Volltext: X. Jahrgang, 1905 (X. JG., 1905)

Seite 206. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 24. 
im Wesentlichen eine Frage des Baugrundes. Die Kosten 
für die Errichtung eines Arbeiterwohnhauses sind, wenn 
man vom Luxus «absieht, überall ziemlich gleich. Der 
Bodenwert steht aber im Verhältnis zum Bau immer zu 
hoch und es nützt daher nichts, über die ganze Frage 
zu diskutieren, wenn nicht vorher Mittel ausfindig ge¬ 
macht werden, dem hohen Preis der Baugründe entgegen 
zu treten. Wenn es das öffentliche Wohl erfordert, so 
muß auch der Grundsatz festgestellt werden, daß Grund 
und Boden kein S p e k u 1 a t i o n s o b j e k t sein dürfen, 
wie es heutzutage der Fall ist. — Man expropriiert für 
das öffentliche Wohl Ländereien zur Anlage von Eisen¬ 
bahnen, Kanälen etc., warum nicht auch zur Errichtung 
von gesunden, billigen Wohnungen für den Arbeiterstand. 
Warum soll und muß denn die Steigerung des Bau¬ 
grundpreises wenigen Spekulanten in der Nähe der Stadt 
allein zugute kommen, während die gesamte Bevölkerung 
dauernd dadurch weit höher belastet wird, wie durch 
eine noch so hohe Steuer. G. W. z. 
Zur Geschichte der öffentlichen Be¬ 
leuchtung. 
ii. 
Am Ende des 17. Jahrhunderts wurde Paris mit 
6500 Laternen erleuchtet, weiche für die Nacht 1625 
Pfund Kerzen verbrauchten. Jede Laterne war mit dem 
Zeichen eines Hahnes, dem Sinnbilde der Wachsamkeit, 
versehen; mit Einbruch der Nacht gab ein Mann mit 
einer Klingel das Signal, nach dessen Abgabe die be¬ 
treffenden Bürger die Laterne, welche an ihrem Hause 
hing, herunterlassen und anzünden mußten; die Kerzen 
brannten zu dieser Zeit bis 2 Uhr morgens. 
Die Pariser Bourgeoisie hatte bis dahin die Kosten 
für die Reinigung und Erleuchtung der Straßen mittelst 
einer Steuer von jährlich 300.000 Livres gedeckt; als 
Ludwig XIV. im Jahre 1704 während des spanischen 
Erbfolgekrieges durchaus Geld nötig hatte, schlug er 
den Parisern vor, ihm ein Kapital von 5,400.000 Livres 
(das Achtzehnfache der Steuer) zu verschaffen, wogegen 
das Königtum sich durch einen förmlichen, ewigen und 
unwiderruflichen Kontrakt verpflichtete, die Stadt zu 
reinigen und zu erleuchten. Das Geschäft kam wirklich 
zum Abschluß. Der Bourgeoisie wurde behufs der Er¬ 
langung der Zinsen des dem Könige überwiesenen 
Kapitales gestattet, die Abgabe auf die Mieter abzu¬ 
wälzen. 
Im Jahre 1709 konnte eine ordnungsmäßige Er¬ 
leuchtung nicht beschafft werden; Vieh war so selten, 
daß man den dazu gehörigen Talg nicht erlangen konnte. 
Mit dieser ungenügenden Art der Erleuchtung, wobei 
mehr als die Hälfte der Straßen im Dunklen blieb, behalf 
man sich bis zum Jahre 1766, wo die ersten Reverberen 
aufgestellt wurden, auf welche dem Abbe Matherot de 
Preigney und Bourgeois von Ohäteau-Blanc am 28. De¬ 
zember 1745 Patente erteilt wurden. Talgkerzen wurden 
durch Öllampen ersetzt und ein Reflektor vergrößerte 
das Beleuchtungsgebiet der Lampe. Die alten Laternen, 
deren sich 8000 in Paris und den Vorstädten befanden, 
wurden durch 1200 Reverberen (etwa Spiegellampen) 
ersetzt. 
Mit dem Reverbere glaubte man das Nonplusultra 
erreicht zu haben und spottete über die Laternen, wie 
wir über die Reverberen spotten. Die Reverberen wurden 
das ganze Jahr über angezündet, jedoch bei Vollmond 
nicht. Einige Jahre vor der großen Revolution jedoch 
ließ man auch bei Vollmond wenigstens die Hälfte der 
Reverberen brennen. Übrigens betrieben die Laternen¬ 
träger (porte-falots) nach wie vor ihr Geschäft bis in die 
erste Zeit unseres Jahrhunderts. 
Während der ganzen Dauer der Revolution be¬ 
schäftigte man sich so gut wie gar nicht mit der Be¬ 
leuchtungsfrage. Im ganzen lieferten auch die Reverberen 
nur ein schwaches und trübes Licht, ihre Lampen, mit 
dem gewöhnlichsten Docht versehen, waren von der 
Privatindustrie überflügelt. Der Genfer Aime Argand 
hatte bereits seine Lampe erfunden und am 5. Jänner 1787 
vom Parlament Patente auf dieselbe erhalten; die neue 
Erfindung machte Glück. Im Jahre 1821 wurden auf 
Anregung eines Lampisten namens Vivien die sämtlichen 
Reverberen nach Argands Prinzip eingerichtet. 
Dies war die letzte Veränderung, welche mit den 
Öllampen vorgenommen wurde; so hatten sie die Kon¬ 
kurrenz mit dem Leuchtgase zu bestehen. 
Am Schlüße der Regierung Louis Philipps waren 
noch 2608 Reverberen mit 5880 Brennern neben 8600 
Gaslaternen vorhanden. 
Nach diesen Bemerkungen über die älteren Be¬ 
leuchtungsarten wenden wir uns zu der jetzt vorzugs¬ 
weise herrschenden, der Gasbeleuchtung. 
Die Segnungen des Leuchtgases mit allen seinen 
Wirkungen verdankt man unzweifelhaft einem Franzosen 
namens Philippe Le Bon, geboren am 29. Mai 1767, unfern 
Joinville, in der Champagne. Derselbe studierte, 30 Jahre 
alt, Mechanik an der „Ecole des ponts et chausseea“ zu 
Paris und machte hier Versuche über die Natur der bei 
der Verbrennung des Holzes sich entwickelnden Gase. 
Dabei entdeckte er sofort das Prinzip, auf welchem die 
Darstellung des Leuchtgases beruht, indem er Holz in 
einem verschlossenen Gefäß verbrannte und die sich 
entwickelnden luftförmigen Stoffe durch ein mit Wasser 
gefülltes Gefäß leitete, in dessen Inhalt sich die brenz¬ 
lichen ammoniakalischen Bestandteile jener Stoffe sich 
verdichteten, während daraus ein Gas emporstieg, das 
mit intensiver Schnelligkeit und Hitze verbrannte. Le 
Bon nahm am 28. September 1799 ein Erfindungspatent 
auf neue Mittel, die Brennstoffe sowohl für Erleuchtung 
als für Heizung nützlich zu verwenden und die ver¬ 
schiedenen Produkte dabei aufzufangen. Als Brennstoffe 
bezeichnete er Holz und Steinkohle. Zwei Jahre später, 
am 25. August 1801, suchte er um Ausdehnung des 
Patentes auf die Konstruktion von Maschinen nach, 
welche mit der Expansivkraft des Gases betrieben 
werden. 
Dies ist das Prinzip der heute so vielfach an¬ 
gewandten Gasmotoren. Er beschäftigte sich mit der 
Konstruktion von Gasapparaten, die er Thermolampen 
nannte, in denen er gleichzeitig Hitze und Licht durch 
die Verbrennung des Gases nutzbar machen wollte. Er 
machte auch öffentliche Versuche im großen, mit voll¬ 
ständiger Beleuchtung von Zimmern, Höfen, Gärten, wobei 
nach den damaligen Veröffentlichungen Tausende von 
Lichtpunkten die Form von Rosetten, Garben und 
Blumen darstellten. Ganz Paris war erstaunt und der 
an den Marineminister erstattete amtliche Bericht er¬ 
klärte, daß die Ergebnisse die Hoffnungen der Freunde 
der Wissenschaften und Künste übertroffen hätten. • 
Was übrigens den Marineminister, wie den ersten 
Konsul, den nachherigen Kaiser Napoleon I. am meisten
	        
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