Seite 78.
Oberösterreichische Bauzeitung.
Nr. 9.
Eis oder kaltes Wasser. Die unter 2. angeführte Mischung
ist früher von den Photographen gebraucht worden; sie
bildet, auf eine Fläche gegossen, sogleich ein zähes,
dünnes luftabschließendes Häutchen. Auch das reine
Glyzerin ist einer der besten Luftabschließer. Es kann
ein jeder Grundbesitzer sich leicht vom Winter her
während des Sommers Eis selbst in dem primitiv angelegten
„Eiskeller" aufbewahren, so daß dasselbe ihm während
des ganzen Jahres bis in den Spätherbst zur Disposition
steht. Gut ist es ferner, wenn sich 6. diesen fünf Erfor
dernissen noch eine Flasche verdünnter Karbolsäure sowie
ein Quantum Karbol- oder Salyzilwatte anreihen.
1. Behandlung der einfachen Schnittwunde. Unmittel
bar nach der Verwundung wird die leidende Stelle durch
einen mit Glyzerin stark befeuchteten Schwamm aus
gewaschen und möglichst von Blut reingehalten, so lange,
bis Blutung und Schmerz nachlassen beziehungsweise auf
hören, was innerhalb von 5—10 Minuten geschieht. Bei
sehr stark fließender Wunde wechselt man rasch mit
einem zweiten glyzerinfeuchten Schwamm und bindet
ihn darauf. Je nach der Stärke der Blutung wechselt
man mehreremaie mit dem Schwamme, der jedesmal
gut glyzerinfeucht aufgebunden wird. Ist die Wunde so
trocken, daß nur wenig Blut mehr aussickert, so gießt
man das Kollodiumglyzerin in möglichst dünner Lage
rasch nach Wegnahme des Schwammes auf die Wund
fläche, auf der die Mischung in kaum einer Minute fest
wird und sich, abgesehen von einigen Luftblasen, dicht
an der verletzten Stelle anzieht. Dringt durch die Luft
blasen noch Blut durch, so nimmt man dieses wiederum
durch den Schwamm auf und gießt eine möglichst dünne
Lage Kollodiumglyzerin nach. Dies Verfahren wiederholt
man, bis die Wunde ganz trocken gelegt ist. Dann um
wickelt man dieselbe mit Leinwand oder Karbolwatte,
ohne sie stark einzuschnüren. Nach sechs Tagen ist voll
ständige Heilung eingetreten. Während dieser Zeit hat
man das erzeugte Kunsthäutchen vor Verletzung zu
schützen, und wenn diese dennoch eingetreten sein sollte,
so ist sogleich an der verletzten Stelle eine Schicht Kollo
diumglyzerin wieder aufzutragen, damit der kalte Brand
von der Wunde abgehalten werde.
Ein mir befreundeter Fabriksbesitzer hat bei dem
einem seiner Arbeiter passierten Unglücksfall die kleinen
Fleisch- und Hautteile, die durch die Kammräder aus der
Wunde gerissen waren, von dieser abgeschnitten und sie
darauf in eben angegebener Weise behandelt. Diese Be
handlung hat die aus- oder abgeschnittenen Teile wieder
hergestellt, so daß weder durch Form noch Farbe die
frühere Wundstelle zu erkennen ist. Auch hier fand
Heilung in sechs Tagen statt.
2. Behandlung bei Quetschung. Ist es Fuß oder
Unterarm, der die Quetschung erlitten hat, so bringt
man den leidenden Teil unter Glyzerin, indem man ihn
in den mit dieser Flüssigkeit angefüllten emaillierten, rein
gehaltenen Kübel hält, so lange bis Blutung und Schmerz
aufhören. Bei einer diesseits so behandelten sehr starken
Quetschung des Fußes dauerte dies fünfzehn Minuten.
Der Aufguß von Kollodiumglyzerin unterblieb, weil die
Epidermis (Oberhaut) nicht zerrissen war. Der Verletzte
setzte am andern Tage seine Arbeit unbehindert fort,
ohne daß denselben Eiterbildung oder Schmerzgefühl
gestört hätten.
Wird die Epidermis bei der Quetschung mit verletzt,
dann allerdings muß die Kollodiumglyzerinmischung nach
dem Bade in derselben Weise aufgetragen werden, wie
dieses unter 1. angegeben ist. Auch bei einer Verletzung
des Kunsthäutchens muß dieses unverweilt durch noch
maligen Nachguß luftabschließend gemacht werden.
Wenn die Schnittwunde oder Quetschung über Ge
lenke läuft, so muß dem Patienten beim Gebrauch der
selben die starke Durchbiegung streng untersagt werden,
weil beim Bruch des Kunsthäutchens der Fäulnisschma
rotzer leicht in die Wunde eintreten kann und dann der
kalte Brand die unmittelbare Folge ist. Man kann die
Durchbiegung am einfachsten durch Unterbindung einer
Steife, eines Stückes gekniffter starker Pappe verhindern.
3. Behandlung der Verbrennungswunde. Die An
wendung des Kollodiums ohne Zumischung von Glyzerin
bei Brandwunden ist eine schon lange bekannte. Da je
doch das Kollodium beim Aufguß rasch verdampft und
daher eine absolut luftdichte, elastische Kunsthaut nicht
zu erzeugen imstande ist, so ist der Erfolg kein so rascher
und so sicherer, wie bei der Anwendung seiner Verbin
dung mit Glyzerin. Die letztere stellt die Brandwunde
gleich nach dem Aufguß auf dieselbe trocken und macht
sie augenblicklich schmerzlos, sogar die durch Phosphor
veranlaßte Verbrennungswunde, die bekanntlich äußerst
schmerzhaft ist und zu den gefährlichsten Wunden gehört.
Nach dem Aufguß auf die Brandwunde hat man wie
bei 2. seine stete Aufmerksamkeit darauf zu richten, daß das
Kunsthäutchen bei einem Bruche desselben sogleich an der
gebrochenen Stelle wiederum luftdicht hergestellt werde.
4. Heilung des kalten Brandes am äußeren Körper.
Derselbe kündigt sich damit an, daß die Wundstelle zu
schwellen und zu schmerzen anfängt und die Epidermis
in der Nähe der Wunde andere Farben anzunehmen be
ginnt. Nerven und Muskeln, die mit der wunden Stelle
in entfernter Verbindung stehen, fangen an, durch Reflex
zu schmerzen. Er entsteht durch den Eintritt der Fäulnis
bakterie in die dem Zutritt der Luft geöffnete Wunde.
Ein einziges Exemplar dieser Bakterie vermehrt sich durch
einfache Teilung innerhalb 24 Stunden bis zur Zahl von
16,777.216 Individuen; sie ist zu allen Zeiten und überall
auf der Erde in der Atmosphäre vorhanden und aktions
fähig. In der Temperatur unter 10° C wird sie aber ver
nichtet. Auf dieser seiner Eigenschaft beruht die rationelle
Heilung des Brandes am äußeren Körper.
Man hält die brandige Stelle nämlich unter Eis oder
unter Wasser, das höchstens 6° 0 hat. So ist mir ein Fall
bekannt, daß selbst der Brand, der in einer Phosphor-
verbrennungswnnde aufgetreten war, sehr rasch geheilt
wurde. Die Hand, die verwundet war, wurde öfters in
kleinen Zeitunterbrechungen so lange in das kalte Wasser
gehalten, bis sich die Kälte darin fast zur Unerträglich
keit gesteigert hatte.
Man wird bei Anwendung dieser Wundheilmethode
freudig konstatieren, daß der Patient aller Peinigung
überhoben ist und rasch geheilt wird und daß si$ doch
auf jeden Fall dazu angetan ist, momentan Hilfe zu ge
währen, und zwar selbst dem Schwerverletzten, bis der
Arzt die Behandlung des Betreffenden übernimmt und
seine Anordnungen trifft, die oft keine anderen sein
können, als die von mir angegebenen. Br. A. B.
Inhalt. Projekt für ein Vereinshaus eines katholischen Gesellen-
vereines in Bayern. — Bauarbeiter-Verhältnisse in London (Schluß). —
Die Rauchplage und die Mittel zu ihrer Beseitigung. — Chirurgische
Selbsthilfe. — Lokale Baunotizen. — Aus den G-emeinderats-Sitzungen in
Linz. — Vermischtes. Patentliste. — Vergebung von Bauarbeiten und
Lieferung von Baumaterialien. — Angesuchte Baulizenzen in Linz. — An
meldungen für Wasserbezug aus dem städtischen Wasserwerke. — Bücher-
sehau. — Ausweis über die Umschreibung von Immobilien in Linz. — Inserate.