Volltext: VIII. Jahrgang, 1903 (VIII. JG., 1903)

Seite 178. 
OH ÄRGSTE liKHUCHlSCHE HAUZHHTUJS G. 
bracht werden, denn da kann so gut von dem einen 
wie von dem anderen Haufen genommen werden. Das 
soll also nicht mehr sein, sondern die Particuliers 
müssen ihre Steine und Kalk an einen ganz andern 
und aparthen Orth hinbringen. Worauf Ihr also mit 
zu sehen habt und ist hiernach auch an den Magistrat 
und Bau-Comptoir die Verfügung ergangen! 
Friedrich.“ 
Jene Steine waren nämlich von derselben Ablade¬ 
stelle geholt worden, an der auch das Baukomptoir 
seinen Bedarf abladen liess und der Fuhrknecht, sonst 
gewöhnlich mit Fuhren für das Baukomptoir beschäftigt, 
hatte, als der auf einem Spazierritte begriffene König 
ihn plötzlich anredete, in der Angst seines Herzens ge¬ 
antwortet: „Vom Baukomptoir!“ Er bekannte in seiner 
Aussage, dass er so erschrocken gewesen sei, weil der 
König ihn so angefahren, was in der Tat auffällt, da er 
als Fuhrknecht das Anfahren eigentlich hätte gewöhnt 
sein sollen. Wahrscheinlich hatte ein bedrohlicher Griff 
nach dem allbekannten, auch monumental verewigten 
Krückstock diese heftige Beängstigung des Fuhrknechts 
erzeugt. Leider ist auch sein Name nicht auf die Nach¬ 
welt gekommen, was gleichfalls bedauert werden muss. 
War der ganze Vorgang eigentlich nur die Folge 
eines bereits vorhandenen Misstrauens des Königs gegen 
den Baumeister Manger, so wurde er auch die Ursache 
zu den späteren Vexationen, die derselbe bis zum Tode 
des Königs erdulden musste. Schon in den Worten der 
Kabinetsordre: „Es ist das nun insoweit recht gut, 
aber —“ ist deutlich genug ausgesprochen, dass der 
König noch keineswegs von der Unschuld Mangers über¬ 
zeugt worden; auch ist es auffallend, dass der König in 
seiner ersten Kabinetsordre von „einigen Wagen voll 
Steine“ spricht, während der Bericht Richtprs und die 
zweite Kabinetsordre nur „einen“ solchen kennt. Nach 
den Erfahrungen, welche der König in Bauangelegen¬ 
heiten bereits gesammelt, — und Fontainen-Architektur 
war darunter keine der kleinsten — war auch sein ge¬ 
wisses Misstrauen durchaus nicht ganz ungerechtfertigt. 
Dass dieses sich vorzugsweise in der letzten Zeit auf 
den Baumeister gerichtet, mag ganz besonders in dem 
kursierenden Gerücht von den grossen Reichtümern 
dieses Mannes, zumal als Besitzer eines umfangreichen 
und im musterhaften Zustande befindlichen Gartengrund¬ 
stückes in der Nähe von Potsdam, gehabt haben, neben¬ 
bei aber auch, wie wir bereits angedeutet, in dem Hasse 
einiger anderen Baumeister und dem kollegialen Neide 
verschiedener Mitkünstler seine Erklärung finden. 
Das alte Sprichwort: „Wenn Könige bauen, gewinnen 
die Völker“ Hesse sich aus der Praxis auch dahin aus¬ 
legen : dass „wenn Könige bauen, deren Baumeister eben 
nicht arm dabei werden, auch wohl gleichzeitig mit 
königlichen Palästen angenehme Wohnhäuser für deren 
Baumeister entstehen“, wie in diesem Falle das (früher) 
v. KnobelsdorPsche Haus dicht neben dem Opernhause 
in Berlin und die Büring’sche Meierei neben dem neuen 
Palais von Sanssouci, beide gleichzeitig vollendet, nicht 
undeutlich zu beweisen scheinen. 
Immerhin aber konnte dieses Sprichwort in Wirk¬ 
lichkeit auf Manger keine Anwendung finden; er hatte 
einen Teil seines vor dem Berliner Tor bei Potsdam be- 
legenen Grundstücks durch Heirat (1762) ererbt, dessen 
Ausdehnung aber lediglich von dem Vermögen seiner 
Frau ermöglicht, und dasselbe mit einem Wohnhaus ver¬ 
Nr. 23. 
sehen und auf ihm einen grossen Garten angelegt, aus 
welchem Gemüse und allerlei damals seltene Pflanzen 
verkauft wurden. Freilich war er niemandem etwas 
schuldig, hinterliess aber nichts weiter als dieses Grund¬ 
stück und ein ebenfalls vererbtes Haus in der Stadt, und 
zwar verschuldet. 
Kurz, der König hatte nun einmal Misstrauen gegen 
Manger geschöpft und ihm den Wagen voll Steine vor 
dem Berliner Tore nicht vergessen können. Daher erklärt 
sich, dass bis zum Jahre 1786 fortwährend Kabinetsordres 
erschienen, welche in nichts anderem als in diesem tief- 
gewurzelten Misstrauen des Königs unverkennbar ihren 
Grund hatten, es wurden öffentliche und geheime Auf¬ 
seher ernannt, die Oberkammer zu grösserer Strenge er¬ 
mahnt und bei Gelegenheit mit harten Strafen für etwaige 
Schelmerei gedroht. 
In dieser Lage der Sache gab der König am 19. Juli 
.1786 den Befehl, hinter den Kolonnaden zwischen den 
Commüns des neuen Palais sechs Taluttreibmauern von 
750 Fuss Länge und 28 Fuss Höhe zu bauen. Obgleich 
nun das königliche Baukomptoir sehr wohl die Einsicht 
hegte, dass durch diese Mauern jede Aussicht vom 
neuen Palais in das Freie zugebaut werden würde, so 
konnte doch von einem landschaftlichen Bedenken da¬ 
gegen keine Rede mehr sein, denn der Befehl war ein¬ 
mal da und musste ausgeführt werden. Manger machte 
den Anschlag und beeilte sich damit so sehr, dass der¬ 
selbe bereits am 21. Juli früh mit Tagesanbruch dem 
Könige vorgelegt werden konnte; er belief sich auf 
21.000 Taler, während der König in einem von ihm selbst 
gefertigten Anschlag nur 8000 Taler herausgerechnet 
hatte. Das Unglück wollte, dass der Berliner Baumeister 
Seidel sich an diesem Tage zufällig in Bornstedt befand, 
wo ein Aquädukt angelegt werden sollte. Der König 
liess SeideTzu sich bescheiden, gab ihm den MangePsclien 
Anschlag und befahl ihm, diesen zu revidieren. Revidieren 
heisst aber in der Bausprache: „heruntersetzen“, und 
Seidel revidierte auch so gewissenhaft, dass 7000 Taler 
wegfielen. Freilich war damit auch die Höhe und Dicke 
der Mauern revidiert oder heruntergesetzt, derart, dass 
die geringere Summe, die am Schlüsse herauskam, sehr 
erklärlich erscheinen muss. Auf eine Prüfung der Gründe 
liess sich der König aber nicht ein, sah nur die 7000 
Taler und befahl nun sofort, Manger am 21. Juli mittags 
zu arretieren und ihn auf die Hauptwache des Regiments 
Prinz von Preussen zu setzen. Gleichzeitig aber wurde 
die Expedition des Baukomptoirs und das Arbeitszimmer 
in Mangers Privathaus versiegelt und von Berlin zwei 
bis drei Räte von der Ober - Rechnungskammer ver¬ 
schrieben, welche die Untersuchung führen sollten, ihnen 
auch auf speziellen Befehl des Königs der Oberst von 
Schack beigegeben. In Mangers Arbeitszimmer befand 
sich eine wenig bemerkbare Tapetentür, die zu einer 
Geheimtreppe in das untere Stockwerk führte. Bei dem 
Versiegelungsgeschäfte machte Mangers Gattin auf diese 
Tür aufmerksam, worüber Oberst von Schack, dem die 
Versiegelung allein übertragen gewesen zu sein scheint, 
so erstaunt war, dass er zu dem Ausruf veranlasst 
war: „Hier kann doch in der Tat keine Betrügerei 
stattfinden!“ 
Als die Kommissarien inzwischen am 23. Juli ein¬ 
trafen, aber nicht wussten, was sie eigentlich sollten, 
wurde ihnen am 25. aufgegeben, das Betragen Mangers 
während seiner ganzen Dienstzeit, insbesondere aber zu 
untersuchen, ob er keine Steine gestohlen?
	        
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