Volltext: VIII. Jahrgang, 1903 (VIII. JG., 1903)

Nr. 12. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 93 
leistet oder die vereinbarte Vergütung übersteige „offen¬ 
bar die übliche Vergütung in erheblichem Masse“. In 
letzterem Falle kann jeder Beteiligte verlangen, dass der 
übliche Preis zugrunde gelegt werde. Alle diese Streit¬ 
punkte müssen im Prozesswege ausgefochten werden. 
Ich komme schliesslich noch zu einem wichtigen 
Punkte c der Baugelderhypothek. 
Wer das Geld zum Bauen hergibt, verlangt hypo¬ 
thekarische Sicherheit. Er will aber nicht hinter die 
Bauhypothek zurücktreten, weil seine Gelder ja gerade 
zur Befriedigung der Baugläubiger hingegeben werden. 
Anderseits kann aber den Baugeldern ein Vorgang vor 
der Hypothek der Baugläubiger doch nur dann gewährt 
werden, wenn die Baugelder auch wirklich zur Befriedi¬ 
gung der Baugläubiger verwendet werden. Um diesen 
divergierenden Interessen gerecht zu werden, bestimmt 
der Entwurf, dass die Baugelderhypothek, obschon sie 
erst nach dem Bauvermerk eingetragen wird, doch der 
Bauhypothek im Range Vorgehen soll, jedoch nur um 
den Betrag derjenigen Baugelderzahlungen, die auch 
wirklich zur Befriedigung von Baugläubigern verwandt, 
also entweder vom Baugeldgeber selbst an die Bau¬ 
gläubiger gezahlt oder an den Eigentümer in Höhe 
einer von ihm getilgten Bauforderung gezahlt sind. Der 
Baugeldgeber muss also darauf gefasst sein, den Nach¬ 
weis zu führen, dass die von ihm hergegebenen Gelder 
von ihm oder vom Eigentümer auch wirklich zur Tilgung 
der Bauforderungen verwandt sind. Sonst ist seine Hypo¬ 
thek, soweit er diesen Beweis nicht erbringen kann, un¬ 
wirksam, hat wenigstens keinen Vorrang vor der Bau¬ 
hypothek. 
Gegen diese, auch schon im früheren Entwürfe ent¬ 
haltene Bestimmung haben namentlich die Hypotheken¬ 
banken entschieden Widerspruch erhoben. Sie haben aus¬ 
geführt, dass es ihnen unmöglich sein würde, Baugelder 
herzugeben, weil ihnen eine Kontrolle über die Verwendung 
der Baugelder aufgelegt werde, die sie nicht übernehmen 
könnten. Auch für Private, die Baugelder hergeben, 
würde eine solche Kontrolle mindestens sehr lästig und 
die ganze Bestimmung nicht ungefährlich sein. 
Die Motive des Entwurfs verkennen nun nicht, dass, 
wenn den Hypothekenbanken und ähnlichen Instituten 
die Hergabe von Baugeldern unmöglich gemacht werde, 
das Baugeschäft in erheblichem Masse beeinträchtigt 
werden und ein Gesetzentwurf, der diese Folge hätte, 
unannehmbar sein würde. Die Verfasser des Entwurfs 
glauben aber auf die bestimmungsgemässe Verwendung 
als Bedingung des Vorrangs der Baugelderhypotk nicht 
verzichten zu dürfen, weil dadurch allein das gesetzliche 
Ziel einer Sicherung der Baugelder für die Baugläubiger 
zu erreichen sei. Sie glauben eine genügende Abhilfe 
durch die Einführung des Instituts der Treuhänder ge¬ 
schaffen zu haben. 
Der Baugeldgeber kann nämlich beim Amtsgerichte 
die Bestellung eines Treuhänders auf seine Kosten be¬ 
antragen und durch dessen Vermittlung die Auszahlung 
der Baugelder leisten. Dann sollen alle durch den Treu¬ 
händer vermittelten und in beglaubigter Form dem Amts¬ 
gerichte von ihm bescheinigten Zahlungen von Baugeldern 
den Vorrang vor der Hypothek haben. Der Baugeldgeber 
muss aber durch Anschlag auf dem Bau bekannt machen, 
dass er durch, Vermittlung des Treuhänders Zahlung 
leisten w^erde. 
Der Baugeldgeber, bezw. der Treuhänder, darf dem¬ 
nach die Baugelder nur zur Befriedigung von Bau¬ 
gläubigern zahlen. Er ist aber nicht verpflichtet, auf 
eine gleichmässige Befriedigung der einzelnen Bau¬ 
gläubiger zu halten, was ja auch in den meisten Fällen 
nicht ausführbar sein würde, da ja die Bauforderungen 
nicht gleichzeitig entstehen, der eine Baugläubiger früher, 
der andere später leistet. Er kann sich vielmehr die zu 
befriedigenden Baugläubiger nach freiem Belieben aus¬ 
wählen, so dass er einzelne begünstigen, andere ganz 
von der Verteilung der Baugelder ausschliessen kann, ein 
nicht unbedenkliches Resultat. Im Entwürfe A ist der 
Willkür keine Schranke gesetzt. Im Entwürfe B ist zur 
Abschwächung dieser willkürlichen Auswahlvorgeschlagen, 
dass der Baugeldgeber nur vier Fünftel der Baugelder ver¬ 
teilen, ein Fünftel aber bis zu dem Ablauf einer zwei¬ 
wöchigen Frist nach Vollendung des Baues zurückhalten 
muss. Erhebt innerhalb dieser Frist ein Baugläubiger 
Widerspruch, so muss dies Fünftel hinterlegt und gleich- 
mässig verteilt werden. Wenn die Baugelderhypothek 
zwei Drittel der Baukosten beträgt, so würde er nach 
der in den Motiven enthaltenen Berechnung wenigstens 
2/7 seiner Forderung erhalten. 
Das sind die wesentlichen Bestimmungen der neuen 
Entwürfe. Es ist nicht zu leugnen, dass das ganze Ver¬ 
fahren trotz mehrfacher Vereinfachungen und Verbesse¬ 
rungen doch noch ein recht kompliziertes, weitläufiges 
und kostspieliges geblieben ist. 
Ob das schwierige Problem der Sicherung der Bau¬ 
forderungen wirklich befriedigend gelöst, ob namentlich 
den Bauhandwerkern ein wirksamer Schutz gegen Ueber- 
vorteilung und Schwindel gewährt ist, wird sich erst in 
der Praxis heraussteilen. Aber der Befürchtung habe ich 
mich nicht entschlagen können, dass das Gesetz in seiner 
gegenwärtigen Gestalt auf die Bautätigkeit nachteilig ein¬ 
wirken, dass es das solide Baugeschäft, namentlich auch 
der kleineren Unternehmer, hemmen und schädigen wird 
und dass vielleicht ein Mangel an kleinen und billigeren 
Wohnungen in den Neubaubezirken die Folge sein wird. 
Die bedenklichsten Bestimmungen, welche mir eine 
unbedingte Zustimmung nicht rätlich erscheinen lassen, 
sind hauptsächlich folgende: 
Zuerst die Differenzkaution, die nur in barem Gelde 
oder in mündelsicheren Wertpapieren zu bestellen ist. 
Allerdings ist sie überhaupt nur dann zu leisten, wenn 
der Baustellenwert geringer ist als die Summe der ein¬ 
getragenen Hypotheken. Abei" man denke nur an den 
Fall, dass ein grösseres, mit Hypotheken an sich gar 
nicht überlastetes Grundstück in mehrere Bauplätze zer¬ 
legt und nur ein Bauplatz, auf dem ja die gesamten 
Hypotheken rühen, bebaut werden soll. Dann werden 
die Hypotheken den Baustellenwert ganz erheblich über¬ 
steigen. Oder wenn auf einem mit mehreren Gebäuden 
besetzten Grundstücke ein einzelnes Gebäude abgebrannt 
ist und wieder aufgebaut werden soll. Die Hypotheken 
ruhen ja im vollen Betrage auf jedem einzelnen Teile 
und Gebäude des Grundstückes und werden durch die 
Brandentschädigungsgelder eines einzelnen Gebäudes 
nicht gedeckt. In diesen Fällen würde die Differenz¬ 
kaution eine recht hohe Summe erfordern. 
Dazu kommt das Fehlen aller Vorschriften über die 
Feststellung des Baustellenwertes. Bevor hierüber nicht 
Klarheit herrscht, wird man ein abschliessendes Urteil 
über den Entwurf nicht abgeben können. Keinesfalls 
dürfen diese Vorschriften der landesherrlichen Verordnung 
überlassen werden. 
Die Vorschriften über die Offenlegung der Bauverträge
	        
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