Volltext: VIII. Jahrgang, 1903 (VIII. JG., 1903)

Seite 2. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITÜJNG. 
Nr. 1 
telegraphen. Die Herstellung eines grossen Teiles der 
Möbel und Einrichtungen wurde von der „Oberösterr. Bau¬ 
gesellschaft“ der bestbekannten Firma J. M. Müller, 
Kunst- und Möbeltischlerei in Linz, übertragen, welche 
diese Arbeiten auch äusserst geschmackvoll und gediegen 
ausführte. 
Üeber die weiteren bemerkenswerten Ausstattungen 
in den Zimmern und anderen Lokalitäten des Hauses 
geben die Abbildungen in unserer heutigen Zeichen¬ 
beilage genügenden Aufschluss und wollen wir vor 
Schluss unseres Berichtes noch einige Worte über die 
äussere Gestaltung des Hauses hier anbringen. 
Was die Fassadenausbildung anbelangt, so erhielt 
dieselbe durch ihre einfache moderne Linienführung, 
sowie durch ihre unaufdringliche Dekorierung aller her¬ 
vorspringenden Teile den Charakter der ruhigen Schön¬ 
heit, was dem Zwecke des Hauses wohl am besten 
entspricht. 
Wir schliessen unseren Bericht mit der Bemerkung, 
dass die Errichtung der neuen Fecht- und Turn¬ 
schule in der Lustenauerstrasse für die Landeshaupt¬ 
stadt Linz eine Errungenschaft bedeutet, die nur der¬ 
jenige ermessen kann, der versteht, dass die körperlichen 
Leibesübungen zu den nötigen Lebensbedingungen ge¬ 
hören, um der Jugend, sowie dem gereiften Manne zu 
einem entschlossenen Auftreten in jeder Lage des 
Lebens zu verhelfen. Kornhoffer. 
Die Kunst des Glockenaufhängens. 
Anlässlich des vor Kurzem stattgehabten Aufhängens 
der sieben Glocken am Turme unseres neuen Mariä 
Empfängnisdomes sendet uns ein Freund unseres Blattes 
nachstehenden interessanten Artikel über die Art und 
Weise, wie Kirchenglocken aufgezogen und befestigt 
werden müssen, um einen ruhigen Gang zu erhalten und 
im Klange nicht behindert zu werden. Der Verfasser des 
Aufsatzes schreibt: 
Die allgemeine Konstruktion und die Befestigung 
des Glockengehäuses, des Glockengerüstes und des 
Glockenrades etc. sind sehr wichtige Punkte, da das 
beste Glockengeläute wenig zu gebrauchen ist, wenn 
es schlecht aufgehängt ist. Die Materialien müssen 
natürlich von bester Qualität sein, das Holzwerk, ge¬ 
wöhnlich Eichenholz, muss gesund und zu gehöriger 
Jahreszeit gefällt sein, die Arbeit daran durchaus tadellos, 
und besondere Aufmerksamkeit sollte den anscheinend 
nebensächlichen Details, die aber Eingeweihten von 
grosser Wichtigkeit sind, geschenkt werden. Vor allen 
Dingen sollte die Arbeit nie einem anderen als einem 
erfahrenen Glockenaufhänger übertragen werden. Der 
Glockengiesser übernimmt allerdings meist auch die 
Arbeit des Aufhängens, aber man sollte ihn stets be¬ 
sonders da heranziehen, wo es sich darum handelt, ein 
ganzes Geläute aufzuhängen. Das Gewicht des Klöppels 
muss stets der besonderen Klasse der Glocken sorg¬ 
fältig angepasst werden. Ein zu leichter Klöppel bringt 
nicht den vollen Ton der Glocke hervor, während ein 
zu schwerer Klöppel diese leicht zersprengen kann. Den 
Glocken angegossene Walzen und Zylinder mögen zwar 
das Ansehen derselben verbessern, sie sind aber nicht 
notwendig, da die Glocken ebenso gut sind und ebenso 
bequem ohne sie aufgehängt werden können nur mit 
Hilfe eines Mittelbolzens durch die Krone. Vier kurze 
starke Walzen (cannons) sind besser als sechs lange 
und, dünne, aber der Bolzen durch die Mitte ist am 
besten, wenn die Glocke gedreht werden soll, um den 
Schlag des Klöppels auf einer anderen Seite zu empfangen. 
Es gibt einige wesentliche Punkte beim Aufhängen der 
Glocken, welche mehr als vorübergehende Beachtung 
finden sollten. Zuerst was die Entfernung anbetrifft 
zwischen dem Glockenrande und dem Mittelpunkt der 
Zapfenlager oder ob die Glocke frei aufgehängt oder in 
das Gerüst hineingezogen wird; zweitens hinsichtlich der 
Grösse des Glockenrades und der Abmessungen der 
Aufhängezapfen, drittens hinsichtlich der Entfernung 
der Mitte dieser Zapfen von der Klöppelkrampe. Eine 
Glocke beobachtet beim Schwingen die dynamischen 
Gesetze eines Kompositions-Pendels und muss deshalb, 
um gehörig zu schwingen, ebenso wie ein solches be¬ 
trachtet werden. Je niedriger eine Glocke aufgehängt 
ist, desto grösser ist die Entfernung zwischen dem 
Mittelpunkt der Aufhängung und dem Ocillations- 
Mittelpunki und desto leichter, aber langsamer kann sie 
zum Schwingen gebracht werden. Im Geläute wird 
eine so aufgehängte 'grosse Glocke mehr Kraft erfordern, 
sie in derselben Zeit zu läuten wie die kleineren, und 
ebenfalls mehr Kraft, sie anzuhalten; ausserdem aber 
übt sie eine grössere Zentrifugalkraft auf das Gehäuse 
aus, als wenn sie etwas in das Gerüst hinaufgezogen 
wird. Wenn eine grosse Glocke in einem passenden 
Gehäuse und starkem Turm gut aufgehängt ist, kann 
sie leichter geläutet werden und wird viel besser klingeiy 
wenn die Entfernung von ihrem Rande bis zur Mitte 
ihrer Zapfenlager drei Viertel ihres Durchmessers ist, 
als wenn sie in das Gerüst hinaufgezogen würde ; aber 
diese proportionale Distanz für grosse Glocken von 
mindestens zwanzig Zentner Gewicht und darüber ist 
nur zulässig, wenn sie allein geläutet werden sollen. 
Diejenigen, welche in einem Geläute geläutet zu werden 
bestimmt sind, müssen zwischen dem Glockenrande und 
der Mitte der Zapfen eine viel geringere Entfernung 
haben. Da nun eine irgend nutzbringende Kraft nur zu 
Anfang des Schwingens einer Glocke geltend zu machen 
ist, und zwar nur durch eine beschränkte Distanz, so 
folgt, dass für schwere Glocken die Räder nicht allzu 
gross sein sollten. Für eine Glocke von P25 Meter 
Durchmesser sind 2-20 Meter Raddurchmesser genügend; 
aber bei kleineren Glocken ist ein grösserer proportio¬ 
naler Durchmesser nicht nachteilig. Die Zapfen für eine 
1-25 Meter Glocke müssen 3'7 Zentimeter bei 5*7 Zenti¬ 
meter Länge erhalten. Gewöhnlich sind sie aber viel 
kürzer als dies Verhältnis besagt und oft im Durch¬ 
messer schwächer und da dann das Gewicht auf eine 
viel kleinere tragende Fläche zusammengedrängt wird, 
wird die Schmiere herausgequetscht; die Reibung wird 
dadurch sehr vermehrt und sowohl Zapfen wie Lager 
werden schnell abgenutzt. Die Entfernung zwischen der 
Zapfenmitte und dem Mittelpunkte des Klöppelbolzens 
muss hinreichend sein, um den nötigen Antrieb zu 
geben, damit der Klöppel der Glocke nachfliegen und 
sie an der hohen Stelle treffen kann, während sie auf¬ 
gehoben wird. Eine Glocke, welche niedrig aufgehängt 
wird, hat stets die genügende Entfernung zwischen den 
Mittelpunkten der Zapfen und der Klöppelkrampe, wäh¬ 
rend andererseits die zulässige Entfernung mehr als 
nötig sein kann. Bei Glocken, die in das Gerüst auf¬ 
gezogen werden, sind zwei Extreme zu vermeiden. 
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