Volltext: VIII. Jahrgang, 1903 (VIII. JG., 1903)

Seite 26. 
OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Nr. 4. 
Oefner- und Terrakotta-Waren aller Art. Die Farbe bei 
der Klinkerung ist grün.“ Der aschgraue und schwarze 
Ton sind mit dem letztbesprochenen verwandt und unter¬ 
scheiden sich mehr oder weniger nur durch die Brennfarbe. 
Wir hoffen, dass die berufenen Faktoren dieses viel¬ 
versprechende Objekt nicht ausseracht lassen und diesen 
verborgenen Schatz zum Besten der heimischen Industrie 
ausbeuten werden. d. r. 
Die persönliche Verantwortlichkeit des 
Bauherrn oder seines bevollmächtigten 
Vertreters bei einem Kaminunfalle. 
Diese Frage wurde heuer vom Gerichte in einer 
Weise beantwortet, welche wohl geeignet ist, das Interesse 
aller Fabriksbesitzer im höchsten Grade zu erwecken. 
Der Fall lag nachstehend: 
Der Fabriksbesitzer A. baute eine neue Ringofen¬ 
ziegelei, für welche ihm der renommierte Baumeister 
B. die Pläne lieferte, nach welchen der ortsansässige 
Maurermeister 0. den Bau ausführte. Der vom Bau¬ 
meister B. mitgelieferte Plan des Kamin es 40 Meter 
hoch mit 0*90 Meter langem Kopfdurchmesser, entsprach 
allen gesetzlichen Anforderungen im vollen Masse, hatte 
namentlich eine mehr als genügende Stabilität (2-8). 
Nach diesem Plane führte Maurermeister 0. das 
Fundament und das Postament des Kainines durch. Den 
Bau der Röhre übertrug Herr A. einem „Spezialisten“ 
D., welcher zwar zur selbständigen Bauführung nicht 
berechtigt war, sich jedoch ausweisen konnte, dass er 
schon viele Kamine ausgeführt hat, also in diesem Fache 
eine besondere Erfahrung besitzt. Als der Kamin bis 
zur Höhe von 28 Meter gedieh, stürzte am 17. September 
1901 um 4 Uhr nachmittags der grösste Teil der Röhre 
ein, wobei zwei Meister getötet, zwei Arbeiter schwer 
und mehrere leicht verletzt wurden. 
Zwei Maurer, welche am Kamine arbeiteten, fielen 
aus der Höhe von 28 Meter so glücklich herab, das sie 
ohne lebensgefährliche Verletzungen davon kamen. 
Der bedauernswerte Fall wurde sofort gerichtlich er¬ 
hoben und war am 26. Februar 1902 Gegenstand einer 
Strafverhandlung vor dem viergliedrigen Senate des 
k. k. Kreisgerichtes Königgrätz. Nachdem dieser Straf¬ 
prozess endgültig abgeschlossen ist, sein Verlauf und 
sein Resultat für jeden Fabriksbesitzer ausserordentlich 
wichtig ist, führen wir denselben hier an, zumal er 
wiederholt öffentlich besprochen wurde. 
Ueber Wunsch stehen wir Interessenten mit näheren 
Angaben zur Verfügung. 
1. Der als Zeuge vorgerufene Baumeister B. hat 
nachgewiesen, dass er für den Kamin den Plan zu ver¬ 
fassen hatte, dass dieser allen Stabilitätsvorschriften ent¬ 
sprach und dass ihm keine Aufsicht auf die Bauaus¬ 
führung oblag. Daher konnte ihn keine Schuld treffen. 
2. Der Maurermeister 0. wurde wegen des Ver¬ 
gehens gegen die Sicherheit des Lebens nach §§ 335, 
383, 384 angeklagt, weil er als Leiter des ganzen Baues 
angeblich auch die Ausführung des Kamines zu beauf¬ 
sichtigen hatte. Nachdem ihm jedoch nicht bewiesen 
wurde, dass er die Beaufsichtigung des Kaminbaues 
wirklich übernahm, wurde er gänzlich freigesprochen. 
3. Der unberechtigte Kaminbauer D. und sein Ge¬ 
nosse E. wurden wegen des Vergehens nach § 335 zu 
je zweimonatlichem mit Fasten verschärften Kerker aus 
dem Grunde verurteilt, weil sie ohne hiezu berechtigt 
zu sein und ohne die vorgeschriebene Aufsicht' den 
Kamin ausführten und hiedurch das Unglück ver¬ 
schuldeten. 
4. Der Bauherr A. wurde des Vergehens gegen die 
Sicherheit des Lebens nach § 335 mit der Begründung 
schuldig erkannt, dass er die Kaminröhre von einem 
unberechtigten Unternehmer und ohne vorgeschriebene 
Bauaufsicht ausführen liess, wodurch er das Unglück 
verschuldet, und zu drei Monaten Gefängnis mit Fasten 
verschärft, verurteilt. 
Herr A. hat sämtliche Ansprüche der Hinter¬ 
bliebenen und Verwundeten noch vor der Strafverhand¬ 
lung in kulanter Weise und mit grossen Geldopfern be¬ 
friedigt, was jedenfalls ein schwerwiegender Milderungs¬ 
grund war. Ausserdem hat er 16.281 Kronen an die 
Unfallversicherung zu bezahlen. 
Im Allerhöchsten Gnadenwege wurde Herrn A. die 
Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe umgewandelt. 
Dies ist das bei einem Kaminbaue erlebte Schicksal 
eines Mannes, welcher sich der geachtetsten Lebens¬ 
stellung und des vorteilhaftesten Rufes erfreut, welcher 
von seinen Mitbürgern zu den ersten Ehrenstellen be¬ 
rufen wurde und dessen Unglück in der ganzen Gegend 
die aufrichtigste Teilnahme hervorrief. 
Bis zu dem Zeitpunkte der Katastrophe wurden 
hunderte Kamine in ganz gleicher Weise ausgeführt. Aus¬ 
ländische Unternehmer, welche gar keine Berechtigung 
zur selbständigen Bauausführung besitzen, haben Böhmen 
und andere Kronländer mit ihren „Kunstbauten“ im 
wahren Sinne des Wortes überschwemmt, ohne sich um 
das Gesetz und die vorgeschriebene verantwortliche 
Bauleitung auch nur im geringsten zu kümmern. 
Als die Behörden an Fällen, wie der hier beschriebene, 
sahen, wohin diese Gebarung führt, und namentlich als 
die gewissenlose Art der Konstruktion und Ausführung 
solcher Kaminbauten auf Rechnung deren Stabilität be¬ 
kannt wurde, erschienen diesfalls strenge Verordnungen. 
Die Erlässe der k. k. Statthalterei (13. März 1901, 
Zahl 33.682), des Landesausschusses (8. Juni 1901, 
Zahl 35.932) des Königreichs Böhmen, des Ministeriums 
des Innern und des Handels (24. März 1902, Zahl 38.290), 
welche den untergeordneten Behörden zur Abstellung 
der bisherigen gefährlichen Missbräuche nebst den 
Stabilitätsvorschriften mit ganz besonderer Schärfe streng 
anordnen, die Bauberechtigung der Kamin-Bauunternehmer 
zu prüfen, haben einen teilweisen Wandel herbeigeführt. 
Die ausländischen nicht berechtigten Spezialisten 
reichen die Pläne nicht mehr, wie es früher ausnahms¬ 
los geschah, nur unter ihrer eigenen Firma ein, sondern 
sie lassen dieselben von Baumeistern mit unterschreiben, 
welche nach dem bekannten Terminus die Pläne und 
den eigentlichen Unternehmer „decken“. 
Diese Baumeister, welche sich zur „Deckung“ her¬ 
geben, haben auf die Bauausführung keinen Einfluss 
und keine Aufsicht. 
Sehen wir nun, wie sich das Verhältnis für den Bau¬ 
herrn gestalten wird, wenn bei einem so geführten Baue 
ein Unglück eintritt, welches doch selbst bei der grössten 
Vorsicht möglich ist und welches ja [bei diesen Bauten 
auch wiederholt vorkam. Nicht allein ein Einsturz, 
sondern auch ein sonstiger Bauunfall z. B. Absturz der 
Arbeiter, Tötung und Verwundung derselben durch 
herabfallendes Material, durch Reissen des Seiles, Be¬ 
schädigung des Gerüstes etc. etc. kommen hier in 
Betracht.
	        
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