Volltext: XI. Jahrgang, 1906 (XI. JG., 1906)

Nr. 20. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Seite 173. 
oder der andere abwesend wäre, kann auch Kollektiv 
prokura eintreten, besonders bei Gesellschaftsfirmen 
ohne Chef. 
Erst wenn in dieser Beziehung die Stellung der 
Techniker ihr Recht gefunden hat, kann man unser Jahr 
hundert in Wirklichkeit das der Techniker nennen; so 
lange dies nicht der Fall ist, muß es das Ziel der Be 
strebungen der gesamten Technikerschaft, welche im 
Dienste der Industrie tätig ist, bilden, darauf hinzuarbeiten 
und mit vereinten Kräften ihren Standesrechten die ge 
bührende Anerkennung zu erringen. Wenn man sicht, 
welche früher ungeahnten Erfolge die Arbeiterschaft 
durch ihre Organisation und ihre Solidarität im Laufe 
der letzten zwanzig Jahre im Gebiete der sozialen Ge 
setzgebung errungen hat, kann es nicht zweifelhaft sein, 
daß auch die Techniker Erfolg haben werden, wenn sie 
einig und zielbewußt vorgehen. Es wäre eine würdige 
Aufgabe der großen Fachvereine, des Österreichischen 
Ingenieur- und Architektenvereines hier bei uns, des Ver 
eines Deutscher Ingenieure im benachbarten Deutschen 
Reiche, ihre bewährte Organisation und anerkannte 
Autorität in den Dienst dieser hochwichtigen Fragen zu 
stellen und zunächst darauf hinzuarbeiten, daß die Re 
gelung der Prokura in Fabriksbetrieben zum Gegenstände 
eines Gesetzentwurfes gemacht wird, worin der Grund 
satz festzulegen wäre, daß in solchen Betrieben bei Be 
darf in erster Linie der oder die technischen Leiter und 
erst bei weiterem Bedarf auch kaufmännische Beamte 
mit der Prokura zu betrauen sind, wobei auch Kollektiv 
prokura beider zulässig ist. 
Zeitschrift des „Österr. Ingenieur- und Architektenvereines “. 
Inhalt. Neues Stallgebäude auf einem herrschaftlichen G-ute nächst 
Waidhofen a. d. Ybbs. — Techniker oder Kaufmann? — Lokale Baunotizen. 
— Aus den Gemeinderats-Sitzungen in Linz. — Vermischtes. — Patent 
liste. — Vergebung von Ban arbeiten und Lieferung von Baumaterialien. 
— Offene Stelle. — Bücherschau. — Inserate. 
Lokale Baunotizen. 
Johann Eugen Sehratz f. Am 1. d. M. verschied in 
Urfahr der bekannte Bauunternehmer und öffentliche 
Gesellschafter der Firma Schratz & Sohn, Herr Johann 
Eugen Schratz, nach langem schweren Leiden im 
63. Lebensjahre. Der Verblichene, ein ehrenwerter 
Charakter, hatte sich durch seine Fachtüchtigkeit, reelle 
und energische Geschäftsführung nicht nur in Privatkreisen 
sondern auch bei den Behörden großer Beliebtheit zu er 
freuen, was sich bei seinem Leichenbegängnisse am besten 
kund gab. Dem Einfluß des Dahingeschiedenen verdankt 
die Stadt Urfahr mehrere öffentliche sanitäre Einrichtungen 
und praktische Hinweise für die Stadtregulierung; nicht 
minder auf die bauliche Entwicklung einer verödeten 
Örtlichkeit durch die Herstellung von acht schönen 
modernen Wohnhäusern. Sein Sohn. Herr Eugen 
Michael Schratz, der durch Jahre hindurch an Seite 
des Vaters wirkte und das Unternehmen fortführen wird, 
hat ein nicht geringes Verdienst um das Aufblühen des 
Geschäftes. Die irdische Hülle des Verblichenen wurde 
am 2. Oktober unter großer Beteiligung von Leidtragenden 
und Freunden des Verstorbenen aus Urfahr und Linz 
in der Familiengrabstätte zu Urfahr zur ewigen Ruhe be 
stattet. Friede seiner Asche I 
Wasserleitung und Rohrlegung. Der Gemeinderat 
hat in seiner Sitzung vom 3. d. M. die Herstellung der 
Wasserleitung über die Gründe der Aktienbrauerei am 
Bauernberg sowie die Rohrlegung hiefür der Firma Theodor 
Weidenweber für den Gesamtbetrag von 3431 Kronen 
55 Heller übertragen. 
Neues Restaurationsgebäude. Nach dem Projekte der 
Oberösterreichischen Baugesellschaft läßt der jetzige Be 
sitzer der Villa „Augusta“ am Bauernberg, Herr Wacho- 
w e t z, das Gebäude zu einem Restaurationslokale umbauen, 
wodurch einem großen Bedürfnis der dortigen Villen 
besitzer und der zahlreichen Besucher dieses herrlichen 
Aussichtspunktes abgeholfen wird. Die Restauration wird 
mit aller Eleganz und Komfort ausgestattet sein und 
können wir dieses Unternehmen nur lebhaft begrüßen. 
Von unserem Volksgarten. Über die Anlage in 
unserem Volksgarten äußerte sich der Stadtgärtner aus 
Dresden, der verflossenen Juni auf Besuch in Linz weilte, 
in folgender Weise: Der Linzer Volksgarten hat dreierlei 
Fehler. Erstens ist er zu klein, zweitens ist die An 
ordnung der Gruppierungen zu einförmig und monoton, 
und drittens ist der Saalbau trotz der wunderlichsten, 
naivsten Mischung aller Baustile zu massig, zu klobig 
und wäre eine leichtere Bauart in einer Örtlichkeit, die 
zumeist dem Sommervergnügen dient, von besserer 
Wirkung gewesen. In punkto Zukleinseins des Gartens 
und in bezug auf die schwere Architektur des Gebäudes 
hat der Mann recht, nicht so aber in betreffs der 
gärtnerischen Anlage, die in hübsche Abwechslung 
bietende Gruppen geteilt ist, gut situierte Punkte besitzt, 
die einen Überblick über die ganze gelungene Anlage 
gewähren und verdient somit diese Anlage keinen Tadel. 
Die Lage des Malergewerbes in Linz. Aus Maler 
kreisen erhalten wir folgende Zuschrift: Das Malergewerbe 
in Linz 1905 und auch bis jetzt anfangs Oktober 1906 
befindet sich in sehr drückender Lage. Arbeit wäre vor 
handen, auch annehmbare Preise wären zu erzielen, wenn 
nicht die Preisschleuder ei noch immer blühte und 
daher lähmend auf das ganze Geschäft einwirkte. Es sind 
nicht etwa Gewerbetreibende, welche mangels guter 
Schulbildung die Selbstkosten der Arbeit nicht ver 
rechnen können, sondern Gewerbetreibende mit guter 
Schulbildung, die genau wissen, daß sie mit ihren Preisen 
kaum die Selbstkosten decken können, sie schleudern 
und unterbieten ihre Kollegen lediglich deshalb, um einen 
möglichst großen Geschäftsumsatz zu erreichen. So 
wurden beispielsweise bei einer Offertverhandlung betreffs 
Anstrich und Malerarbeiten für einen Schulbau in einem 
Provinzorte Oberösterreichs Preise von 2400 Kronen bis 
herab auf 1600 Kronen abgegeben. Für das letzte An 
gebot wurde die Arbeit übertragen. Wir gratulieren dem 
Ersteher derselben, er hätte besser getan, sich für die 
Summe seines Verlustes in einem Kaltwasser-Kurorte zu 
vergnügen. 
Schmutzerei. Welche Verkürzung sich Geschäftsleute 
von Bauherren heutzutage gefallen lassen müssen, davon 
hatte man früher nicht die geringste Ahnung. Ein der- 
maliger Bauherr ist nämlich so kulant, Verdienstausweise 
an Gewerbetreibende des Samstags nur dann auszuzahlen, 
wenn der Gewerbetreibende sich gefallen läßt, von der 
Summe 5 Prozent Kassaskonto sich abziehen zu lassen. 
Schwindel. In unserer Hauptstadt trieb sich ein Agent 
herum, der fein ziselierte Türklinkenmuster, die in einer 
Mannheimer Fabrik gefertigt sein sollen, vorzeigte und zu 
Bestellungen einlud. Ein hiesiger Maurermeister ließ sich 
eine solche Garnitur mit Nachnahme kommen und bei 
Eröffnung des Pakets fand er, daß darin ganz ordinäre 
Türdrücker enthalten waren, die er auch in Linz für die
	        
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