Volltext: VIII. Jahrgang, 1903 (VIII. JG., 1903)

Seite 82. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Nr. 11. 
man bedenkt, dass die Kritiker zumeist ältere Privat¬ 
personen waren, die einen grossen Teil des Tages im 
Volksgarten zu promenieren pflegen und denen der Bau 
des Saalgebäudes ein willkommenes Objekt bildete, ihr 
zweifelhaftes Kunstverständnis anderen Gartenbesuchern 
aufzudrängen. Nun, da das Gebäudd fertiggestellt ist und 
die Kritiker verstummt sind,, tritt an uns die Pflicht 
heran, ein fachliches Urteil abzugeben, was wir von dem 
neuen Saalgebäude zu halten haben und inwiefern das¬ 
selbe geeignet sei, den Anforderungen der Neuzeit so¬ 
wohl in künstlerischer als in praktischer Beziehung zu 
entsprechen. Wie wir aus vorstehender perspektivischer 
Zeichnung ersehen, macht das Gebäude auf den Kenner 
einen vorteilhaften Eindruck, denn es ist kein schwäch¬ 
liches Produkt, sondern gleicht einem soliden Steinbau, 
der durch seine unterschiedlichen Höhenverhältnisse, 
sowie durch seine dekorative Ausschmückung eine 
hübsche Abwechslung bietet und doch den Charakter 
der Monumentalität an sich trägt, was einem Kommunal¬ 
gebäude, sei es zumeist auch nur für Erheiterungszwecke 
bestimmt, am besten ansteht. 
Vollständig gelungen ist die Anordnung der inneren 
Räume, sowohl in der Zusammengehörigkeit als in den 
Massverhältnissen, was selbst der Wiener Baurat Fellner, 
dem das Projekt vor Inangriffnahme des Baues zur 
Prüfung vorgelegt wurde, vollends bestätigte. Die Er¬ 
klärung der eingeschriebenen Zahlen unter den Grund¬ 
risszeichnungen überheben uns, über die Disposition der 
Räume näheres mitzuteilen. 
Was die dekorative Ausstattung derselben anbelangt, 
so wurde mit den bescheidenen Mitteln, die dafür zu 
Gebote standen, das Bestmöglichste geleistet. Der Haupt¬ 
saal ist in Weiss gehalten und macht auf den Besucher 
einen freundlichen eleganten Eindruck. Zur Belebung 
der Decke wurden Medaillon-Porträts in RembrandPscher 
Manier angebracht und die Wandflächen mit hübschen 
Stukkaturen versehen. Elegant und zweckmässig sind 
auch die übrigen Räume dekoriert und eingerichtet, auch 
wurde die elektrische Beleuchtung, die Zentralheizung 
und die Y\ asserversorgung im ganzen Gebäude zur An¬ 
lage gebracht. Wir haben nur noch die Raumverhältnisse 
einzelner Lokalitäten anzuführen, und zwar besitzt der 
grosse Saal im Parterre an Fassungsraum bei Konzerten 
an Tischen 600 Personen, bei Sesselkonzerten 800 Sitz¬ 
plätze, 200 Stehplätze, auf der Galerie bei Konzerten an 
Tischen 200 Personen an der Stirnseite und 100 Personen 
auf Sesseln an den Langseiten, bei Sesselkonzerten 300 
Sitzplätze, 200 Stehplätze. Werden die Räume des Kunst¬ 
vereines mitbenützt, so vermehren sich die Sesselsitz¬ 
plätze bei Konzerten um 120, die Stehplätze um 100, 
an den Tischen Fassungsraum 120 Personen. Der 
Fassungsraum des Speisesaales im Parterre beträgt 150 
Personen, auf der Galerie an Tischen 40 Personen. Die 
Terrasse fasst 300 Personen an Tischen. — Schliesslich 
haben wir noch bekannt zu geben, dass die verbaute 
Fläche der Bauanlage 1950 Quadratmeter beträgt und 
dass man über die Akustik des neuen Konzertsaales bis 
dato noch kein richtiges Urteil abgeben kann. Alles in 
allem hat das Stadtbauamt bewiesen, dass es auch für 
Vergnügungs- und Versammlungszwecke Bauwerke zu 
schaffen vermag, denen man sowohl in ästhetischer wie 
praktischer Beziehung die Anerkennung nicht versagen 
kann. 
Die Herstellung des Baues hat die „Ob er öster¬ 
reichische Baugesellschaft“ übernommen und in 
gewohnter Weise korrekt und solid ausgeführt. Sämt¬ 
liche Gewerbetreibenden, die beim Bau tätig waren, 
haben schöne gediegene Arbeiten geliefert, was namentlich 
von den schwungvollen Bildhauerarbeiten gesagt werden 
muss. Kornhoffier. 
Wie Acetylen-Explosionen entstehen. 
Die über Explosionen von Acetylen-Apparaten be¬ 
kannt werdenden Mitteilungen haben bis jetzt in fast 
keinem Falle eine wirklich erschöpfende, sachverständige 
Darstellung des betreffenden Vorfalles enthalten, weshalb 
der Fernerstehende sich niemals ein apodiktisches Urteil 
darüber zu bilden vermag, wem die Schuld beizumessen 
ist, oder ob überhaupt ein Verschulden seitens des Be¬ 
dienungspersonals vorliegt. 
Fast immer müssen wir hören: „Der den Apparat 
enthaltende Raum wurde mit offenem Lichte betreten.“ 
Diese trockene Erklärung der Unfälle erscheint mir nicht 
allein durchaus ungenügend und von wenig Gründlich¬ 
keit zeugend, sondern sie birgt auch die Gefahr eines 
Einlullens leichtsinniger Fabrikanten und Installateure in 
sich, die bei einem Unfälle ihre Schleuderarbeit mit diesem 
Hinweise bemänteln. Sicher haben nach meinen Beob¬ 
achtungen manche der Acetylen-Explosionen gewissen¬ 
lose oder unfähige Fabrikanten oder Installateure auf dem 
Gewissen, wofür folgende zwei Fälle ein Beispiel bilden 
mögen. Ein mit voller technischer Beherrschung der 
Materie konstruierter, solid gebauter und sorgfältig in¬ 
stallierter Apparat wird die Gefahrenmöglichkeit selbst 
bei einer zufälligen Unvorsichtigkeit fast vollständig aus- 
schliessen und deshalb ist auch jeder Unfall eines Acetylen- 
Apparates ein Menetekel für den Fabrikanten und In¬ 
stallateur. 
In einem kleinen Orte am Niederrhein hatte ein an¬ 
geblicher Klempnermeister für ein Wirtshaus einen 
Acetylen-Apparat — „eigenen Systems“ natürlich — ge¬ 
baut. Der jedem konstruktiven Verständnis Hohn 
sprechende, in seiner Ausführung höchst mangelhafte 
Apparat ist in einem früheren massiven Pferdestall unter 
der Treppe zu dem offenen Heuboden installiert. Die Tür 
öffnet sich innen, eine Bedienungsvorschrift ist ebenso¬ 
wenig vorhanden wie eine Warnung vor dem Betreten 
des Raumes mit offenem Licht, brennender Pfeife, Zi¬ 
garre etc., auch mündlich wurde diese Warnung nach 
der Behauptung des Besitzers nicht erteilt; auch keine 
Erläuterung des Apparates gegeben. Stroh, Heu, altes 
Gerümpel liegt bunt durcheinander in demselben Raum. 
Infolge der netten Konstruktion und der muster¬ 
haften Arbeit waren Reparaturen ununterbrochen nötig: 
manchmal gab es Licht, manchmal nicht. Trat das letztere 
ein, so begab sich jemand während des vollen Betriebes 
mit einer Laterne oder Lampe in den Apparatraum, 
stocherte in dem Wasserbehälter herum und rüttelte so¬ 
lange an dem Zuflussventil, bis wieder Wasser zum Oarbid 
lief. Der Gasbehälter steht unmittelbar daneben und 
besitzt auch ein Sicherheitsrohr. Dieses ist jedoch nicht 
ins Freie geleitet, sondern es ragt nur etwa 10 cm über 
die Glocke hinaus und mündet in dem Raume direkt 
über dem Gasbehälter 1 Daher Sicherheitsrohr genannt! 
Und dieser Apparat konnte trotz aller Normen, 
Vorschriften und Gesetze installiert, in Funktion gesetzt 
und monatelang benutzt werden, bis die immerwährenden 
Reparaturen dem gutmütigen Wirt zu bunt wurden, er 
elektrisches Licht anlegte und nun die geleistete Be-
	        
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