Volltext: XI. Jahrgang, 1906 (XI. JG., 1906)

Nr. 11. 
Seite 95. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Konstruktionsbedingungen anzuwenden. Das Verständ 
nis der maßvollen Schönheit antiker Kunstwerke wird 
uns dabei am sichersten von den übertriebenen Künste 
leien, dem Trachten durch Widersprüche gegen das 
Naturgesetz bewahren und die Erfüllung dieser Aufgabe 
kann durch Architekten der verschiedensten Richtung 
gefördert werden, sobald sie sich bestreben, an die Stelle 
der meist verwerflichen Schein- und Lügenarchitektur 
und dem geistlosen Kopieren, das kunstgeschichtliche 
Verständnis der Architektur-Urform zu setzen, und bei 
der Wahl des Stils stets den Charakter der Örtlichkeit 
und Umgebung zu berücksichtigen. 
Es ist unzweifelhaft, daß durch weiteres Forschen 
heimatlicher kunstgeschichtlicher Bauwerke des Mittel 
alters noch mancher unschätzbare Beitrag zur Förderung 
der Baukunst geliefert werden wird und Konzeption, 
Konstruktion, Architektur, die großen Faktoren bau 
geschichtlicher Entwicklung, auch endlich jenen Stil 
hervorbringen werden, der unsere Zeit ebenso charakteri 
sieren muß und zwar im edelsten Sinne des Wortes, wie 
einst jener Stil des Hellenentums die ägyptische oder 
römische Bauperiode. A. B. 
Der Lehrvertrag und die Gesellenprüfung 
in Deutschland. 
Die Novelle zur Gewerbeordnung von 1897 schreibt 
für jeden Lehrvertrag die schriftliche Form vor. Sie geht 
zwar nicht so weit, die Beobachtung der schriftlichen 
Form für eine Bedingung der Rechtsgültigkeit des Ver 
trages zu erklären, sie bedroht aber doch den Lehrherrn, 
der den Vertrag nicht ordnungsmäßig abschließt, mit 
einer Geldstrafe bis zu 20 Mark öder mit drei Tagen 
Haft und knüpft an diese Vernachlässigung der Form 
verschiedene nicht zu unterschätzende Rechtsnachteile. 
So kann beispielsweise beim Fehlen eines schriftlichen 
Lehrvertrags der Lehrling aus der Lehre laufen, wenn 
es ihm beliebt, wie auch der Lehrherr dem Lehrling nicht 
entschädigungspflichtig wird, wenn er den Lehrling aus 
der Lehre fortjagt. Um solchen Vorkommnissen entgegen 
zutreten, ist die schriftliche Fixierung des Vertrages 
dringend zu empfehlen und folgende Punkte sind un 
bedingt in den Vertrag aufzunehmen: 1. die Bezeichnung 
des Gewerbes oder des Zweiges der gewerblichen Tätig 
keit, in dem die Ausbildung erfolgen soll, 2. die Angabe 
der Dauer der Lehrzeit, 3. die Angabe der gegenseitigen 
Leistungen, 4. die gesetzlichen und sonstigen Voraus 
setzungen, unter denen die einseitige Auflösung des Ver 
trages zulässig ist. Das Lehrverhältnis muß auf eine be 
stimmte Zeit abgeschlossen werden und darf nicht künd 
bar sein; es kann jedoch, wenn eine längere Frist nicht 
vereinbart worden ist, während der ersten vier Wochen 
nach Beginn der Lehrzeit durch, einseitigen Rücktritt 
aufgelöst werden. Nach Ablauf dieser Probezeit kann 
der Lehrling nur dann aus der Lehre austreten, wenn 
ihm ein im Gesetz vorgesehener Grund zur Seite steht, 
oder wenn er zu einem anderen Gewerbe oder Berufe 
übertreten will. Solche im Gesetze vorgesehene Gründe 
sind z. B., wenn der Lehrling zur Fortsetzung der Arbeit 
unfähig wird oder wenn der Lehrherr oder seine Ver 
treter oder Familienangehörige ihn zu Handlungen ver 
leiten, welche wider das Gesetz oder die guten Sitten laufen. 
Andererseits kann der Lehrherr das Lehrverhältnis vor 
der Zeit aufheben, wenn der Lehrling bei Abschluß des 
Vertrages den Lehrherrn durch Vorzeigung eines falschen 
oder gefälschten Arbeitsbuches oder Zeugnisses hinter 
gangen hat, oder wenn er sich eines Diebstahls, einer 
Unterschlagung, eines Betruges oder eines liederlichen 
Lebenswandels schuldig macht. 
Während der Lehrzeit hat der Lehrherr die Pflicht, 
den Lehrling in den bei seinem Betriebe vorkommenden 
Arbeiten des Gewerbes dem Zweck der Ausbildung ent 
sprechend zu unterweisen, ihn zum Besuche der Fort- 
bildungs- oder Fachschule anzuhalten und den Schul 
besuch zu überwachen, wohingegen der Lehrling der 
väterlichen Zucht des Lehrherrn unterworfen und zur 
Folgsamkeit, Treue, Fleiß und anständigem Betragen 
verpflichtet ist. Übermäßige und unanständige Züchtigung 
ist verboten. Bei Beendigung des Lehrverhältnisses hat 
der Lehrherr dem Lehrling unter Angabe des Ge 
werbes, in dem der Lehrling unterwiesen ist, über die 
Dauer der Lehrzeit und die erworbenen Kenntnisse und 
Fertigkeiten, sowie über sein Betragen ein Zeugnis aus 
zustellen, das von der Gemeindebehörde (Magistrat u. s. w.) 
kosten- und stempelfrei zu beglaubigen ist, ebenso wie 
der Lehrvertrag selbst kosten- und stempelfrei ist. 
Den Abschluß der Lehrzeit bildet die Gesellenprüfung, 
und diese hat einen ganz erheblichen materiellen Wert. 
Nach § 131 c der Reichsgewerbeordnung hat der Lehr 
herr die Pflicht, die ihm anvertrauten Lehrlinge zur Ab 
legung der Gesellenprüfung anzuhalten. Er hat sie in 
väterlicher und fürsorglicher Weise durch persönlichen 
Zuspruch unter Hinweis auf die Vorteile, weiche die 
Prüfung mit sich bringt, auf sie vorzubereiten und sie 
ihr zuzuführen. Entzieht er sich dieser Pflicht durch 
passives Verhalten, erschwert er die Prüfung, rät er von 
ihr ab oder verhindert er sie, so setzt er sich der Be 
strafung aus. Die Prüfung erfolgt entweder vor dem 
Prüfungs-Ausschüsse einer Innung oder vor den von der 
Handelskammer errichteten Prüfungs-Ausschüssen, die 
sich aus sachverständigen Arbeitgebern zusammensetzen. 
Die Anmeldung von Lehrlingen, deren Lehrmeister 
einer Innung angehören, hat bei dieser zu erfolgen, 
während diejenigen Lehrlinge, deren Lehrherren einer 
Innung nicht angehören, bei der zuständigen Handwerks 
kammer anzumelden sind. 
Das Bestehen der Prüfung ist davon abhängig, daß 
der Prüfling den Fähigkeits-Nachweis betreifs der in 
seinem Handwerke gebräuchlichen Handgriffe und Fertig 
keiten mit genügender Sicherheit führt, und daß er sich 
mit der Handhabung der gewöhnlichen Werkzeuge ver 
traut, sowie über den Wert, die Beschaffung, Auf 
bewahrung und Behandlung der zu bearbeitenden Roh 
stoffe und halbfertigen Erzeugnisse und die Kennzeichen 
ihrer guten und schlechten Beschaffenheit unterrichtet 
zeigt. Die Prüfung besteht zunächst in der als Gesellen 
stück auszuführenden Arbeit, an die sich alsdann in der 
Regel eine mündliche und schriftliche Prüfung anschließt. 
Kein Lehrling darf zum Gesellen gesprochen werden, 
ohne daß er die Gesellenprüfung vor dem zuständigen 
Prüfungsausschuß bestanden hat. Nach Bestehen erhält 
der Prüfling sein Prüfungszeugnis und seinen Gesellen 
oder Gehilfenbrief. 
Mit dem Besitz dieser Urkunden sind nun nicht zu 
unterschätzende Vorteile verbunden. Nicht nur, daß der 
junge Handwerker sich durch sie den volkommenen Be 
fähigungsausweis für sein Handwerk erwirbt, es werden 
ihm auch erhebliche Rechte beigelegt, insbesondere das 
der Beaufsichtigung und Unterweisung von Lehrlingen.
	        
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