Seite 42.
Oberösterreichische Bauzeitung.
Nr. 6.
Es waren an dem Tage ein Teil der Lieferanten
erschienen und wurde an Wein und Champagner nicht
gespart. Nachdem die meisten schon sinnlos betrunken,
wollte die Frau des L. keinen Wein mehr verabfolgen,
und sagte zu dem Dienstmädchen, als sie noch Wein
holen sollte: „Du holst keinen Wein mehr.“ Hierauf sagte
der Buchhalter: „Wenn wir keinen Wein mehr kriegen,
brauchen wir auch keine Flaschen,“ und warf die leeren
Flaschen durch die Scheiben der Doppelfenster auf die
Straße.
L. durfte zu solchen Vorgängen nichts sagen, denn
er hatte aufj die Häuser bei dem einen für seine Frau
60.000 Mark, bei den anderen je 30.000 Mark für die
Kinder, gleich hinter den Restkauf und Baugeldern als
nächste Hypothek eintragen lassen. Sämtliche Hypotheken
sind zur Auszahlung gelangt, da zwei Häuser, kurz nach¬
dem sie fertiggestellt, mit je 25.000 Mark über Baukosten
verkauft worden sind. Plötzlich stellte nun L. seine
Zahlungen ein, Und wollte mit den Handwerkern akkor-
dieren. Einige Handwerker wollten aber diesen Akkord
von 15 Perzent nicht eingehen und veranlaßten den
Konkurs.
Es stand nunmehr den Handwerker-Forderungen
von 360.000 Mark weiter nichts gegenüber, als ein Grund¬
stück in einem Berliner Vorort, und dieses Grundstück
wäre auch noch verschoben worden, wenn nicht einige
der Handwerker dieses im letzten Augenblick verhindert
hätten. Der Verkaufsvertrag über dieses Grundstück ist
der Gegenstand einer bis jetzt schon zweijährigen
Klage, und dauert der Konkurs schon 21/2 Jahre. Es
wird wohl Niemand aus seinen Forderungen etwas er¬
halten, weil die Handwerker nicht imstande sind, die
Klagekosten aufzubringen. Bei der Feststellung der Kon¬
kursforderung mußten die Handwerker auch die traurige
Wahrnehmung machen, daß die Freunde des L. die öben-
erwühnten Handwerker mit L. zusammen die schlimmsten
Wechselreitereien getrieben.
So waren über 80.000Mark Gefälligkeits akzepte
im Verkehr, und da es bei dieser Geschichte auf ein
Akzept mehr oder weniger nicht ankam, so meldete der
Buchhalter auch noch einen ganzen Stoß Akzepte als in
seinen Besitz beim Konkursverwalter an. Diese Papiere
wurden jedoch nebst den anderen Gefälligkeitsakzepten
nicht anerkannt. Bei dem Konkurs des L. haben einzelne
Handwerker 20.000 bis 30.000 Mark verloren. Bei einen
Prozeß mit einem Malermeister, wo der Buchhalter einen
falschen Schwur ablegte, wurde L. freigesprochen. Diesen
Freispruch benützte L., durch Bestechung eines Zeitungs¬
reporters, in einem Blatte, das derartige Äußerungen auf¬
nimmt, um seine Lieferanten in der schamlosesten Weise
zu verhöhnen.
Da L. nun nicht mehr auf seinen eigenen Namen
bauen durfte, baute er später auf den Namen seiner Frau.
Die Frau ist übrigens auch nach einem Jahre zugrunde
gegangen, und nun baut L. auf die Firma L. & Co. und
lebt nach wie vor, wie ein Kavalier, während manche
seiner Handwerker und Lieferanten an den Bettelstab
gebracht sind.
Seit neuerer Zeit sieht sich die Staatsanwaltschaft
diese Sorte Strauchritter etwas näher an, und wird uns
hiedurch vielleicht noch die Gelegenheit geboten werden,
daß den L. und seinen Buchhalter die Nemesis erreicht
hat, indem neuerdings gravierende Anzeigen gegen das
Geschäftsgebahren des L. beim Gerichte eingereicht
wurden. L. v. M.
Wissenswertes über gewerblichen Rechts¬
schutz.
Von Patentanwalt Ingenieur W. Kornfeld und Ingenieur
A. Hamburger, Wien, VII. Siebensterngasse 1.
II.
Mit der Verordnung des Handelsministeriums vom
21. Jänner 1908 wurde die Anlegung einer Liste sämtlicher
in Österreich-Ungarn hinterlegter Muster angeordnet. Zu
gleicher Zeit wurden auch die Handels- und Gewerbe¬
kammern darauf aufmerksam gemacht, daß von nun an
auch eine Abbildung des zu schützenden Musters deponiert
werden kann.
An die Stelle des schon längst verbesserungsbedürf¬
tigen Musterschutzgesetzes wird voraussichtlich bald ein
neues Gesetz treten, welches in Wien eine Zentralstelle
für Österreich und zehn- bis fünfzehnjährige Schutzdauer
bestimmen dürfte. Bemerkenswert ist, daß die Muster
zur Registrierung von der betreffenden Handelskammer
übernommen werden, ohne daß das Vorhandensein der
gesetzlichen Bedingungen für einen rechtsgültigen Schutz
festgestellt wird. Wenn daher von Seite eines gesetzes¬
unkundigen Schutzwerbers ein richtig nur durch ein
Patent zu schützender Gegenstand fälschlich als Muster
deponiert wird und letzteres die Erfindungsmerkmale
erkennen läßt, so kann dieser Umstand gegebenenfalls
einem angemeldeten Patente, das den gleichen Gegen¬
stand betrifft, später die Neuheit vorwegnehmen. Es ist
daher entschieden abzuraten, daß wie es manchmal un¬
vorsichtiger Weise geschieht, ein durch ein Patent zu
schützender Erfindungsgegenstand der geringen Kosten
des Musterschutzes halber, durch Hinterlegung eines
Musters zu schützen gesucht wird. Im allgemeinen ist ein
Erfindungsgegenstand durch den Musterschutz nicht ge¬
schützt j wird für einen solchen der 'Musterschutz ange-
süöht, so ist der Anmelder noch insoferne benachteiligt,
als das offen zur Einsicht auf liegende Muster dem eventuell
später angemeldeten Patente gegenüber neuheitsschädlich
und daher patenthindernd wirkt. Zu den wenigen Gegen¬
ständen, deren Konstruktion infolge der eigenartigen
Wirkungskreise durch ein Patent und deren Formgebung
gleichzeitig auch durch einen Musterschutz geschützt
werden kann, gehört zum Beispiel eine Schnalle, ein Dach¬
falzziegel etc. Abgesehen davon, daß die längste Schutz¬
dauer eines Müsters drei Jahre. die eines Patentes jedoch
15 Jahre beträgt, ist durch den Musterschutz nur die be¬
treffende eigenartige Form, nicht aber die Konstruktion
in ihrem Wesen geschützt. Der Patentschutz verhindert,
daß die Form des Erfindungsgegenstandes unter Beibe¬
haltung des Prinzips seitens Dritter umgestaltet werde.
Der Musterschutz hingegen kann leicht umgangen werden.
In Deutschland ist für Gegenstände, welche einem
Arbeits- oder Gebrauchszweck dienen, oder für Teile der¬
selben, der Gebrauchsmusterschutz vorgesehen. Letzterer
gewährt einen Schutz, welcher ähnlich dem eines Patentes
beschaffen ist und unterscheidet sich von diesem haupt¬
sächlich durch die kürzere Dauer (6 Jahre). — Gegen¬
stände, die sich durch ihre eigene Formgebung aüs-
zeichnen, sind durch den Musterschutz nicht genügend
gesellütztj wenn durch die Formgebung ein anderer Zweck
als ein äußerlich wahrnehmbarer erzielt wird, da durch
diesen Schutz nur die äußere Form, nicht aber die tech¬
nische Wirkung derselben gesichert ist. ' Liegt der be¬
sonderen Formgebung eine erfinderische Tätigkeit nicht
zugrunde, sondern ist dieselbe vielmehr als eine rein