Seite 92.
Oberösterreichische Bauzeitung.
Nr. 11.
Über Theaterbau.
VII.
Beinahe jeder Italiener hat Talent für die darstellende
Kunst. Die berühmtesten Schauspieler, Sänger und Tänzer
haben dieser Nation angehört. Auch der Theaterbau hat
in diesem kunstbegabten Volke die meisten bahn
brechenden Architekten zu verzeichnen.
Italien hat eigentlich das moderne Theater geschaffen
und dasselbe in einer Art Apostolat als wahre Kultur
mission in allen Ländern eingeführt. Nach dem Unter
gänge des klassischen Theaters, welcher in das VI. Jahr
hundert zu setzen sein wird, hört der Theaterbau über
haupt auf und die Theater-Architektur sinkt in Ver
gessenheit bis zum Beginn des XV. Jahrhunderts. Das
weltliche Drama verschwindet, um wieder den religiösen
Schauspielen Platz zu machen. In den Kirchen Italiens
wurden, nachdem der Kirchengang durch St. Ambrosius,
Erzbischof von Mailand, eingeführt, von Klerikern Szenen
aus dem alten und neuen Testamente aufgeführt, um
später profanen Spektakeln mit Masken zu weichen, bis
im XIII. Jahrhundert Papst Innozenz III. diesem Miß
brauch des Gotteshauses ein Ende machte und derartige
Aufführungen auf Höfe und öffentliche Plätze verwies.
St. Katharina von Siena, die Begründerin der Kirchen
musik, eine Pflegerin des kirchlichen Schauspieles mit
Musikaufführung, komponierte Dialoge von Heiligen,
Momente aus der Legende, die von Mönchen zu Gehör
gebracht wurden.
Tiraboschi verzeichnet in seinen Archiven die Auf
führung von geistlichen Spielen auf dem noch heute be
stehenden großen Platze des Prado in Padua im
Jahre 1244 und als die erste ständige Schauspielgesell
schaft in der Art der Oberammergauer Passionsgesell
schaft wird die in der Karwoche im Jahre 1264 ge
gründete „Oompania Gonfalone“ genannt, die in der
Karwoche im Kolosseum die Passionsgeschichte zur
Darstellung brachte.
Die zahlreichen weltlichen und kirchlichen Fürsten
höfe Italiens scheinen wesentlich zur Entwickelung des
Theaters und des Theaterbaues umsomehr beigetragen
zu haben, da die Usurpatoren so manches Fürstenthrones
sich gegenseitig an Festen und Schaustellungen zu über
bieten suchten. Es mag nun dahingestellt sein, ob das
Theater hier auch als Bildungsstätte betrachtet wurde.
Doch ist es glaubwürdiger, daß in dem Theater ein
guter Zeitvertreiber für die Langeweile erblickt wurde,
ln der Zeit des Erwachens des Humanismus gelangten
die klassischen Schauspiele zur Aufführung und wurden
in den Haustheatern der römischen Prälaten, an den
Fürstenhöfen in Sälen oder Höfen auf reich dekorierten
Schaugerüsten dargestellt, ohne daß von regelrechten
Theatern die Rede war.
Im Jahre 1470 wird am Quirinalplatz in Rom als
erstes ständiges Gebäude für Theaterzwecke eine Holz
bude gebaut, mit amphitheatralisch aufsteigenden Sitz
plätzen und einer zu allen szenischen Ansprüchen ge
eigneten Bühne. Gegen Ende des XV. Jahrhunderts ver
schwindet das lateinische Theater immer mehr, als
Verenda de Cesena um 1492 seine beiden Dramen in
der Vulgärsprache schreibt, zu deren Aufführung in dem
Palaste des Kardinals Riawio, ein Saaltheater errichtet
wurde. Das erste Theater aus solidem Materiale w T ird
in Mantua im Jahre 1472 erbaut, doch liegen über die
Einrichtung dieses Theaters keine Angaben vor. Die
Halbzirkelform des Zuschauerraumes, die Anwendung
der antiken Sitzreihen erhält sich auch in den pro
visorischen und ständigen Theatern, die nunmehr in
rascher Folge erbaut wurden. Zu nennen wären: Das
Theater des Herzogs L. Sforza in Mailand, das Holz
theater des Herzogs Herkules I. mit steigendem Podium.
Venedig besaß zu Anfang des XVI. Jahrhunderts be
reits drei Theater, gleichfalls mit halbzirkelförmigem
Zuschauerraume, von denen eines durch die schönen
perspektivisch ausgezeichnet ausgeführten zwölf De
korationen des Meisters Fr. Zucarro sich einer gewissen
Berühmtheit erfreute. Die Archive von Florenz, einer
Stadt, welche heute die meisten Theater zählt, berichten
bereits 1579 von Theaterrestaurationen; freilich wird da
nur von Holzbauten die Rede sein können. Schon in
der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts wandern
italienische Schauspieler, Sänger und Tänzer, Bühnen
techniker und Maler in das Ausland. Dieselben er
scheinen mit ihrem ganzen mobilen Bühnenapparate
bereits 1569 an den bayrischen Fürstenhöfen, in Wien
1577, im Palais Bourbon in Paris. Die Stegreifschau
spieler verschwinden immer mehr, um den Berufsschau
spielern Platz zu machen.
Tiotz der bedeutenden Entwickelung der dramatischen
Kunst Englands durch Shakespeare bleibt das italienische
Theater auf allen Gebieten das herrschende in ganz
Europa, an den Fürstenhöfen bis 1825 finden wir
italienische Theatertechniker und Künstler. Der italienische
Theaterbau in seiner historischen und technischen Ent
wickelung der bedeutendste, wird in jedem Werke über
Theaterbau und Bühneneinrichtung den ersten Platz ein
nehmen müssen. Der antike Theaterbau in seiner typischen
Form sinkt immer mehr in Vergessenheit, je häufiger
die Theaterbauten werden. Die Platzfrage, die finanzielle
Ausbeutung des Raumes, welche unsere modernen
Theaterbauten wieder auf die Form des antiken Zu
schauerraumes zurückgreifen läßt, tritt immer mehr in
den Hintergrund. (Fortsetzung folgt.)
Haltbarkeit von Nägeln in Holz.
Die Haltbarkeit eines Eisennagels in Holz beruht auf
der Reibung des Metalls an den Holzfasern. Infolgedessen
wird die Haltbarkeit durch alles erhöht, was den Reibungs
widerstand vergrößert. In erster Linie gehört dazu die
Größe der Berührungsfläche zwischen Metall und Holz.
Hierbei aber dürfte es von Interesse sein, auf einen in
der Praxis wenig beachteten Punkt aufmerksam zu
machen, nämlich auf die Form des Nagels. Nehmen wir
an, man habe aus verschiedenen Eisenstücken, w T elche
alle genau einen Quadratzentimeter haben, Nägel ge
schmiedet, und zwar Stifte mit kreisförmigem, drei
kantigem, vierkantigem, fünfkantigem Querschnitt u. s. w.
Bei den kantigen Stiften soll die Querschnittfigur eine
regelmäßige sein, also bei dreikantigen ein gleichseitiges
Dreieck, bei den vierkantigen ein Quadrat u. s. w. Be
rechnen wir nun aus der Größe des Querschnittes den
Umfang desselben, so ergibt sich folgendes: Bei einem
Quadratzentimeter Durchschnitt hat ein dreikantiger Stift
4*35 Zentimeter Umfang, ein vierkantiger Stift 4 Zenti
meter Umfang, ein fünfkantiger Stift 3*81 Zentimeter
Umfang, ein sechskantiger Stift 3’72 Zentimeter Umfang,
ein kreisförmiger Stift 3*55 Zentimeter Umfang.
Hieraus ergibt sich die Tatsache, daß bei gleichem
Querschnitt der dreikantige Stift den größten Umfang