Volltext: X. Jahrgang, 1905 (X. JG., 1905)

Seite 120. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 13. 
Weise vorkam, da in Italien dergleichen sogar in den 
Kirchen gehalten wurden. Allmählig fand man sich ver¬ 
anlaßt, wegen dieser Sorglosigkeit den Gebrauch von 
Licht bei gewissen Arbeiten, wie beim Wollekämmen, 
Flachs- und Hanfbrechen etc. direkt zu verbieten. Auch 
begann man zeitig, für den Fall einer ausbrechenden 
Feuersbrunst, gewisse Handwerker zum Herbeischaffen 
von Wasser zu verpflichten, wie in Mailand die Bötticher 
oder Küfer und andere, samt ihren Gesellen zur Lösch¬ 
arbeit zu bestellen; wie z. B. in Regensburg die Bier¬ 
brauer, Bäcker, Zimmerleute, Fleischhauer etc. 
Indessen gewann alles erst dann eine bessere Ge¬ 
stalt, als man wirklich anfing, spezielle baupolizeiliche 
Vorschriften zu erteilen, so z. B. die in Marseille, 
Florenz, Mailand und Regensburg vorkommende Be¬ 
stimmung, daß die Straßen nicht durch bauliche Anlagen, 
wie Erker u. dgl. verengt und verdunkelt werden und 
namentlich Kaufhallen und Handwerkerbänke, denen 
man damals meistens die Gestalt eines bedeckten Vor¬ 
baues auf den Straßen gab, nur von einer festgesetzten 
Breite sein sollten. Hier und da ging man schon einen 
Schritt weiter und verbot, um die Belästigung der Nach¬ 
barn und der Vorübergehenden zu vermeiden, die Aus¬ 
leitung von Rauchfängen und Ofenröhren in bedeckte 
Gänge und auf sehr gangbare Straßen; was z. B. in 
Bologna schon im dreizehnten Jahrhundert geschah, ob 
man gleich in dieser Stadt erst damals begann, feste 
Keller zur Aufbewahrung von Lebensmitteln anzulegen. 
Größere Ordnung kam freilich in diese Verhältnisse erst 
dann, als sich seit dem vierzehnten Jahrhundert in allen 
Städten gemeinnützige Gebäude für gewerbliche Ver¬ 
hältnisse, Kaufhäuser, Hallen, Zunftgebäude, Rathäuser, 
Amtswohnungen u. s. w. zu erheben begannen. Nicht 
unbemerkt mag hier bleiben, daß größere Bauunter¬ 
nehmungen während des Mittelalters namentlich dann in 
Schwung kamen als der Handel mit Holz, Mauersteinen 
und Dachziegeln nicht nur in Frankreich und Italien, 
wie z. B. zu Marseille und Bologna, sondern auch in 
mehreren deutschen Städten, wie unter andern zu 
Regensburg, durch besondere gesetzliche Anordnungen 
geregelt ward. In Bologna wurde die Länge, Breite 
und Dicke der Bausteine ausdrücklich vorgeschrieben; 
ebenso in Marseille, wo man gleichzeitig Vorkehrungen 
gegen die Überteuerung beim Verkauf des Bau- und 
Nutzholzes traf. Nicht weniger war in Regensburg fest¬ 
gesetzt, daß keine Aufkäuferei mit Holz statthaben, 
sondern die Bürger dergleichen unmittelbar vom Land¬ 
manne kaufen und die Gewerbleute, die viel Holz nötig 
hätten, wie Zimmerleute, Bäcker und Bierbrauer, Vor¬ 
räte davon nur für ihren eignen Bedarf kaufen sollten. 
Auch manche andere Vorschriften gehören noch hierher; 
wie z. B. daß in Verona schon im dreizehnten Jahr¬ 
hunderte der Arbeitslohn für die Zimmerleute und Maurer 
während des Frühjahrs und Sommers gesetzlich vorge¬ 
schrieben ward und anderwärts, wie z. B. in Pistoja, für 
deren Arbeit nach Verschiedenheit der Jahreszeiten be¬ 
sondere Abstufungen im täglichen Lohne Platz griffen. 
In letzterer Beziehung folgte man dabei nur dem 
allgemeinen Geiste des Mittelalters, welcher sich ganz 
und gar zu der Selbstgesetzgebung der Korporationen 
hinneigte, oder vielmehr eben darin den Mittelpunkt 
seines Wirkens fand. Nirgends sprach sich dies be¬ 
stimmter aus, als in Deutschland und wenn hier die 
inneren Verhältnisse der Bauhandwerker unter einander 
selbst vor dem siebzehnten Jahrhunderte höchst selten 
oder gar nicht durch direkte obrigkeitliche Anordnungen 
reguliert wurden, so lag der Grund bloß darin, daß diese 
Gewerbegenossen aus eigenem Antriebe und eigener 
Machtvollkommenheit statutarische Vorschriften für sich 
feststellten, welche Jahrhunderte lang weit strenger be¬ 
obachtet wurden, als dies mit irgend einem obrigkeitlichen 
Gesetz der Fall gewesen sein würde. 
Da dieses Verhältnis namentlich bei den Maurern 
und Steinmetzen in hervorragender Weise stattfand, 
so wollen wir hierüber wenigstens noch einige Worte 
bemerken. 
In den ersten Zeiten des Mittelalters ging alle Kunst 
von den Klöstern aus und ward nur durch Klosterbrüder 
weiter verbreitet. Dadurch kamen Religion und Kunst 
damals in so enge Verbindung. Am frühesten zeigte 
sich dies in Gallien und Britannien und jeder Schritt 
vorwärts in der Verbreitung des Christentums trat da¬ 
mit in Einklang. Bischöfe und Äbte standen als Meister 
voran bei Angabe und Ausführung von Bauwerken 
unterstützt von den Klosterbrüdern, welche die einzelnen 
Arbeiten dabei selbst übernahmen. Wurde es verlangt, 
so wanderten die Klosterbrüder aus einem Lande in das 
andere, um bei der Errichtung von Kirchen und der¬ 
gleichen tätige Hilfe zu leisten. So auch in Deutschland. 
Im Kloster Fulda taten sich zwei Äbte, EgiJ und 
Rabenus Maurus durch ihre Entwürfe zu Gebäuden be¬ 
sonders hervor und letzterer namentlich bildete mehrere 
Schüler, unter denen Rachlof vorzugsweise gerühmt wird. 
Ebenso zeichnete sich im zehnten Jahrhunderte in 
St. Gallen der Mönch Tutilo aus, der auch als Schrift¬ 
steller über Bau- und Malerkunst bekannt ist. Ein 
gleiches geschah von einzelnen Klosterleuten zu Tegern¬ 
see, Constanz, Weingarten, Lorch etc. Bei beträchtlichen 
Werken, die eine große Anzahl Arbeiten verlangten, 
vermochten die Mönche nicht, diese Arbeit allein durch¬ 
zuführen, sie riefen daher Laien zu Hilfe. Hierdurch 
wurden letztere nicht nur mit der Kunst bekannt 
sondern strebten auch bald darnach, sich höhere Kennt¬ 
nisse darin zu erwerben und in deren Geheimnisse ein¬ 
zudringen. Die Erfüllung dieses Wunsches wurde ihnen 
allmählig dadurch erleichtert, daß zunehmende Ver¬ 
weichlichung die Mönche vom anfänglichen fleißigen 
Studium der Kunst mehr und mehr ab führte. Weil aber 
die kunsterfahrenen Laien es bald für notwendig er¬ 
kannten, bei den praktischen Kunstleistungen, welche 
seitdem ihnen und nicht mehr den verdorbenen Mönchen 
übertragen wurden, in geistiger Gemeinschaft zu wirken, 
so vereinigten sie sich in allerlei Brüderschaften und 
Bauvereine. 
In England entstanden diese Vereine zuerst; denn 
hier ward in der Stadt York eine große Maurerbehörde 
gegründet, welche im Jahre 926 eine feste Konstitution 
durch ein eigenes Statut erhielt. In Italien entstanden 
die Baubrüderschaften zu Siena und Orvieto und an der 
Spitze der letzteren stand ein Deutscher, Namens Peter 
Johannes. Bald folgte in Deutschland ein ähnlicher 
Verein oder eine sogenannte Bauhütte zu Straßburg. 
Die Kunstgeheimnisse wurden sorgfältig unter den Ge¬ 
nossen bewahrt und im Jahre 1459 wurden zu Regens¬ 
burg Statuten der allgemeinen deutschen Baubrüderschaft 
entworfen, welche im Jahre 1488 zu Straßburg von 
Kaiser Maximilian gesetzliche Bestätigung erhielten. 
Unter diesen Umständen darf man sich nicht wundern, 
daß direkte obrigkeitliche Anordnungen von größerem
	        
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