Volltext: XIII. Jahrgang, 1908 (XIII. JG., 1908)

Seite 186. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 24. 
Standes wesentlich mit davon abhängen, daß sich tüch¬ 
tige Männer der Praxis finden, die ihre Zeitgenossen be¬ 
lehren und ihnen behilflich sind, die Wissenshöhe zu er¬ 
reichen, die sie selbst erst mühsam auf dem Wege der 
Selbsterfahrung erklimmen mußten. Leider gebietet nur 
zu oft der Kampf ums Dasein, der längst auch in der 
Technik aufs lebhafteste sich entwickelt hat, daß der 
Tüchtigere schweigt und die Waffen des Wissens und 
der Erfahrung ängstlich hütet, um sie nur zur Erschließung 
der selbstgesteckten Ziele zu benützen. Und doch wie 
wenig nützlich ist das ängstliche Hüten des eigenen 
Wissensschatzes, denn er ruft gegenseitige Verschlossen¬ 
heit, Einseitigkeit hervor. Zwar ist jeder des eigenen 
Glückes Schmied, und wer nicht überzeugt ist, daß man 
beim Lehren lernt, also vorwärts strebt, wird auch 
fernerhin mit seinen Fähigkeiten und Er¬ 
fahrungen hinter unzugänglichen Mauern 
bleiben. Doch ist es sehr wohl denkbar, daß ein öffent¬ 
licher Austausch der Meinungen auf technischem Gebiete 
auch bei uns einmal ebenso Modesache und Ehrensache 
wird, wie in England und Amerika seit langen Jahren. 
Ein Blick in eine amerikanische Zeitschrift lehrt, welche 
Wichtigkeit die Redaktion den Briefen: „Practica! men“ 
zuweist. Briefe und Mitteilungen aus der Praxis bilden 
oft den wesentlichsten Teil einer Zeitschrift, dem mehr 
Beachtung geschenkt wird als dem sonstigen, vielleicht 
sehr wertvollen Inhalt. Weshalb sollte es nicht bei uns 
so sein können? Wer seine Erfahrungen in Zeitschriften? 
Broschüren veröffentlicht, wirkt entschieden anregend; 
wer spricht, wird allerdings nicht selten Widerspruch 
finden. Wer hat aber den meisten Nut z en davon? Ohne 
Zweifel derjenige, der das kritische Thema zuerst a n- 
geschnitten hat. Indessen sollte, wer seine Erfahrun¬ 
gen preisgibt, nie versäumen, seinen Namen zu 
nennen. Wer sich durch Veröffentlichung guter prak¬ 
tischer Winke bekannt macht, erwirbt sich den Ruf 
eines bedeutenden Technikers. Unsere größten 
Autoritäten auf technischen Spezialgebieten verfehlten 
nicht, ihre Namen mit literarischen Arbeiten zu ver¬ 
knüpfen. In Amerika gibt es eine große Zahl aus ein¬ 
fachen Schulen hervorgegangene tüchtige Fachleute, die 
sich durch immer wiederholte Veröffentlichung von 
praktischen Ratschlägen einen Namen gemacht haben, 
der schließlich die Veranlassung zur Begründung einer 
bedeutenden Zukunft für dieselben wurde. Solche Bei¬ 
spiele beweisen, daß wer anderen nützt, selbst den grö߬ 
ten Nutzen davon hat. Die „Oberösterreichische Bau¬ 
zeitung“ als einziges technisches Organ in ganz Ober¬ 
österreich, Salzburg und Tirol ist eine Zeitschrift der 
Praxis, für sie ist es von größter Bedeutung, wenn ihr 
aus der Praxis recht zahlreiche Beiträge zufließen. Viel¬ 
leicht regen diese wenigen Zeilen zur Erörterung der 
Frage an: Soll der Praktiker für die Fachzeitung schrei¬ 
ben oder nicht? A. D .... d. 
Die Architekten 
in ihren Beziehungen zur Innendekoration. 
Von Architekt Lothar Abel. 
Die Architektur, als die strenglinige Baukunst, hat 
bei der Innendekoration eines behaglichen Wohnhauses 
allerdings Einiges gegen sich, und ist dabei auch weniger 
beliebt, als die anderen dekorativen Künste; denn die 
Baukunst verliert, wenn man sie bei der Ausstattung 
einer Wohnung mit der Malerei und Bildhauerkunst in 
Vergleich zieht, deren Werke durch Leichtigkeit und 
Freiheit eine gewisse Anmut erhalten, während sich die 
Werke der Architektur hauptsächlich nur nach der 
Schnur und dem Senkblei entwickeln. Dennoch kann 
man den Einfluß der Architektur auf die Innendekoration 
nicht absprechen, und dies auch gar nicht beabsichtigen 
wollen, weil hierbei nicht der Baustil, sondern das Wesen 
der Baukunst in Betracht kommt. In keinem Lande 
blühen Künste und Wissenschaften, wo die Menschen in 
Hütten wTohnen, hingegen in jenen Ländern, wo die 
Menschen werktätig und erfindungsreich sind, um sich 
das Leben angenehm und reizend zu machen, dort wird 
man sicher auch innen und außen schön ausgestattete 
Gebäude finden, die von dem Einfluß der Architektur 
ein glänzendes und beredtes Zeugnis geben. 
Der Hauptcharakter einer gut eingerichteten, schönen 
Wohnung muß in ihrer Gesamtanordnung Eleganz und 
noble Einfachheit zeigen, welche Merkmale nur aus dem 
Verständnisse für derartige Ausstattungen entspringen 
können. Derjenige, welcher sich mit Wohnungseinrich¬ 
tungen befaßt und darin glücklich sein will, muß scharf¬ 
sinnig alles was dazu gehört im hellen Lichte sehen, 
und sehr wohl das Passende, Schickliche und Geschmack¬ 
volle von allem Unpassenden, Unschicklichen und Ge¬ 
schmacklosen zu unterscheiden wissen. In unseren hohen 
gesellschaftlichen Kreisen kann man heutigentages 
hundertemale auf den Namen einer Innendekorations¬ 
firma kommen, ehe man einmal den Baumeister oder 
Architekten des Hauses nennen hört. Wenn wir aber 
die Schwierigkeiten bei der Anordnung der Innen¬ 
dekoration und die zu jeder ihrer Arten erforderlichen 
Talente sehen, so werden wir bald begreifen, daß weit 
mehr dazu gehört, eine tadellose Wohnungseinrichtung 
anzuordnen, als die bloße Dekoration eines einzelnen 
Zimmers zu machen. Bei einem solchen Raum sind 
schon eine gewisse Phantasie, ein guter Geschmack und 
eine warme Empfindung für einzelne Kunstgegenstände 
zu dessen Ausstattung hinlänglich. Aber wie viel wird 
von einer eleganten Wohnungseinrichtung gefordert? 
Gar viel mehr als man sich gewöhnlich vorstellt, und 
dies alles kann nur aus sämtlichen Künsten und Wissen¬ 
schaften gesammelt werden, welche mit der Architektur 
nur irgendwie im Zusammenhänge stehen. 
Ein Künstler von Geschmack sucht gewiß jedem 
Gegenstände, den er bearbeitet, eine gefällige Form zu 
zu geben. Ein Werk der Kunst, welches an und für 
sich schon seiner materiellen Beschaffenheit nach wichtig 
genug ist, bedarf keines besonderen Schmuckes und 
keiner äußerlichen Verzierung, sobald es nur eine gewisse 
Regelmäßigkeit aufweist. Dieser Grundsatz der Archi¬ 
tektur findet auch bei der Innendekoration seine An¬ 
wendung, denn die Regelmäßigkeit in der Anordnung 
eines Raumes ist notwendig, um daran ein Wohlgefallen 
zu finden. Allerdings bewirkt die bloße Regelmäßigkeit 
noch immer keinen starken, wohlgefälligen Eindruck, 
aber sie ist und bleibt dennoch notwendig, weil dadurch 
alles Anstößige vermieden wird. Eine ganz einfache 
Wohnung, in welcher die Architektur von ihrem ganzen 
Reichtum nichts als bloße Regelmäßigkeit angebracht hat, 
wird schon mit reinem, durch nichts gestörten Wohl¬ 
gefallen angesehen; hingegen wird eine mit vielen kunst¬ 
gewerblichen Schönheiten gezierte Wohnung, deren 
Wände etwa nicht senkrecht, deren Fußboden nicht 
wagrecht sind, sicher eine unangenehme Wirkung her-
	        
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