Volltext: VIII. Jahrgang, 1903 (VIII. JG., 1903)

Nr. 8. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 58. 
Ministeriums des Innern sich der königliche Brand- 
versicherungs-Inspektor E. Hennig entschloss, ein Werk 
zu veröffentlichen, das sich eingehend mit jener Muster¬ 
kolonie von Arbeiterhäusern beschäftigt. Es erscheint 
soeben unter dem Titel „Die Eppehdorfer Arbeiter- und 
Beamtenhäuser“ von E. Hennig (Leipzig, Karl Scholtze, 
Mk. 9.—) und umfasst in einer hübschen Mappe ein 
grosses Uebersichtsblatt, das die ganze Kolonie, idyllisch 
an der Landstrasse von Sayda nach Eppendorf gelegen, 
wiedergibt, ferner 10 in Licht- und Farbendruck ausge¬ 
führte Blätter, die die Häuser einzeln mit den Grund¬ 
rissen darstellen, sowie einen ausführlichen beschreibenden 
Text nebst dem Statut des Vereines. 
Das sehr gut ausgestattete Werk, das dem königlich 
sächsischen Staatsminister Exzellenz v. Metzsch ge¬ 
widmet ist, dürfte nicht nur bei Architekten, sondern 
namentlich bei Behörden, Industriellen, Grossgrund¬ 
besitzern u. s. w. auf rege Beachtung rechnen. 
Unsere Abbildung 1, die in verkleinertem Masstabe 
ein Gebäude aus dem Werke wiedergibt, zeigt ein Eppen- 
dorfer Arbeiterhäus für drei Familien, wie es genannter 
Verein bereits zweimal ausführte. Zwei Wohnungen im 
Erd- und Dachgeschoss bestehen aus je einer Stube von 
16,9 Quadratmeter und je einer Kammer von 12,3 Quadrat¬ 
meter nebst Zubehör, und einer Wohnung aus einer Stube 
von 12,3 Quadratmeter und zwei Kammern von an¬ 
nähernd derselben Grösse nebst Zubehör. Bei der 
grösseren Wohnung sind die Räume auf beide Geschosse 
verteilt und zwar befinden sich Wohnstube, und Küche 
im Erdgeschoss und die beiden Dachkammern im Dach¬ 
geschoss. Für jede Familie ist ein Abort im Treppen¬ 
anbau und der erforderliche Kellerraum vorhanden; die 
Schweineställe und Waschküchen befinden sich in einem 
Nebengebäude. Die Erbauung eines solchen Hauses 
stellte sich inklusive Regieaufwand auf Mk. 9890.—. 
Unsere Abbildung 2 gibt ein Eppendorfer Beamten¬ 
wohnhaus wieder. Im Vordergebäude sind im Erd¬ 
geschoss 2 Wohnräume zu 20 und 16 Quadratmeter und 
eine Schlafkammer zu 15,8 Quadratmeter und im Dach¬ 
geschoss ebenfalls drei Räume von ungefähr denselben 
Grössen mit Zubehör eingebaut. Die Zimmer sind ge¬ 
räumig und haben sowohl eine gute Verbindung unter 
sich, als auch eine bequeme Zugänglichkeit nach dem 
Vorsaal beziehungsweise Vorplatz im Dachgeschoss, 
ebenso ist für Kelleranlagen und ein Nebengebäude 
mit Stall und Schuppen hinter dem Wohnhaus in aus¬ 
reichendem Masse Sorge getragen. 
Das dem Werk beigegebene Statut des Vereines ist 
sehr interessant. Wie aus demselben zu ersehen ist, 
kann Mitglied der Genossenschaft jede bei der Firma be¬ 
schäftigte Person werden, die das 21. Lebensjahr voll¬ 
endet hat. Der Geschäftsanteil jedes Genossen beträgt 
Mk. 30.-—. Das nicht nur architektonisch, sondern auch 
in sozialer Hinsicht wertvolle Werk darf auf eine gute 
Aufnahme rechnen und sei sorgsamer Beachtung emp¬ 
fohlen. W. Z. 
Italienische Ziegelarbeiter. 
Julius von Bük. 
IV. 
Unlängst hat ein Professor in Milano sich auch der 
italienischen Ziegelarbeiter erinnert und sich ersichtlich 
bemüht, seine in einer „Revue“ niedergelegten „Erfah¬ 
rungen und Betrachtungen“ zur Kenntnis der stets sen¬ 
sationsschwangeren deutschen Tagespresse zu bringen. 
Nun ist es ihm auch gelungen, seine Studien in der 
deutschen Tagespresse widerlegt zu finden und ist diese 
Polemik zugunsten und Schaden italienischer Ziegel¬ 
brenner, nichts erklärend oder begründend, nach alter 
Gepflogenheit in vielen Blättern zum Nachdrucke gelangt. 
Besagter Professor Peter Pisani, der sich viel mit 
den Verhältnissen italienischer Arbeiter beschäftigt, hat, 
wie eine Notiz der „Münchner Neuesten Nachrichten“ 
mitteilt, in Nr. 112 der Zeitschrift „Rivista internazionale 
die Scienze Soziale“ in Rom eine Abhandlung über die 
Einwanderung italienischer Arbeiter in Süddeutschland 
veröffentlicht, in welcher auch die Lage der italienischen 
Ziegelbrenner in Bayern erörtert wird. 
Aus den Betrachtungen und Erfahrungen des arbeiter¬ 
freundlichen Professors Will ich nur einiges hervorheben 
und vorausschicken, insbesondere den Umstand, dass der 
Herr Verfasser über die Erwerbsverhältnisse in Ziegelei¬ 
betrieben und deren Arbeiter ersichtlich sehr schlecht 
unterrichtet ist. Er ist des Glaubens, dass nur die Lage 
seiner Landsleute keine glänzende ist und scheint nicht zu 
ahnen, dass der Ziegelarbeiter-Verdienst in allen Ländern 
den Geld- und Erwerbsverhältnissen der einzelnen Länder 
entsprechend im allgemeinen annähernd derselbe ist, wie 
er sich durch die Arbeitsstatistik leicht überzeugen kann. 
So hören wir die Neuigkeit, dass sich in der Um¬ 
gebung von München allein 170 Oefen*) befinden — die 
nicht weniger (?) als 6000 Arbeiter (nur ?) beschäftigen! 
Sie arbeiten von 3 Uhr früh bis 9 Uhr abends — und 
bemerkt der Herr Professor, dass für Kinder in diesem 
Jahre der Arbeitsbeginn auf 5 Uhr morgens festgesetzt 
wurde. (Ja, wo steht denn da der Herr Fabriksinspektor?) 
Wir hören auch, dass sich die Arbeiter ausschliesslich 
von Polenta nähren (Millionen nähren sich von Mais, Reis, 
Weizen, da die Fasanen nicht überall gedeihen) und in 
eine einzige Decke gehüllt und auf Strohsäcken schlafen! 
Er erinnert auch auf seinen Landsmann, den sozialpoli¬ 
tischen Dichter Gallaratie-Scotti, der eine lange Jeremiade 
über die Arbeit der Ziegelarbeiter schrieb, die Monat für 
Monat gleich Sklaven Maschinen bedienen, Lehm graben, 
Ziegel formen und brennen, dabei hungern und dürsten, 
ein billiges Arbeitsfleisch sind, das von gewissenlosen 
Wucherern an gewinnsüchtige Unternehmer verhandelt 
wird! Unser Professor erzählt auch, dass der dichtende 
Sozialpolitiker mit Grimm der seligen Egypter gedenkt, 
welche die braven Juden schon vor 5000 Jahren zum 
Lehmtreten und Ziegelbrennen gepresst haben ! Er ist 
auch in die Kerker hinabgestiegen, wo sie arbeiten, in 
die Höhlen, wo die Unglücklichen schlafen 1 (Also eine 
Art dichtender Gewerbeinspektor ohne Gehalt und Zehr¬ 
gelder.) Schliesslich erklärt unser Ziegelzensor und Cato, 
dass die harmlose Kunst- und Bierstadt München nur ein 
grosser Handelsplatz für billiges italienisches Fleisch ist. 
Auf diese südlichen Uebertreibungen von Herren, 
welche Gewerbe- und Industriearbeiten entweder gar 
nicht oder nur von guter Entfernung kennen, finden wir 
eine Antwort in den verbreiteten „Münchner Neuesten 
Nachrichten“, die von einem dortigen Ziegeleibesitzer als 
Abwehr herzurühren scheint. Es wird festgestellt, dass 
der Monatsverdienst je nach Alter und Leistungsfähigkeit 
*) Ring- oder Kachelofen, Sparherde in den Kellerwirt¬ 
schaften ?
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.