Volltext: XII. Jahrgang, 1907 (XII. JG., 1907)

Nr. 8. 
Oberösterreichische Bauzeitung 
Seite 67. 
wenig Ausnahmen im Akkord ausgeführt. Ein technisch 
gebildeter, durch Leistungen zur Anerkennung gelangter 
Bauerfahrener erhält und übernimmt die Herstellung des 
Bauwerkes für einen vorher fest vereinbarten Einheits 
preis. Mehrforderungen darüber für Nacharbeiten sind 
ausgeschlossen, kommen deshalb aber auch weniger 
häufig vor, weil in England der Bauherr sich während der 
Bauleitung weniger um den Bau bekümmert, wie das 
bei uns der Fall ist. 
Dieser Bauübernehmer überträgt die einzelneu Teile 
und vorkömmenden Arbeiten gleichfalls wieder einzelnen 
Unternehmern, die sich wiederum mit anderen zum Ar 
beiten auf gemeinsame Rechnung verbunden haben, 
ähnlich etwa wie es bei uns mit den Putzarbeiten ge 
halten wird. Da diese Kolonnen auf gemeinsame Rechnung 
arbeiten, hat jeder von ihnen das Interesse, von dem 
andern der seinigen gleich gute Leistung zu verlangen, 
was in weiterer Folge dahin führt, daß sich nur gleich 
fördernde Kräfte zusammenfinden und Zusammenhalten. 
Auf einem Bauplatze in Remington Road wurde 
eine Kolonne von elf Mann angetroffen, welche seit neun 
Jahren unausgesetzt miteinander arbeiten (ursprünglich 
waren es zw'ölf Mann gewesen, doch hatte der eine sich 
vor zwei bis drei Jahren so stark dem Trünke ergeben, 
daß seine Mitarbeiter einstimmig ihn ausschlossen). Die 
Hauptaufgabe des Hauptunternehmers besteht also darin, 
sich tüchtige Arbeiterkolonnen zu verschaffen und sollen 
größere Unternehmer sich eigene Agenten halten, deren 
Beschäftigung nur darin besteht, die Bauplätze Londons 
und größerer Städte zu besuchen, um tüchtige Arbeiter 
kolonnen aufzusuchen und anzuwerben. 
Stellt sich in einer Kolonne Abgang durch Tod oder 
andere Ursachen ein, so wird durch Wahl, bei der Mehr 
heitsbeschluß entscheidet, der Ausfall ergänzt. Es haben 
deshalb auch hier die Kolonnenmitglieder das Interesse, 
unter Hintansetzung jeder persönlichen Rücksicht aus 
schließlich nur höchst bewährten Kräften Zutritt zu ver 
schaffen. Wie sehr das materielle Interesse — man kann 
vielleicht schon sagen die Selbstsucht — vorherrscht, 
geht daraus hervor, daß bei eingetretener Abnahme 
der Leistungsfähigheit des einen von ihnen unerbittlich 
und ohne Rücksicht auf die Hilflosigkeit seiner Lage, 
sein Ausschluß aus der Kolonne zu erfolgen pflegt, ja, 
daß nicht selten sogar die eigenen, in der Kolonne mit 
beschäftigten Kinder und sonstige Verwandte des Be 
troffenen seine Entfernung aus der Kolonne betreiben. 
Zur Ergänzung beschäftigen sich die Kolonnen wohl 
auch mit der Anlernung jüngerer Personen, welche 
während dieser Lehrzeit eine von der Kolonne fest 
gestellte Quote des Gewinnes zum Lebensunterhalt be 
kommen, deren Erhöhung mit Zunahme der Leistungs 
fähigkeit eintritt. Es haben deshalb die Lehrlinge das 
naheliegende Interesse, alle ihre Kräfte anzustrengen, um 
möglichst bald zum vollen Anteil zu gelangen.-Umgekehrt 
bietet das naheliegende Interesse der übrigen, möglichst 
spät erst den vollen Anteil abzugeben, die beste Sicher 
heit dagegegen, daß Unfähige und Unfleißige für befähigt 
zum vollen Arbeitsverdienste erklärt werden, zumal es 
für Ehrensache gilt, den von der Kolonne Ausgelernteri 
zum Kolonnenmitglied zu behalten und die Fälle ver 
schwindend selten sein sollen, daß Kolonnenlehrlinge nicht 
Kolonnenmitglieder bleiben. Bei dieser Sachlage hat also 
der Lehrling sämtliche Kolonnenmitglieder erst zu Lehr 
meistern und später zu Prüfungsmeistern. Seine Aus 
bildung, seine spätere Prüfung geschieht deshalb mit 
weit größerer Gewissenhaftigkeit, als je durch gesetzliche 
Vorschriften hat erreicht werden können, weil eben das 
eigene Interesse der Prüfenden vorherrscht, während bei 
staatlich angestellten Prüfungsmeistern Menschlichkeiten 
nicht vermeidbar sind. Oder sind wirklich die Söhne der 
höchsten Staatsbeamten immer die fleißigsten und talent 
vollsten Schüler, daß ihnen die besten Examenprädikate 
und außerordentlich schnelle Beförderung gebührt? Dies 
werden andere besser beantworten können. 
Kaum erwachsene Knaben wurden als Lehrlinge nicht 
gefunden. Der englische Lehrling wird vielmehr über 
wiegend aus der Zahl der Arbeitsleute entnommen, indem 
Knaben überwiegend mit Arbeiten, die wenig Kraft er 
fordern, beschäftigt gefunden werden. 
Als erster unleugbarer Vorzug des englischen Bau 
arbeiters kann danach aufgestellt werden, größere Ge 
wandtheit und Genauigkeit im Ausführen der angelernten 
Arbeiten, während umgekehrt eine Vielseitigkeit in seinen 
Arbeitsleistungen ihm in der Regel äbgeht. Da nämlich, 
wie besagt, jeder möglichst lange in seiner Kolonne 
bleibt, geht dem einzelnen das Interesse ab, sich die 
Handgriffe, welche für Ausführung anderer Arbeitszweige 
nötig sind, anzueignen. So gibt es Personen, die nur 
mit Backsteinen, andere, welche nur mit Sandsteinen zu 
arbeiten verstehen. Putzen und mauern zu können, sind 
wenige gleichzeitig befähigt und soll dem Vernehmen 
nach die Arbeitsteilung so groß sein, daß man an dem 
selben Bau für die Arbeit am Treppenhaus besondere 
Kolonnen nötig hat. 
Danach läßt sich die größere Vollkommenheit in dem 
einen Fach auf Kosten der Vielseitigkeit uiid Verwend 
barkeit erklären. (Schluß folgt.) 
Lokale Baunotizen. 
Zur Erbauung von Arbeiterhäusern in Linz. Eines 
der dringenst zu lösenden Probleme ist und bleibt die 
Herstellung von Wohnobjekten für den Arbeiterstand. 
Humanität, Moralität in erster Linie, sowie gesellschaft 
liche Motive müssen jede Regierung bestimmen, diesem 
Stande die unbedingte Aufmerksamkeit zu schenken. 
Hier handelt es sich nicht um die Verbesserung seiner 
physischen Lage, sondern um die sittliche Erhebung, 
deren letzterer bei unseren dermaligen Wohnungsver- 
hältnissen er nicht vollständig teilhaftig werden kann. 
Heute sind wir noch immer in dem Stadium, daß trotz 
Wohnungsüberfluß der Arbeiter nur selten eine reine 
und gesunde Stätte findet, die er bezahlen kann und 
deshalb mit Räumen vorlieb nehmen muß, die seiner 
eigenen und seiner Familie Gesundheit untergraben und 
ihm den Aufenthalt im Hause verleiden. Es ist hier nicht 
der Ort, die sanitären Nachteile anzuführen, die aus 
schlechten Wohnverhältnissen entstehen und unter denen 
die ganze Bevölkerung der Landeshauptstadt zu leiden 
hat, sondern wir wollen nur die schon in Aussicht 
stehende Erbauung von Arbeiterhäusern durch die Stadt 
gemeinde Linz und durch die Allgemeine Sparkasse und 
Leihanstalt daselbst in Fluß bringen, damit im nächsten 
Herbst schon einige Arbeiterfamilien die Wohltat einer 
gesunden und billigen Wohnung genießen können. Zu 
dieser Anregung wurden wir verhalten, als wir kürzlich 
einen Arbeiter in einem Gässchen aufsuchten und dessen 
Wohnung in einem baulichen Zustande fanden, der nicht 
menschenwürdig genannt werden kann. Kornhoff er.
	        
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