Volltext: XIII. Jahrgang, 1908 (XIII. JG., 1908)

Seite 122. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 16. 
des Klassizismus sei stets lebendig geblieben, auch in 
der Zeit des Mittelalters. Was nun das Wort „klassisch“ 
anbetrifft, so deckt es sich nicht mehr mit dem ursprüng¬ 
lichen Begriff. In Wahrheit stammt der Begriff „klassisch“ 
aus dem alten königlichen Rom. Wolle man jedoch den 
eigentlichen Kern des Begriffes erkennen lernen und sich 
in dieser Hinsicht auf ein festes Gebiet begeben, so müsse 
man das Gebiet der Architektur, der Mutter der Künste, 
betreten und sich im Geiste nach dem alten Griechen¬ 
land, nach Athen, versetzen. 
Wenn man bedenkt, sagte der Redner weiter, daß 
Athen, die große Stätte der Kultur, nur eine Blütezeit 
von 200 Jahren, im engen Sinne sogar nur eine solche 
von 80 Jahren hatte, so muß man staunen, welche Fülle 
von klassischen Werken es hervorgebracht hat, und welche 
hervorragende Stelle es in dieser Beziehung in der Kul¬ 
turgeschichte einnimmt. Die Kulturleistung der Griechen 
lag fast ausschließlich in Attika. Welche Summen Perikies, 
trotz der vielen blutigen Kriege, auf die Kunst verwen¬ 
dete, geht schon daraus hervor, daß sich der Betrag hier¬ 
für auf 6300 Talente, gleich 29 Millionen Reichsmark be¬ 
rechnet. Man müsse jedoch das vierfache der Summe an- 
nehftien, so daß sich für den Zeitraum von 25 Jahren 
ein Betrag von ungefähr 120 Millionen ergibt. 
Der eigentliche Anfangspunkt der Klassizität liegt 
also in Griechenland und geht erst später auf die Römer 
über. Die griechischen Statuen etc., die wir in Italien be¬ 
wundern, sind zu Tausenden von den Römern geraubt 
worden. Das eigentliche römische Blut ist unter den 
Schöpfern der antiken Kunstwerke nur selten vertreten. 
Die Eigentümlichkeit und Großartigkeit der römischen 
Bauwerke soll dadurch nicht geschmälert werden, aber 
der künstlerisch klassische Teil ist griechischen Ursprungs, 
und es fragt sich sehr* ob der technische Teil nicht 
etwa etruskischen Ursprunges ist. 
Auch beim gotischen Stil ist eine gewisse Klassizität 
nicht zu leugnen, obwohl die Gotik oft zu unschönen 
Übertreibungen geneigt ist. Sie hat einen Januskopf, 
dessen eine Seite Verwilderung, dessen andere Seite aber 
Lieblichkeit, Klassizität zeigt. Redner fügte hier hinzu, 
es sei vielleicht in Dresden ein kühnes Unterfangen, für 
die Berechtigung des gotischen Stiles einzutreten, aber 
doch sei eine solche nicht rundweg abzusprechen. Die 
späte Gotik hat freilich mit der Klassizität nichts zu tun, 
die frühe Gotik dagegen führt ihren Ursprung auf das 
klassische Griechenland zurück. 
Es sei wohl sehr begreiflich, daß wir noch einmal 
eine Wiedergeburt der Gotik erleben; England zum Bei¬ 
spiel hat sich von der Gotik niemals gänzlich losgesagt. 
Der Fluch der Gotik ist der, daß ihr eigentlich feste Ge¬ 
setze fehlen. •— Will man den romanischen Stil bevor¬ 
zugen, — nun gut: wir verdanken ihm in Deutschland 
die stolzesten Bauten; er fällt zusammen mit der poli¬ 
tischen Erhebung Deutschlands. 
Nachdem der Redner noch kurz bei der deutschen 
Renaissance verweilt, die zwar in Deutschland, zumal in 
Sachsen ganz gut einsetzte, aber zu ihrem Schaden nicht 
konsequent genug durchgeführt wurde, wendete er sich 
dem Kunstgewerbe zu. Auch hier gelte, wenn man von 
Klassizität reden wollte, die Losung: mit möglichst ein¬ 
fachen Mitteln eine große Wirkung zu erzielen. Von der 
Neuzeit lasse sich auch hier nicht viel gutes sagen. Man 
betrachte dagegen die alte Zeit. Sind die Gefäßformen 
der Griechen jemals übertroffen worden? Für die antiken 
Bronzen könne man sich nicht besonders begeistern; sie 
sind zu einförmig. Was aus der alten Zeit an Möbel¬ 
formen überliefert worden ist, dies darf noch heute als 
klassisch anerkannt werden. 
Der Redner kam dann noch auf die Ornamentik zu 
sprechen und betonte, daß diese so fürchterlich wie jetzt 
noch niemals im Kunstgewerbe gewuchert habe. Manohe 
Fabrikanten wünschten aus dem Grunde keine geraden 
Flächen, weil die Ornamentik etwaige Schwächen in der 
technischen Herstellung verdeckt. Die Ornamentik wird 
also einfach zur Vertuschung von Fehlern mißbraucht 
Die kunstverständigen Kreise haben aber erfreulicher¬ 
weise genug von der übertriebenen Ornamentik. Man 
sehnt sich nach einer einfacheren Kunstauffassung. In 
der Beschränkung zeigt sich der Meister mehr als im 
Überfluß. Am Schlüsse des fesselnden Vortrages faßte 
der Redner seine Ausführungen dahin zusammen, daß, 
obwohl die Griechen die schönsten und besten Vorbilder 
in der Kunst geliefert haben, der Begriff der Klassizität 
sich aber durch alle Wandlungen bis auf unsere Zeit er¬ 
streckt. Klassisch ist nur das, was bei größter Einfach¬ 
heit die höchste Wirkung erzielt. F. B. 
Einfluß des Alters auf die Eigenschaften 
des Zements. 
Eine amerikanische Zeitschrift schreibt über obiges 
Thema folgendes: 
„Praktische Erfahrungen haben bestätigt, daß die 
am meisten verwendeten Zementsorten, wie beispielsweise 
Portlandzement, dtpMh längeres Lagern ihre Eigenschaften 
abzubinden und zu erhärten beeinträchtigt werden, selbst 
in den Fälleh, wo die Zemente in trockenem Zustande 
erhalten werden. Dieselben absorbieren im Laufe der 
Zeit Feuchtigkeit aus der Luft (selbst aus der trockensten 
Atmosphäre) und Kohlensäure, wodurch chemische Ver¬ 
änderungen des Zements herbeigeführt werden, ähnlich 
denjenigen, welche eintreten, wenn Zement als Mörtel 
zubereitet wird. Je länger der Zement lagert, umso größer 
wird der Einfluß der angedeuteten Veränderung sein und 
folglich auch die Größe seiner Wertverminderung, bis 
schließlich ein Zement durch die angedeuteten Ursachen 
ganz wertlos geworden ist. 
Ein gewisser Teil der auf diese Weise stattfindenden 
Abbindung oder Löschung des Zements in Luft ist jedoch 
für gewisse Eigenschaften des Portlandzementes vorteil¬ 
haft. Besonders wenn letzterer nicht genügend gebrannt 
ist, enthält derselbe sehr häufig einen Überschuß von 
freiem kaustischen Kalk, welcher, wenn der Zement 
gleich nach seiner Herstellung verarbeitet wird, zu einem 
Aufquellen oder Treiben Veranlassung gibt und zuweilen 
das Mauerwerk zerstört, für welches solcher Zement ver¬ 
wendet ist. 
Um diesen sehr leicht eintretenden Übelstand zu 
vermeiden, lassen englische Architekten und Ingenieure 
häufig die Säcke mit Portlandzement, welche frisch von 
der Fabrik nach dem Bauplatz gesandt werden, entleeren 
und auf dem Boden eines Zimmers oder sonst geschlosse¬ 
nen Raumes, also der Luft ausgesetzt, etwa einen Monat 
hindurch vor der Verarbeitung lagern. Der trockene 
Zement, wenn er frisch ist, treibt bei dieser Maßregel 
und wird dieses, wie angedeutet, durch das allmähliche 
Löschen des kleinsten Teiles des ätzenden Kalkes im 
Zement veranlaßt. Hat der Zement hiedurch eine Art 
Luftlöschung durchgemacht, So daß ein kleines Quantum 
mit Wasser zu einem steifen Brei angerührt und in eine
	        
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