlich an Hunderte für das Mittelalter 
begeisterte Baumeister hinausgesandt und die feindliche 
Stimmung der Umgebung, das heißt der der Renaissance 
huldigenden Kreise der Baumeister, ist in das gerade 
Gegenteil umgeschlagen. 
Seit mehr als drei Jahrzehnten haben diese Kreise 
sich der Gotik so genähert, daß sie eigentlich bis auf 
das Detail gotisch denken und bauen; durch sie ist 
das Publikum an gotische Silhouetten gewöhnt, die 
Prinzipien mittelalterlicher Kunst sind in alle Kreise ge¬ 
drungen. Daher liegt die Verwirklichung des Traumes 
Reichenspergers näher als je. 
Unter der schimmernden Renaissanceoberfläche der 
großen Bauflut ist kaum eine Woge noch vorhanden, 
die nicht mit mittelalterlichem Wasser vermengt wäre ; 
die Blüten auf diesem See beginnen sich anders zu färben, 
neue, bisher unbekannte Blumen sprießen im Wasser auf, 
und Hunderte von mittelalterlichen Keimen sind in den 
fruchtbaren Boden gesenkt worden, haben Wurzeln ge¬ 
schlagen, und erscheinen in der Reihe ihrer ähnlich ge¬ 
färbten und gestalteten Renaissance-Schwestern, die dem 
Auge des großen Publikums schon alte, gern gesehene 
Bekannte sind, nicht mehr als befremdliche Sonderlinge, 
an die man sich nicht gewöhnen mag. Wer z. B. vor 
40 Jahren auf der Berliner Bauakademie seiner Bewunde¬ 
rung für die mittelalterliche Kunst Ausdruck gab, wurde 
einfach als Bauer betrachtet; kaum aber hatte Professor 
Karl Schäffer sein erstes Kolleg, das er allerdings nur 
vor vielleicht 6 bis 8 Hörern gelesen hatte, beendet, als 
ihm im Wintersemester darauf Hunderte von Hörern 
zueilten.' Wenn sich diese Zahl mit der späteren Abnahme 
der Studierenden des Hochbaues auch vermindert hat, 
wenn auch von den Hunderten nicht alle überzeugte 
Gotik er wurden, so sind die Nichtgewonnenen minde¬ 
stens keine Gegner, sicher aber von den mittelalterlichen 
Prinzipien durchtränkt worden. 
Warum sieht man von all diesen Schülern Professor 
Schäffers nichts ? Die überwiegende Mehrzahl ist noch 
zu jung, um selbständig Aufträge zu erhalten. Das 
Mittelalter war allerdings nach den Heften so Mancher 
glücklicher, da brauchte man nur 5 Jahre Steinmetz zu 
lernen; hatte man gewandert, und war geschickt als Polier, 
so erhielt man Bauten, und zauberte mit Hilfe eines 
Kanons, eines Rezeptes aus Tausend und eine Nacht, die 
herrlichsten Münster. — Heutzutage ist das nicht mehr 
der Fall; heutzutage muß lange, lange Jahre die Kunst 
gelernt und betrieben werden. Die Zukunft aber wird 
zeigen, daß diese Baumeister vorhanden sind. 
Eine zweite Quelle war die Wiederaufnahme der 
deutschen Renaissance. In Berlin fiel sie mit dem 
Anwachsen der Stadt zusammen. Der antike Habitus war 
zu eng geworden, man wandte sich zuerst der italienischen 
Renaissance zu, dann der deutschen. Zuerst ahmte man 
den Friedrichsbau von Heidelberg nach, als noch am 
meisten der alten Schule ähnlich; bei der Konkurrenz 
um das Fabersche Haus aber drang schon ein Architekt
	        
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