Volltext: XI. Jahrgang, 1906 (XI. JG., 1906)

XI. Jahrgang, Nr. 3. 
Linz, 1. Februar 1906. 
Öberösterreichische Bauzeitung 
Zeitschrift für Bauwesen 
Organ des „Vereines der Baumeister in Oberösterreich“ 
Redaktion und Administration: Buchdruckerei C. KOLNDORFFER, LINZ, Domgasse Nr. 5. 
Man pränumeriert auf die OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG: 
ganzjährig mit K 20.— ^ , ganzjährig mit . K 16 
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für die 
Provinz 
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Erscheint am t. und 15. 
jedes Monat. 
INSERATE und OFFENER SPRECHSAAL laut aufgelegtem billigsten 
Tarif werden angenommen: Bei der Administration der „Ober 
österreichischen Bauzeitung“. Linz, Domgasse Nr. 5, ferner bei 
allen größeren Annoneen-Expeditionen des ln- u. Auslandes. Eventuelle 
Reklamationen und Beschwerden direkt an uns erbeten. 
Inhalt. Ein interessanter Rechtsfall in baulichen Angelegenheiten. 
1 — Barock- und Rokokostil. — Lokale Bannotizen. — Aus den Gemeinde- 
rats-Sitzungen in Linz. — Patentliste. — Vergebung von Bauarbeiten 
und Lieferung von Baumaterialien. — Ausweis über die Umschreibung 
von Immobilien in Linz. — Offene Stellen. — Vermischtes. 
Ein interessanter Rechtsfall in baulichen 
Angelegenheiten. 
(Erzählt vom Architekten K. Schwarz in Meran.) 
Wie bei Abschluß von Verträgen alle etwaigen 
Eventualitäten ins Auge zu fassen sind und dabei trotz 
alledem noch der eine oder andere Kontrahent über 
vorteilt werden kann, beweist folgender Fall. In Salzburg 
besaß ein Hauseigentümer ein mit mehreren Gebäuden 
bebautes Grundstück in Form eines Rechtangels, welches 
derart gelegen war, daß die beiden kurzen Seiten des 
selben Fronten an zwei verschiedenen Straßen bildeten, 
während die beiden langen Seiten von Nachbargrund 
stücken begrenzt wurden. An jeder der benannten Straßen 
fronten stand ein Doppeltrakt, während in der Mitte des 
Grundstückes ein Quergebäude von mehreren Stock 
werken (ebenfalls Doppeltrakt) sich erhob, dessen Fenster 
nach den beiden durch dasselbe gebildeten Hofraum 
gingen. Der Besitzer dieses Grundstückes, dem dasselbe 
bei der beträchtlichen Tiefe zu groß war, wollte einen 
Teil davon verkaufen und nahm zu diesem Zwecke eine 
Parzellierung vor. Diese Parzellierung geschah von der 
einen Straßenfront bis zur nächsten Front des in der 
Mitte stehenden Quergebäudes, so daß vom Mutter 
grundstücke nunmehr ein Vorderhaus nebst Hof blieb, 
während das abgegrenzte Grundstück aus einem Vorder 
haus, Hof- und Quergebäude bestand. Der Besitzer ver 
kaufte nun den abgezweigten Teil. Der Käufer des 
selben, dem die baubehördlichen Vorschriften nicht ganz 
fremd waren, nach welchen es dem Verkäufer wohl ge 
stattet werden konnte, in seinem Hofe, hart an der Front 
des Quergebäudes, ein Gebäude aufzuführen, wodurch 
ihm die Fenster desselben und somit das Licht ver 
baut werden könnte, ließ sich zur Verhinderung dessen 
eine Klausel in den Verkaufs vertrag setzen, welche aus 
drücklich besagte, daß weder der Verkäufer noch dessen 
Rechtsnachfolger ihm nie und in keiner Weise das Licht, 
respektive die Fenster verbauen dürfen. 
Der Verkäufer jedoch, der sein früher besessenes 
Quergebäude sehr vermißte, sann auf Mittel, doch ein 
neues Qpiergebäude an verbotener Stelle aufzuführen, 
ohne daß ihm das Gesetz infolge der im Vertrage fest 
gestellten Klausel etwas anhaben konnte und verfuhr 
folgendermaßen: 
Er ließ sich von einem Baumeister einen Plan zu 
einem mehreren Stockwerk hohen Quergebäude ent 
werfen und denselben behufs Erlangung des Baukonsenses 
der betreffenden Behörde einreichen. Diese prüft den 
Plan, besichtigt den Bauplatz und folgt den Konsens 
unter Vorbehalt der Rechte Dritter mit dem Bemerken, 
den Bau nach Vorschrift auszuführen, dem Gesuch 
steller aus. Der letztere schloß nun den Bauvertrag mit 
dem Baumeister und der Bau begann. Der Käufer des 
Zweigrundstückes, der den Beginn des Baues wahr 
nahm, kam natürlich zu seinem Verkäufer und machte 
ihn auf das Rechtswidrige seiner Handlung aufmerksam, 
indem er denselben auf den mit ihm geschlossenen Ver 
trag, respektive auf die darin stipulierte Klausel verwies. 
„Ganz recht!“ antwortete ihm dieser, „allein ich ver 
stoße nicht gegen die Klausel, den ich verbaue Dir nicht 
das Licht!“ „Mein Bau erreicht ja nur die Höhe der 
Parterrefenster Deines Quergebäudes.“ 
Beiläufig bemerkt, betrug die Höhe der Parterre- 
Fensterbrüstung nur zirka vier Schuh. Und*so geschah 
es auch. Nach Aufführen des unteren Teiles der Keller 
räume wurde der Bau mit einem Dache versehen, dessen 
First bis zu den genannten Parterrefenstern reichte. 
Auf diese Weise war dem Nachbar das Licht natürlich 
nicht verbaut, denn die Fenster seines Quergebäudes 
lagen über dem Dache des Neubaues. 
Hiedurch entstand aber ein Verstoß gegen die Bau 
vorschriften, welche bestimmen, daß Fensteröffnungen 
wegen Feuersgefahr nicht auf das Dach eines Nachbar 
hauses gehen dürfen. 
Die Überwachung solcher Vorschriften, die auf 
Feuergefährlichkeit bezug haben, gehört aber in das 
Ressort der Feuerpolizei, welche ohne weiteres dem Be 
sitzer des Zweigrundstückes anbefahl, die Fensteröffnungen 
seines alten Quergebäudes über dem Dache des Neu 
baues sofort binnen 24 Stunden zuzumauern und falls 
dies in der festgesetzten Frist nicht geschehen ist, diese 
Arbeit im Wege der Exekution selbst ausführen läßt, 
unbekümmert um die hierüber zwischen den Nachbarn 
bestehenden Streitigkeiten oder Rechtsansprüche, deren 
Schlichtung Gerichtssache ist. Als nun durch die Feuer 
polizei die Vermauerung besagter Fensteröffnungen voll 
zogen war, konnte der Bauherr des neuen Quergebäudes 
dasselbe ruhig und unbehindert nach seinem Plane 
mehrere Stockwerke hoch aufführen, denn jetzt konnte 
ihm sein Nachbar selbst im gerichtlichen Wege nichts
	        
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