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OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG.
Jahr und länger dem Dienste entzogen sind. Hier liegen
die Verhältnisse für die elektrische Lokomotive erheblich
günstiger. Sie ist nicht den zerstörenden Einflüssen von
Rauch und Dampf ausgesetzt, sie bedarf nicht der fort¬
währenden Nahrungsaufnahme durch Wasser und Kohle,
sie kann frei und ungehindert viele Stunden lang dahin¬
eilen und ist jederzeit zum Dienste bereit. Diese Be¬
trachtung ergibt, dass die elektrische Lokomotive eine
viel grössere nutzbare Jahresleistung besitzt, so dass für
die gleiche Strecke weniger elektrische Lokomotiven
anzuschaffen sind und das in diesen Fahrzeugen investierte
bedeutende Kapital besser ausgenützt wird, als beim
Dampfbetrieb. Da nun die elektrische Lokomotive an
sich viel weniger Erhaltung bedarf, der Tender ganz
entfällt und überdies weniger Lokomotiven gebraucht
werden, so ist es klar, dass sich bei der elektrischen
Traktion die Kosten für Reparatur und Erhaltung der
Lokomotiven und für den Werkstättendienst ganz be¬
deutend niedriger stellen müssen, als beim Dampfbetriebe.
Es handelt sich hier um grosse Beträge, denn die Jahres¬
kosten für Erhaltung der Lokomotiven und Tender be¬
trugen beispielsweise im Jahre 1900 bei den österreichischen
Bahnen 21*3 Millionen Kronen oder sechs Perzent der
gesamten Betriebskosten.
Hier kann also sehr viel erspart werden, ebenso bei
den Auslagen für das Fahrpersonal auf den Lokomotiven.
Heute ist b ekanntlich die Dampflokomotive vom Maschinen¬
führer und Heizer besetzt, welche angesichts der doppelten
Arbeit für Maschine und Kessel unbedingt erforderlich
sind. Die elektrische Lokomotive benötigt aber für die
wenigen Handgriffe nur einen Mann. Sie bietet dem
Personal einen bequemen, geschlossenen Aufenthaltsort,
in dem neben dem Maschinisten als Reserve auch der
Zugsführer, welcher den Fahrdienst gleichfalls erlernen
muss, Platz findet. Auf den italienischen Versuchsbahnen
ist der Dienst bereits so organisiert. Es wird also der
Heizer vollständig erspart. Die Kosten für das Zugs-
förderungs-Personal auf den österreichischen Bahnen
betrugen im Jahre 1900 35*4 Millionen Kronen oder
10 Perzent der gesamten Betriebskosten, welche sich
beim elektrischen Betriebe demnach ganz bedeutend
reduzieren würden.
Man wird die hohe finanzielle Bedeutung, welche
in diesen Darlegungen und Ziffern gelegen ist, zu würdigen
verstehen, wenn man bedenkt, dass die Zugsförderungs¬
kosten, welche beim elektrischen Betrieb sich so be¬
deutend vermindern, im Jahre 1900 fast 35 Perzent der
gesamten — 349 Millionen Kronen betragenden — Be¬
triebsausgaben der österreichischen Eisenbahnen aus¬
machten. Es ist, bevor zuverlässige Erfahrungsresultate
vorliegen, natürlich nicht möglich, den grösseren oder
minderen finanziellen Wert der einzelnen, angeführten
Momente richtig einzuschätzen; man fühlt aber, dass es
nicht allein die Kohlenersparnisse sind, auf welche die
Wirtschaftlichkeit des elektrischen Vollbahnbetriebes sich
stützen soll, dass vielmehr die aus anderen Ursachen
resultierenden finanziellen Vorteile unter Umständen
sogar die Höhe der Kohlenersparnisse erreichen könnten.
Versuche über die Festigkeit von
Schmirgelrädern.
Die Berliner technische Zeitschrift „Der Gross¬
betrieb“ übersandte uns zur Reproduktion nachstehen¬
Nr. 7.
den Aufsatz in der Anhoffnung, dass derselbe auch
unseren technischen Kreisen von Interesse sein dürfte.
In der „Zeitschrift des Vereines Deutscher Ingenieure“
veröffentlicht Professor M. Grübler in Dresden die Resul¬
tate seiner Versuche, welche er anstellte, um die Festig¬
keit von Schmirgel- und Karborundumscheiben zu er¬
mitteln. Der technisch-wissenschaftliche Ausschuss des
„Vereines Deutscher Ingenieure“ hatte angeregt, der¬
artige Versuche anzustellen, um die zulässigen Grenzen
für die Umlaufsgeschwindigkeiten von Schleifsteinen zu
finden und der Verein Deutscher Ingenieure hatte die
Mittel dazu bewilligt. Diese Versuche wurden mit Schleif¬
rädern von je 500 mm Durchmesser, 50 mm Dicke und
50—80 mm lichter Weite der Bohrung vorgenommen;
zehn deutsche und amerikanische Firmen hatten 54
Schmirgelscheiben und 3 Karborundumscheiben zur Ver¬
fügung gestellt.
Professor Grübler teilte die Schleifsteine nach ihrer
Herstellungsweise ein in solche von vegetabilischer
Bindung (gewöhnlich aus Kautschuk bestehend), mine¬
ralischer Bindung (zumeist ein Magnesia-Zement) und
keramische Bindung (schamott- oder porzellanartige
Masse; und die Scheiben sind in Weissglühhitze ge¬
brannt).
Die Zugfestigkeit des Materials war im allgemeinen
am grössten bei den Steinen von vegetabilischer Bindung.
Die absolut grösste Zugfestigkeit von sämtlichen 57 Proben
hatte ein Stein der Firma Naxos-Union (Julius Pfungst)
Frankfurt a. Main, indem dessen Zugfestigkeitszahl = 287
betrug. Welche Unterschiede in den Festigkeitszahlen der
verschiedenen Fabrikate Vorkommen, ist daraus zu ersehen,
dass der vegetabilisch gebundene Stein einer anderen
Firma nur 134*3 Festigkeit hatte. Bei den Steinen von
mineralischer Bindung (Magnesia-Zement) hatte die Firma
Vereinigte Schmirgel- und Maschinenfabriken A.-G.
Hannover-Hainholz die höchste Zugfestigkeitszahl näm¬
lich 189.2. Bei den Schmirgelsteinen von keramischer
Bindung (in Weissglühhitze gebrannt) hatte wiederum
die Firma Naxos-Union (Julius Pfungst) Frankfurt a. M.
die höchste Zugfestigkeitszahl mit 137*2, während die
amerikanischen Schmirgelsteine von keramischer Bindung
(der Firma Norton Emery Wheel Oy., Worcester, U. S. A.)
nur die Zugfestigkeitszahl von 97*4 hatten. Dieses letztere
Ergebnis ist von besonderer Wichtigkeit, weil im Publikum
vielfach noch die Ansicht verbreitet ist, dass die Amerikaner¬
scheiben mehr Sicherheit böten als die deutschen.
Die Versuche von Professor Grübler werden jeden¬
falls dazu führen, dass die ministeriellen Vorschriften
über die zu gestattende Höhe der Umlaufsgeschwindig¬
keiten bei Schleifrädern eine Aenderung erfahren. Die
Festigkeit nahezu sämtlicher Fabrikate hat sich als so
bedeutend erwiesen, dass sich eine so einschneidende
Beschränkung, wie sie speziell die preussischen ministeri¬
ellen Vorschriften enthalten, wohl nicht mehr länger be¬
gründen lässt.
Lokale Baunotizen.
Zubau. Die Lebensmittelanstalt der k. k. Staatsbahn¬
angestellten auf der Wiener Reichsstrasse erhält einen
stockhohen Zubau, der vom Baumeister Herrn Gustav
Steinberger zur Ausführung gebracht wird.
Aufbau eines zweiten Stockwerkes. Bekanntlich
hat der hiesige Spenglermeister Herr Paul Papinsky
das ehemalige Steinmetz Homerische Haus auf der Land-