Volltext: VIII. Jahrgang, 1903 (VIII. JG., 1903)

Seite 36. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAU ZEIT UNO. 
Nr. 5. 
tun des Personals abspielt. Nur an den grossen Zeigern 
der Instrumente merkt der Kundige, dass eben viele Kilo¬ 
meter weit ein Eilzug abfährt oder ein Güterzug den 
steilen Abhang nach Chiavenna emporklimmt. 
Von der Zentrale sieht man auf einem Gestänge, 
ähnlich unseren Telegraphensäulen, drei dünne Kupfer¬ 
drähte in der Richtung der Bahn und längs der ganzen 
Strecke fortlaufen. In dieser Leitung wird der ganze er¬ 
forderliche Betriebsstrom der Bahn zugeführt, mit einem 
so hohen Druck — 20.000 Volts — dass die drei dünnen 
Drähte zu Zeiten des starken Verkehres oft mehrere 
tausend Pferdekräfte zu übertragen haben. Nach Herab¬ 
minderung des Druckes, was durch ruhende Trans¬ 
formatoren längs der Strecke geschieht, gelangt der 
elektrische Drehstrom immer noch mit relativ hoher 
Spannung — 3000 Volt — in die Fahrdrähte und von 
dort zu den Motoren der Lokomotiven. Das äussere Bild, 
welches die Bahnanlage bietet, ist ähnlich demjenigen, 
das wir bei Strassenbahnen zu sehen gewohnt sind. 
Während der Fahrt nimmt das Auge die Leitungs¬ 
stangen ebensowenig wahr, als man im vorbeisausenden 
Zuge einer Dampfbahn die Telegraphenstangen bemerkt. 
Auch in den Stationen wirken die Stangen nicht störend. 
Der Betrieb spielt sich mit grösster Ruhe und voller Sicherheit 
ab. Die Anzahl der Eil- und Personenzüge wurde ver¬ 
mehrt, die Fahrgelegenheit dadurch erhöht. Nun erst 
kann man die Schönheiten der Strecke entlang des 
Komosees voll gemessen, nachdem der früher so 
störende Rauch in den Tunnels nicht mehr belästigt. 
Wenige Wochen nach der Eröffnung des Betriebes be¬ 
schloss die Rete Adriatica, auch die Strecke von Lecco 
bis Mailand (50 Kilometer), welche zum Teil auch die 
schweren Eil- und Güterzüge der Gotthardbahn via Monza 
nach Mailand führt — für elektrischen Betrieb um¬ 
zuwandeln. 
Man wird also vielleicht schon im nächsten Jahre 
das ganze 159 Kilometer lange Netz Mailand—Chiavemaa- 
Sondrio mit elektrischen Zügen befahren, eine Strecke, 
welche ungefähr so lang ist wie Wien—Brünn oder Wien— 
Bruck an der Mur und länger als die Linie Laibach- 
Triest. Auch für diese und einige andere Linien, die noch 
im Stadium des Projektes sind, wird die bestehende Zentrale 
an der Adda die Betriebskraft liefern. Nichts hätte den 
durchschlagenden Erfolg der elektrischen Traktion bei 
diesem Versuche besser beweisen können, als das Bestreben 
der Rete Adriatica, sich die neue Betriebsart, kaum nachdem 
sie dieselbe kennen gelernt hatte, sofort in erhöhtem Masse 
dienstbar zu machen, ohne dass es noch, angesichts der 
kurzen Betriebsperiode, möglich gewesen wäre, sich 
über die Wirtschaftlichkeit des neuen Betriebes ziffer- 
mässig Rechenschaft zu geben. 
Die Baukosten sind bereits zusammengestellt; sie 
betragen 6*2 Millionen Lire, von denen allerdings ein be¬ 
trächtlicher Teil — 2*5 Millionen Lire — für die Ge¬ 
winnung der Wasserkraft erforderlich war, während 
3*7 Millionen — und zwar : 0*7 Millionen für Maschinen 
in der Zentrale, 1*7 Millionen für Linienausrüstung und 
1;3 Millionen für elektrische Fahrzeuge — für die elek¬ 
trische Umgestaltung benötigt wurden. 
Berücksichtigt man die grössere, durch die Verkehrs¬ 
verdichtung gebotene Zugsleistung, den Umstand ferner, 
dass die Wasserkraft derzeit erst zum geringen Teil 
ausgenützt ist, würdigt man endlich die später be¬ 
sprochenen, dem elektrischen Eisenbahnbetrieb im all¬ 
gemeinen anhaftenden Ersparnisse, so kann schon nach 
flüchtiger Schätzung auch der wirtschaftliche Vergleich 
nicht zu Ungunsten des elektrischen Betriebes ausfallen. 
Wir haben im vorigen der grossartigen elektrischen 
Traktionsversuche Erwähnung getan, welche infolge 
Initiative der italienischen Regierung seitens der beiden 
grössten Eisenbahngesellschaften Italiens in diesem Jahre 
zur Durchführung und zum erfolgreichen Abschlüsse ge¬ 
langt sind. Wir wollen nunmehr, gestützt auf die Er¬ 
gebnisse dieser Versuche, der Frage nähertreten, welche 
Folgerungen für den elektrischen Eisenbahnbetrieb im 
allgemeinen und speziell für Oesterreich aus den italie¬ 
nischen Versuchen gezogen werden können. 
Die neuesten Versuche im elektrischen Vollbahn¬ 
betrieb haben gezeigt, dass die elektrische Lokomotive 
hinsichtlich Verwendungsart, Kraftleistung und Zugkraft 
die Dampfkraft erreicht hat und technisch vollkommen 
befähigt ist, dieselbe zu ersetzen. Ja noch mehr, die 
elektrische Lokomotive besitzt einige schwerwiegende 
Vorzüge, welche die Dampflokomotive prinzipiell nicht 
zu bieten vermag, die jedoch bei der Traktion auf 
Eisenbahnen von grösster Bedeutung sind. Es würde 
den Rahmen dieses Aufsatzes weit überschreiten, hierauf 
im Detail einzugehen, es möge nur kurz darauf hinge¬ 
wiesen werden, dass die elektrische Lokomotive — weil 
ihr ganzes Gewicht für Adhäsion nutzbar gemacht wird 
— bei gleicher Kraftleistung ganz bedeutend weniger 
wiegt als die Dampflokomotive mit Tender und trotz 
des geringen Gewichtes eine wesentlich grössere Zug¬ 
kraft besitzt als jene. 
Lokale Baunotizen. 
Der Gesamtauflage unseres heutigen Blattes liegt ein 
Prospekt der Buchhandlung Karl Block in Breslau I, Feld¬ 
strasse 31 c, über „Weltall und Menschheit“ bei. Wir möchten 
nicht verfehlen, unsere Leser auf dieses neue, so hervor¬ 
ragende Prachtwerk Hans Kraemers besonders aufmerksam 
zu machen, das zum erstenmale im Zusammenhang die Re¬ 
sultate der Forschungstätigkeit dreier Jahrtausende hinsichtlich 
der Beziehungen des Menschengeschlechtes zum Weltall und 
seinen Kräften zur Darstellung bringt. Die Mitarbeiter, zu¬ 
meist Universitäts - Professoren von grossem wissenschaft¬ 
lichen Ruf, haben in gemeinverständlicher und fesselnder Form 
die einzelnen Gebiete behandelt. Zahlreiche Textillustrationen 
und viele prächtig ausgeführte farbige Kunstbeilagen fördern 
das Verständnis des Inhaltes uud machen „Weltall und Mensch¬ 
heit“ zu einer der grossartigsten Schöpfungen auf literarischem 
Gebiete, deren Anschaffung wir unseren Lesern nicht warm 
genug empfehlen können. 
Zum Yolksgartensaalbau. Der Gemeinderat hat 
beschlossen, die Herstellung von schmiedeeisernen Gittern 
dem Schlossermeister Herrn Ferdinand Thilo und die 
Anfertigung eines Geländers aus Stampfbeton dem Bild¬ 
hauer Herrn Anton Buch egg er zu übertragen. Die 
Glaserarbeiten und die Spiegellieferung für den Saalbau 
erhielt der Glasermeister Herr Friedrich Kienass. 
Zubau zum Landesirrenhause. Den kleinen Zubau 
zum Landesirrenhause erstand im Offertwege die „Ober¬ 
österreichische Baugesellschaft“, welche den höchsten 
Nachlass gewährte. 
Schulbau. Die Gemeindevorstehung Bad Hall ver¬ 
gibt im Offertwege die Herstellung eines neuen drei- 
klassigen Volkschulgebäudes im Voranschlag von 
45.421 K 73 h. Ausgesetzt sind für die Maurerarbeiten 
38.781 K 62 h, für die Zimmermannsarbeiten 6640 K 11 h.
	        
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