Volltext: VIII. Jahrgang, 1903 (VIII. JG., 1903)

Nr. 6. 
OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 48. 
§ 14. 
Weitere Auskünfte werden bis zur Eröffnung der 
Ausstellung von dem für dieselbe bestimmten Aus¬ 
schüsse erteilt, an den alle diesbezüglichen Anfragen zu 
richten sind. 
Während der Ausstellung wird eine Geschäftsstelle 
im Ausstellungsräume errichtet, in welcher etwaige 
Wünsche und Beschwerden der Aussteller und Besucher 
einzubringen sind. 
Italienische Ziegelarbeiter. 
Julius von Blik. 
II. 
Da der Grundbesitz fehlt, auch die Arbeitsgelegenheit 
mangelt, da nur in gewissen Provinzen eine wirkliche 
Industrie besteht, so ist es leicht erklärlich, dass auch 
heute die „Emigrazione“ wie vor Jahrzehnten besteht 
und jährlich zu Beginn des Frühjahres Hunderttausende 
das Vaterland verlassen, um in irgend einem Teile 
Europas bei grossen Eisenbahn-, Hoch- oder Tief bauten, 
im Baugewerbe einen Erwerb während eines Halbjahres 
zu finden, um daheim im Winter von den Ersparnissen 
mit der Familie leben zu können. Daher diese Flucht 
in das Ausland, da ein sesshafter besitzender Bauern¬ 
stand, eine dauernde Beschäftigung für die grosse Zahl 
der männlichen Bevölkerung fehlt. Jährlich wandern zur 
ständigen „Emigrazione“ gleichfalls Hunderttausende in 
alle Teile der Welt, vornehmlich aber in das romanische 
Südamerika, aus. 
Die ausserordentliche Fertigkeit in Bauarbeiten aller 
Art und daher auch in der rationellen Ziegelerzeugung 
hat sich in Italien von Stamm auf Stamm, von Familie 
auf Familie vererbt. Wollte man eine Geschichte der 
grossen Bauarbeiten, namentlich seit Beginn des Eisen- 
bahnbaues, schreiben, so müssten als ausführende Arbeiter, 
zum grossen Teile auch als Lenker und Leiter an erster 
Stelle die Italiener genannt werden. Es ist ja bekannt, 
dass die erste Bahn des Kontinents 1825 von Neapel 
nach Salerno erbaut wurde. Dann rührte es sich in 
Frankreich, in Italien, dem die österreichischen Staats¬ 
bahnen, in Süd- und Norddeutschland folgten. Wenn 
auch von heimischen, englischen und italienischen Inge¬ 
nieuren trassiert, wurden doch die Erd-, Steinarbeiten, 
die Hochbauten und Streckenbauten von Italienern aus¬ 
geführt. Will man. aus eigenen Erfahrungen sprechen 
aus all den Ländern, wo man selbst Italiener an diesen 
Arbeiten durch vier Jahrzehnte sah, so muss man trotz 
fehlender Arbeiterstatistik nach Nationen feststellen, dass 
sicher Zweidrittel der europäischen Eisenbahnen und 
Wasserstrassen von Italienern aus Oesterreich oder aus 
dem Königreich hergestellt wurden. So wurden alle 
Hauptstrecken der belgischen Bahnen, der österreichischen 
Alpenbahnen, der Staats- und Südbahn von Italienern 
erbaut. So war es mit den Bahnen in Ungarn, in den 
Balkanländern, Frankreich, Spanien, in Afrika und in 
den türkischen Ländern. Man beruft Italiener mit ihren 
Ingenieuren und Werkmeistern in alle Länder und daran 
hat sich wenig geändert. Man findet eben nicht überall 
für diese Arbeiten geschulte Kräfte und gilt dies namentlich 
für die grossangelegten Steinbauten, die aus gemischten 
Baustoffen, als Stein und Ziegel erbauten Hochbauobjekte, 
besonders Brücken und Viadukte. Als man in Wien mit 
dem Bau der grossen Verkehrsanlagen der Stadtbahn, 
Wienfluss- und Donaukanal-Regulierung begann, wurde 
viel von der allgemeinen Arbeitslosigkeit und der Ver¬ 
wendung einheimischer Arbeiter gesprochen und auch 
von einem Verbote des Zuzuges fremder Kräfte gefaselt. 
Hätten die Unternehmer der einzelnen Baulose, Wiener 
Baugesellschaften und bekannte Eisenbahn-Unternehmer, 
auf die Angebote der Wiener, die arbeitslos waren, ge¬ 
wartet — die auch zu diesen Arbeiten keine Lust noch 
Verständnis besitzen —, so hätte man das grosse Werk 
bis heute nicht zustande gebracht. So wurden mehr als 
20.000 Italiener zu diesen schweren, praktische Er¬ 
fahrungen erfordernden Arbeiten berufen, die all die 
Bauten zur vertragspflichtigen Zeit fertig brachten. Und 
mit welchen Schwierigkeiten waren da die Hochbau¬ 
objekte verknüpft und auch bei den Wasserbauten, 
namentlich in der Taucherglocke, konnten nur fach¬ 
gewandte Arbeiter, wie es eben die Italiener sind, ver¬ 
wendet werden. 
Neben Ziegel und Stein hat der italienische Bau¬ 
arbeiter auch in der neuen Bauweise „Beton und Eisen“ 
eine führende Stellung eingenommen. Es ist allbekannt, 
dass die Technik der Herstellung von Stuck, Kunst¬ 
steinen, Zementbauwaren, die Herstellung von Boden¬ 
strich, Makadam, Terrazzo und Steinmosaik aus Italien 
kam. Die bedeutendsten dieser Arbeiten werden stets 
von italienischen Arbeitern ausgeführt und in Frankreich, 
Süddeutschland, Oesterreich-Ungarn, in Afrika, Asien 
und Amerika sind die Unternehmer grösserer Arbeiten 
zumeist Italiener. Hat man auch bereits in allen Ländern 
nationale geschulte Arbeiter, so sind doch die Vorarbeiter> 
Anführer und Werkmeister zumeist Italiener. In Paris 
ist all das, wie auch die glasmusivischen Arbeiten ein 
Monopol italienischer Unternehmer und Arbeiter. Der 
Franzose, besonders aber der Pariser, scheut jede schwere 
Bauarbeit, bei der nur wenig zu verdienen ist. Er braucht 
für den Unterhalt und für Wein sehr viel, deshalb er¬ 
zeugt er nur die gewissen Pariser Artikel, kunstgewerb¬ 
liche Waren oder arbeitet in Fabriksindustrien, die hohe 
Löhne bezahlen, ohne schwere Arbeiten leisten zu müssen. 
Eine besondere Spezialität italienischer Arbeiter ist 
der Tunnelbau. Er ist die schwierigste Bauarbeit, er¬ 
fordert eine ausserordentliche Gesundheit, körperliche 
Anstrengung und Anspannung der Muskeln und Nerven 
infolge der hohen Temperaturen im Bohrraume. Die 
ungeheure Zähigkeit und Ausdauer, ein wahrer Arbeits¬ 
heroismus, der mit einer beispiellosen Nüchternheit und 
Pflichttreue verbunden ist, hat besonders die Italiener 
zu dieser schweren Arbeit geeignet gemacht. Seit dem 
Bau der Semmeringbahn, dem ersten Gebirgsbahnbau in 
Europa, der sich selbst die grössten Hindernisse der 
Trasse geschaffen, um zu zeigen, welche Felsen über¬ 
wunden und durchbohrt werden können, sind beim Bau der 
Gebirgsbahnen und grossen Felsendurchbohrungen stets 
an erster Stelle Italiener gestanden. Dasselbe gilt auch 
von den Unternehmern berühmter Tunnelbauten. Man 
erinnere sich nur an den Cenis-, den Gotthard-, Arlberg- 
und an den Simplon-Durchstich, der in einigen Jahren 
befahrbar wird. 
Auch die Zieglerarbeit wurde von den Italienern 
stets als ein internationales Gewerbe geübt. In manchen 
Ländern und Provinzen haben sie sich als Lehrmeister 
und Vorarbeiter bewährt, und so viele Handstrich- und 
mechanische Ziegeleien vom Süden bis Norden Europas, 
in überseeischen Ländern beschäftigen ausschliesslich 
Italiener, weil eben kein anderes, nur annähernd er¬ 
fahrenes und leistungsfähiges Personal aufgebracht 
werden kann.
	        
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