Volltext: XIII. Jahrgang, 1908 (XIII. JG., 1908)

Nr. 20. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Seite 155. 
Aber auch bei Bestehen einer solch wichtigen Ein¬ 
richtung ist es nötig und für jeden tüchtigen Mann würdig, 
daß er weiß, wie sein Vermögen und seine Geschäftsver- 
hältnisse beschaffen sind und wie sich die Preise seiner 
Arbeiten für ein zu erwartendes Geschäftsergebnis ver¬ 
halten. 
Nun ist es nicht zu leugnen, daß es einem Gewerbs- 
manne mitunter Schwierigkeiten machen wird, außer dem 
technischen Betrieb seines Geschäftes auch noch die 
kaufmännischen Erfordernisse vollständig zu besorgen, 
um so mehr, da meistens das Verständnis für diesen Teil 
erst noch zu gewinnen ist und damit bedeutende An¬ 
forderungen an die Geisteskräfte des Mannes, der sich 
den Tag über im Geschäft abmüht, gestellt werden. 
Gewiß wäre es besser, wenn der Meister diese Kennt¬ 
nisse aus der Gewerbeschule ins praktische Geschäfts¬ 
leben mitgebracht hätte; was in der Vergangenheit darin 
für die ganz anders und schwieriger gestaltete Gegen¬ 
wart des Gewerbestandes nicht geschah, sollte aber jetzt, 
und zwar vollkommen für die Zukunft geschehen, welche 
die sogenannte kaufmännische neben der technischen 
Führung des Gewerbebetriebes immer nötiger machen 
wird. Die Gewerbeschulen müssen sich diese, wenn in 
zweckentsprechender Weise gelöst, zwar schwierige aber 
für das praktische Leben sehr wichtige Aufgabe unter 
allen Umständen mit als erstes Ziel setzen. 
Den heutigen Meistern,’ welche diese Kenntnisse in 
den Gewerbeschulen nicht erringen konnten, bleibt zur 
Wahrung ihrer geschäftlichen Interessen nur übrig, solche 
auf dem Wege des Selbstunterrichtes zu suchen oder 
sich die beschriebenen Arbeiten von kaufmännischen 
Kräften besorgen zu lassen. Nur eine vollständige Buch¬ 
führung über seinen Betrieb mit darauf gestützter Preis¬ 
berechnung der Arbeiten kann den Meister vor Verlust¬ 
geschäften schützen, dies sei nochmals erwähnt und kann 
ihn voraussehen lassen,, ob und welches Erträgnis seiner 
Arbeiten er zu erwarten hat. Schlägt der Gewerbsmann 
diesen Weg nicht ein, so irrt er in bezug auf Vermögens¬ 
und Geschäftslage und anzusetzende Preise fortwährend 
im Dunkeln, ohne jemals zu der nötigen Klarheit darüber 
zu gelangen. 
Das Bedürfnis des Gewerbetreibenden nach einer 
regelrechten Buchführung wird immer fühlbarer und es 
fehlt auch nicht an Bestrebungen vonseiten des Staates 
und Privatpersonen, durch zweckentsprechende Mittel 
hier Abhilfe zu schaffen. 
Etwas von der ornamentalen Bildhauer¬ 
kunst. 
Die Arabeske spielt in der Kunst eine ganz ähnliche 
Rolle, wie die Pflanzenwelt in der Natur. Sie verkleidet 
unsere Bauwerke, sie umrankt unsere Zimmergeräte, sie 
hängt sich um unsere Gefäße, sie verbrämt unsere Ge¬ 
webe. Frei und fessellos, unbestimmbar und wechsel¬ 
voll ist die Arabeske gleichsam der Pantheismus in der 
Kunst. Ihre unverwüstlichen Triebe und Zweige lassen 
sich durch alle Jahrhunderte verfolgen. In Ägypten 
taucht das Ornament auf in symbolischem Ernst, es er¬ 
scheint auf den Profilen der Hieroglyphen, welche 
Papyrusblätter und Steinwände bedecken, in unüber¬ 
troffener Feinheit und Korrektheit; 
Griechenland gestaltet es, entsprechend seinem 
Genius, ebenso edel als schmiegsam, ebenso rein wie 
sinnvoll, mannigfaltig ohne Überladung und reich ohne 
Übermaß. Da winden sich die Irrgänge der Mäander, 
sprossen die Akanthusblätter, die Palmetten von Lorbeer 
und von Aloe, da hängen die Perlenschnüre, ja sogar die 
Haarflechten ihrer Frauen. 
In R o m bleibt das Ornament griechisch, aber es artet 
aus, verirrt und verwirrt sich auf dem Felde der Mosaik. 
In Asien jedoch erreicht es seine volle Entwicklung. 
Eine schrankenlose Phantasie waltet in den Dekorationen 
der Chinesen: da gibt es weder Regel noch Kompaß 
mehr; die Flüsse münden in die Wolken und die Bäume 
wachsen in den Himmel. Kein Botaniker vermöchte die 
chimärische Flora zu bestimmen, welche Chinas Lack- 
und Porzellangefäße verziert. Wellen und Muscheln, 
Vögel und Pagoden, Drachen und andere Fabelgebilde 
drängen und stossen einander, wie die wechselnden Ge¬ 
stalten eines Traumes. Aber die Leichtigkeit der 
Zeichnung, das unendliche Spiel der Rormen, die Fein¬ 
heit und der Glanz der wie für einen Blumenstrauß zu¬ 
sammengestimmten Farbentöne bringen doch in all diese 
Unordnung den Zauber der Harmonie. 
Ostindien breitet auf lückenloser Fläche seine 
reichen Verzierungen aus: eintönig, farbenglühend und 
formenweich. 
Die Araber, bei welchen durch die Vorschrift des 
Koran „du sollst dir keine Bilder machen“ die Natur 
ausgeschlossen ist, halten fest an einer idealen Raum¬ 
teilung. Da sind weder Menschen- noch Tiergestalten, 
Pflanzen sogar sind ausgemerzt: nichts als Linien, bald 
so, bald so verschlungen, gebrochen, gekreuzt: aber mit 
diesen Formgeweben tun sie Wunder. Manchmal setzt 
auch die arabische Schrift ihre zierlich geschlungenen 
Zeichen an die Arabesken und an die Mauern, die Bas¬ 
reliefs tönen Rede und Gesang. Die ganze Alhambra ist 
eigentlich eine „gebaute Dichtung“. 
Das weniger strenge Persien streut Blumen in 
Fülle über die abstrakten Zierformen der Araber; sogar 
fabelhafte Tiergebilde werden eingeführt. 
Die byzantinische Ornamentik bringt eine 
Vermengung der Antike mit den morgenländischen Ele¬ 
menten ; die romanische Kunst wiederholt eigentlich 
nur dasselbe. 
Aber da erscheint der Spitzbogen: er herrscht 
von jetzt an in der Baukunst von drei Jahrhunderten 
und aus seinem schlanken Stamm erblüht eine wunder¬ 
bare Formenwelt. Gleichzeitig bahnt sich die Ornamentik 
ihren Weg in die Handschriften, in die Hora- und Me߬ 
bücher; die Blumen und Blätter, die Tiere hoch und 
nieder, geometrische wie menschliche Figuren bilden 
sich unter dem Pinsel des Illuminators fort bis ins Un¬ 
endliche. Die Blumen zumal sind für ihn ein glanzreiches, 
unerschöpfliches Thema, bald fassen sie die Blätter der 
Handschriften mit einer bescheidenen Randverzierung 
ein, bald ranken «sie daran hinauf als ein Blumengewinde, 
das sich zum Festschmuck um die Säulen und Pfeiler 
einer Kirche schmiegt. Hier reihen sich die Zeilen des 
heiligen Buches unter einem Triumphbogen von Rosen 
aneinander, dort läßt ein Kirschenzweig seine scharlach¬ 
glühenden Beeren darüber fallen. Die bescheidensten 
Pflanzen finden in diesen frommer Andacht geweihten 
Büchern ihren Platz, wie in der lebendigen Schöpfung, 
dicht neben den schönsten und reichsten. Nach Pergament¬ 
blättern, welche mit Lilien prächtiger geschmückt sind, 
als „Salomon in aller seiner Herrlichkeit“, kommen audere 
von den Zackenformen der Distel eingerahmt. Der be-
	        
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