Volltext: XI. Jahrgang, 1906 (XI. JG., 1906)

Seite 56, 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 7. 
gaben anvertraut, deren Lösung bei nicht gehöriger 
Fachkenntnis oft große Opfer an Gut und Blut fordert, 
so daß es nicht genügen kann, wenn die Behörde seinen 
Mangel an Qualifikation mit ihrer Verantwortung deckt, 
sondern sie hat für seine Befähigung und Kenntnisse 
gewisse Garantien einzuholen. 
Denkt man an vergangene Zeiten, wie war es da 
anders! Die früher bestandene Innung hat viele tüchtige, in 
erster Hinsicht praktisch ausgebildete Fachmänner heran 
gezogen, aber sie war eben eine Zunft, mit allen Mängeln 
einer solchen. Das veraltete, beengende Form wesen, die 
ganz einseitige, hauptsächlich praktische Richtung, das 
gewaltsame Fernhalten jedes belebenden erfrischenden 
Elementes, endlich das jeder Zunft anklebende Oliquen- 
und Gevattertum ließen sie als nicht mehr zeitgemäß 
erscheinen und brachten sie gerechtsamerweise zu Falle. 
Der Sprung aus der Zunft in die vollste, schranken 
loseste Freiheit hat sich aber als weit gefahrdrohender 
herausgestellt, als selbst ein vorläufiges Erhalten der 
Innung gewesen wäre. Hat die Innung höheres Streben 
niedergehalten, die allgemeine geistige Kapazität des 
Standes auf ein beschränktes niederes Niveau herab 
gedrückt, so fördert die neue Schrankenlosigkeit das 
geistige Streben nicht nur um gar Nichts, sondern tötet 
den. letzten Rest desselben, macht die Erwerbung 
von Kenntnissen und Geschicklichkeiten, 
weil deren Nachweis nicht genügend gefordert wird, 
überflüssig und öffnet dem Proletariate — dem 
geistigen wie dem gesellschaftlichen — Tür und Tor. 
ln einem komplizierten Getriebe, dessen Gesamtheit man 
Staat nennt, nimmt jener Stand, der sich mit der Aus 
führung der Bauten beschäftigt, in welchem das Indi 
viduum und die Gesellschaft wohnt und arbeitet und 
seinen höheren Bestrebungen nachgeht, keine ganz 
untergeordnete Stelle ein. Dieser Stand verdient daher 
große Aufmerksamkeit von Seite der Behörden und im 
gewissen Sinne auch sorgsame Pflege. Der Stand muß 
aufgehoben werden, damit immer bessere Elemente sich 
demselben widmen. Es muß eine Ehre sein, diesem 
Stande anzugehören und diese Angehörigkeit muß unter 
Bedingungen erworben werden, welche für das Individuum 
und den Stand Garantie bieten. Garantien der Be- 
fäliigung und Garantien der Aneivkennung und 
Würdigung der Fach genossen. A 
Über Theaterbau. 
in. 
Bei den Römern war das Theater ein in der Ebene 
gelegenes freistehendes Gebäude, Das „Visorium“, der 
Zuschauerraum, war durch Gewölbe unterstützt und im 
Gegensätze zu den wenig luxuriösen Bauten der Griechen 
mit Säulenordnungen geschmückt. Da den Ausgangspunkt 
des Theaters religiöse Feste bildeten und dieselben in 
den ersten Zeiten mehr Kultus- als Vergnügungszwecken 
dienten, so war es wohl selbstredend, daß man bemüht 
war, die Teilnahme zu diesen Festspielen einer großen 
Menge zu ermöglichen. Wir besitzen heute wenige Ge 
bäude für Zwecke des Theaters, des Zirkus oder der 
Stierkämpfe, die in ihrem Zuschauerraum nur halbwegs 
nahekommende Größenverhältnisse mit den antiken 
Spektakelhäusern hätten. — Unsere größten Schauspiel 
häuser und Zirkusgebäude fassen höchstens 3000 bis 4000 
Zuschauer, die dem antiken Amphitheater nachgeahmten 
größten spanischen Gebäude für Stierkämpfe höchstens 
12.000 Personen. Die Ruinen der antiken Bauten bieten 
da wohl das sprechendste Zeugnis. So arbeiteten an dem 
hinlänglich bekannten Kolosseum in Rom, dem größten 
Ringtheater der W T elt, unter den Kaisern Vespasian und 
Titus 12.000 kriegsgefangene Juden unter der Leitung 
der ersten römischen Baumeister und schufen einen 
Raum für 80.000 schaulustige Römer. Unter den 
griechischen Theatern faßte das Theater in Megalopolis 
44.000, das in Syrakus 14.000 Personen und ist selbst in 
der spätrömischen Zeit in kleineren Städten der Zuschauer 
raum nicht unter den Fassungsraum für 1500 Personen 
gesunken. Durch die Zahl der Sitzstufen, durch Striche, 
ja zuweilen durch Nummern geschehene Abgrenzung 
der Sitzplätze konnte deren Zahl annähernd festgestellt 
werden. Die als Sitzplätze dienenden Stufen, die zumeist 
mit Marmor bedeckt waren, wurden während der oft 
zehnstündigen Vorstellungen auf den Plätzen für das 
Volk mit Brettern, für die Bürger mit Polstern belegt? 
während auf dem ersten Platze der Mitte für die Priester 
und Mitglieder des Senats ein eigenes Gestühle errichtet 
war und für die Vornehmsten in der Orchestra und auf 
den Sonderplätzen, in den späteren Logen einzelne Stühle 
aufgestellt wurden. Was das verwendete Baumaterial be 
trifft, so steht es wohl außer Zweifel, daß die ersten 
Theater sowohl in Griechenland als in den römischen 
Staaten Holzbauten waren. Das erste Steintheater mit 
Marmorverkleidung wurde 330 v. Ohr. von Philon unter 
der Herrschaft des Perikies in Athen erbaut. Dieses 
erste monumentale Bacchustheater, welches 4200 Personen 
faßte, wurde als „Teatro modello“ für alle griechischen 
Theaterbauten betrachtet. Rom kannte mehrere Jahr 
hunderte hindurch nur Holztheater ohne Sitzplätze. 
In der Literatur wird in Rom das 599 v. Ohr. durch die 
Zensoren Messala und Oassino errichtete Theater erwähnt, 
ferner das prächtige Holztheater des Lucius Munisus. 
Den Übergang zu den monumentalen römischen Pracht 
bauten bildete das von Ädil Emilius Scaucus errichtete, 
8000 Personen fassende Schauspielhaus. Selbst zu Zeiten 
des Plinius bestanden in Rom noch Spektakelhäuser aus 
Holz und erwähnt er des Theaters und des Amphitheaters 
des Ourio. Freilich sind da wieder die Prachtbauten des 
Theaters des Pompejus mit reichen Säulenstellungen auf 
dem Umgang mit einem Venustempel, des Marcellustheaters, 
dessen Fassadenteile mit den dorisch-toskanischen Ord 
nungen noch heute in Rom erhalten sind, als Zeugnis 
anzuführen, welch glänzende Entwicklung der Theater 
bau in Rom erfahren hat. Von Rom aus verbreitete sich 
die Lust am Theater in alle unterjochten Länder. Überall 
finden sich Reste der typischen römischen Theaterbauten, 
häufig nur aus Backsteinen, kaum nur mehr’ in den Um 
rissen des Grundsteines erhalten. Groß war die Zahl in 
Byzanz in Kleinasien und auch in Jerusalem erbaute 
Herodes Ascanius eine größere Schaubühne. Als 
historisches Drama w T ird hier das von dem Juden 
Ezechiel verfaßte Schauspiel: „Der Auszug der 
Juden aus Egypten“ aufgeführt. Theaterruinen 
griechischen Ursprungs finden sich in Griechenland, in 
Großgriechenland, dem jetzigen Sizilien, auch noch vor. 
(Fortsetzung folgt.) 
Gerippte Eisenbetonpfähle.*) 
Bei der Ausführung eines vor kurzem fertiggestellten 
Gebäudes in Brooklyn kamen Eisenbetonpfähle neuer 
Bauart in ausgedehntem Maße zur Verwendung. Der 
*) The Engineering „Rekord“ 1905.
	        
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