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Oberösterreichische Bauzeitung.
Nr. 24.
Standes wesentlich mit davon abhängen, daß sich tüch¬
tige Männer der Praxis finden, die ihre Zeitgenossen be¬
lehren und ihnen behilflich sind, die Wissenshöhe zu er¬
reichen, die sie selbst erst mühsam auf dem Wege der
Selbsterfahrung erklimmen mußten. Leider gebietet nur
zu oft der Kampf ums Dasein, der längst auch in der
Technik aufs lebhafteste sich entwickelt hat, daß der
Tüchtigere schweigt und die Waffen des Wissens und
der Erfahrung ängstlich hütet, um sie nur zur Erschließung
der selbstgesteckten Ziele zu benützen. Und doch wie
wenig nützlich ist das ängstliche Hüten des eigenen
Wissensschatzes, denn er ruft gegenseitige Verschlossen¬
heit, Einseitigkeit hervor. Zwar ist jeder des eigenen
Glückes Schmied, und wer nicht überzeugt ist, daß man
beim Lehren lernt, also vorwärts strebt, wird auch
fernerhin mit seinen Fähigkeiten und Er¬
fahrungen hinter unzugänglichen Mauern
bleiben. Doch ist es sehr wohl denkbar, daß ein öffent¬
licher Austausch der Meinungen auf technischem Gebiete
auch bei uns einmal ebenso Modesache und Ehrensache
wird, wie in England und Amerika seit langen Jahren.
Ein Blick in eine amerikanische Zeitschrift lehrt, welche
Wichtigkeit die Redaktion den Briefen: „Practica! men“
zuweist. Briefe und Mitteilungen aus der Praxis bilden
oft den wesentlichsten Teil einer Zeitschrift, dem mehr
Beachtung geschenkt wird als dem sonstigen, vielleicht
sehr wertvollen Inhalt. Weshalb sollte es nicht bei uns
so sein können? Wer seine Erfahrungen in Zeitschriften?
Broschüren veröffentlicht, wirkt entschieden anregend;
wer spricht, wird allerdings nicht selten Widerspruch
finden. Wer hat aber den meisten Nut z en davon? Ohne
Zweifel derjenige, der das kritische Thema zuerst a n-
geschnitten hat. Indessen sollte, wer seine Erfahrun¬
gen preisgibt, nie versäumen, seinen Namen zu
nennen. Wer sich durch Veröffentlichung guter prak¬
tischer Winke bekannt macht, erwirbt sich den Ruf
eines bedeutenden Technikers. Unsere größten
Autoritäten auf technischen Spezialgebieten verfehlten
nicht, ihre Namen mit literarischen Arbeiten zu ver¬
knüpfen. In Amerika gibt es eine große Zahl aus ein¬
fachen Schulen hervorgegangene tüchtige Fachleute, die
sich durch immer wiederholte Veröffentlichung von
praktischen Ratschlägen einen Namen gemacht haben,
der schließlich die Veranlassung zur Begründung einer
bedeutenden Zukunft für dieselben wurde. Solche Bei¬
spiele beweisen, daß wer anderen nützt, selbst den grö߬
ten Nutzen davon hat. Die „Oberösterreichische Bau¬
zeitung“ als einziges technisches Organ in ganz Ober¬
österreich, Salzburg und Tirol ist eine Zeitschrift der
Praxis, für sie ist es von größter Bedeutung, wenn ihr
aus der Praxis recht zahlreiche Beiträge zufließen. Viel¬
leicht regen diese wenigen Zeilen zur Erörterung der
Frage an: Soll der Praktiker für die Fachzeitung schrei¬
ben oder nicht? A. D .... d.
Die Architekten
in ihren Beziehungen zur Innendekoration.
Von Architekt Lothar Abel.
Die Architektur, als die strenglinige Baukunst, hat
bei der Innendekoration eines behaglichen Wohnhauses
allerdings Einiges gegen sich, und ist dabei auch weniger
beliebt, als die anderen dekorativen Künste; denn die
Baukunst verliert, wenn man sie bei der Ausstattung
einer Wohnung mit der Malerei und Bildhauerkunst in
Vergleich zieht, deren Werke durch Leichtigkeit und
Freiheit eine gewisse Anmut erhalten, während sich die
Werke der Architektur hauptsächlich nur nach der
Schnur und dem Senkblei entwickeln. Dennoch kann
man den Einfluß der Architektur auf die Innendekoration
nicht absprechen, und dies auch gar nicht beabsichtigen
wollen, weil hierbei nicht der Baustil, sondern das Wesen
der Baukunst in Betracht kommt. In keinem Lande
blühen Künste und Wissenschaften, wo die Menschen in
Hütten wTohnen, hingegen in jenen Ländern, wo die
Menschen werktätig und erfindungsreich sind, um sich
das Leben angenehm und reizend zu machen, dort wird
man sicher auch innen und außen schön ausgestattete
Gebäude finden, die von dem Einfluß der Architektur
ein glänzendes und beredtes Zeugnis geben.
Der Hauptcharakter einer gut eingerichteten, schönen
Wohnung muß in ihrer Gesamtanordnung Eleganz und
noble Einfachheit zeigen, welche Merkmale nur aus dem
Verständnisse für derartige Ausstattungen entspringen
können. Derjenige, welcher sich mit Wohnungseinrich¬
tungen befaßt und darin glücklich sein will, muß scharf¬
sinnig alles was dazu gehört im hellen Lichte sehen,
und sehr wohl das Passende, Schickliche und Geschmack¬
volle von allem Unpassenden, Unschicklichen und Ge¬
schmacklosen zu unterscheiden wissen. In unseren hohen
gesellschaftlichen Kreisen kann man heutigentages
hundertemale auf den Namen einer Innendekorations¬
firma kommen, ehe man einmal den Baumeister oder
Architekten des Hauses nennen hört. Wenn wir aber
die Schwierigkeiten bei der Anordnung der Innen¬
dekoration und die zu jeder ihrer Arten erforderlichen
Talente sehen, so werden wir bald begreifen, daß weit
mehr dazu gehört, eine tadellose Wohnungseinrichtung
anzuordnen, als die bloße Dekoration eines einzelnen
Zimmers zu machen. Bei einem solchen Raum sind
schon eine gewisse Phantasie, ein guter Geschmack und
eine warme Empfindung für einzelne Kunstgegenstände
zu dessen Ausstattung hinlänglich. Aber wie viel wird
von einer eleganten Wohnungseinrichtung gefordert?
Gar viel mehr als man sich gewöhnlich vorstellt, und
dies alles kann nur aus sämtlichen Künsten und Wissen¬
schaften gesammelt werden, welche mit der Architektur
nur irgendwie im Zusammenhänge stehen.
Ein Künstler von Geschmack sucht gewiß jedem
Gegenstände, den er bearbeitet, eine gefällige Form zu
zu geben. Ein Werk der Kunst, welches an und für
sich schon seiner materiellen Beschaffenheit nach wichtig
genug ist, bedarf keines besonderen Schmuckes und
keiner äußerlichen Verzierung, sobald es nur eine gewisse
Regelmäßigkeit aufweist. Dieser Grundsatz der Archi¬
tektur findet auch bei der Innendekoration seine An¬
wendung, denn die Regelmäßigkeit in der Anordnung
eines Raumes ist notwendig, um daran ein Wohlgefallen
zu finden. Allerdings bewirkt die bloße Regelmäßigkeit
noch immer keinen starken, wohlgefälligen Eindruck,
aber sie ist und bleibt dennoch notwendig, weil dadurch
alles Anstößige vermieden wird. Eine ganz einfache
Wohnung, in welcher die Architektur von ihrem ganzen
Reichtum nichts als bloße Regelmäßigkeit angebracht hat,
wird schon mit reinem, durch nichts gestörten Wohl¬
gefallen angesehen; hingegen wird eine mit vielen kunst¬
gewerblichen Schönheiten gezierte Wohnung, deren
Wände etwa nicht senkrecht, deren Fußboden nicht
wagrecht sind, sicher eine unangenehme Wirkung her-