Volltext: VIII. Jahrgang, 1903 (VIII. JG., 1903)

Seite 148. 
OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Nr. 19. 
und ohne Rillen in vielen Varianten, Walm- und First¬ 
ziegeln, Glocken Spitzen, Luken, holländische Ganben, 
Löwenköpfe und anderes Zierwerk. 
Ein wunder Punkt im Handwerksleben. 
Als ein schöner Charakterzug im Familienleben muss 
es mit Recht bezeichnet werden, den Kindern eine 
möglichst gute Schulbildung zuteil werden zu lassen. 
Auf diese Weise wird ihnen entweder die Möglichkeit 
gegeben, in dem von ihnen gewählten Berufe Tüchtigeres 
zu leisten als diejenigen, welche nur mit der nötigen 
Durchschnittsbildung versehen sind oder sie werden so¬ 
gar in den Stand gesetzt, sich einem höheren Berufe zu 
widmen als man im allgemeinen nach ihrer Stellung er¬ 
warten darf. So gibt es genug Handwerksmeister, deren 
Söhne Lehrer, Advokaten, Aerzte, Staatsbeamte u. dgl. 
geworden sind. So beachtenswert diese Tatsache nun 
auch an und für sich ist, so führt sie doch Uebelstände 
im Gefolge, welche auf gewisse Klassen im Volksleben 
sich recht unangenehm äussern. Wir wollen, um der Auf¬ 
fassung, dass wir Feinde der Kultur wären, zu begegnen, 
auch die Gründe dieser Behauptung klarlegen. Es ist 
eine auffallende Erscheinung der Neuzeit, dass Hand¬ 
werksmeister, die mit ihrer Familie ein einigermassen 
behäbiges Leben führen, ihre Söhne vorwiegend der 
höheren Schule zuführen und oft den letzten Heller 
opfern, um die damit verbundenen Kosten zu bestreiten. 
Fragt man nun, was aus dem Jungen nach beendigter 
Schulzeit werden soll, so hören wir in fast allen Fällen 
hochklingende Bezeichnungen, aber nur ja keinen Hand¬ 
werker, denn trübe Tage haben wir genug durchgemacht, 
der Junge soll das Leben von dieser Erwerbsseite aus 
nicht kennen lernen. 
Inwieweit die Wünsche dieser hoffnungsvollen Vater¬ 
herzen in Erfüllung gehen, kann hier nicht untersucht 
werden, dass aber das Leben an Enttäuschungen dieser 
Art recht reich ist und mancher Kummer und manche 
Sorge erspart geblieben wäre, wenn der hoffnungsvolle 
Sohn anstatt des erwählten Berufes nach dem Hobel 
gegriffen hätte, zeigen uns die Erfahrungen im praktischen 
Leben fast täglich. Und wenn das Handwerk zur Zeit 
in ein so unglückseliges Fahrwasser getrieben und von 
den Wogen der Grossproduktion und Spekulation hin- 
und hergepeitscht wird, so haben wir nicht zum geringen 
Teile die Ursache dieses Uebels in der mangelhaften 
Bildung, in der ganz unbegründeten und unerklärlichen 
Gleichgiltigkeit, welche sich des überwiegenden Teiles 
seiner Vertreter seit Jahren bemächtigt hat, zu suchen 
und könnte das Handwerk als ein Prügelknabe der 
modernen Erwerbsverhältnisse so behandelt worden sein 
als geschehen, wenn nicht in ihm die Bildung in so spär¬ 
lichen Blüten zur Frucht reifte und Hand in Hand damit 
die zu einer gedeihlichen und für die Entwicklung der 
Zeitverhältnisse so notwendige Zusammengehörigkeit 
systematisch geschwunden wäre ? Freilich ist es ver¬ 
lockend für einen in erträglichen Verhältnissen lebenden 
Handwerksmeister, zu sagen: „Mein Sohn soll etwas 
Besseres werden als sein Vater!“ Wohin soll es aber 
führen, wenn dieses Streben ein allgemeines wird, was 
soll aus dem Handwerk werden, wenn diejenigen, die 
durch dasselbe sich eigene gesicherte Existenz verschafft 
haben, es verschmähen, ihre Söhne dem gleichen Berufe 
zuzuführen ? Man halte dem nicht entgegen, dass ja 
immer noch genug übrig bleiben, die ihre Söhne zum 
Handwerk erziehen; damit ist aber noch nicht die Tat¬ 
sache hinweggeräumt, dass diese Handwerker, sobald 
sie das Schulgeld für die höhere Schule zu erschwingen 
imstande sind, es dann für eine Ehrensache halten, ihre 
Kinder einer solchen zuzuführen und dass von dem 
Augenblicke an, wo eines derselben die Reife erlangt 
und das Zeugnis in der Tasche hat, bei diesem von dem 
Wunsche, ein Handwerk zu erlernen, kaum noch die 
Rede ist. In der heutigen Zeit der Reformbestrebungen 
ist es doppelt Pflicht, auf die Gefahren aufmerksam zu 
machen, welche für das Handwerk durch die Entziehung 
besserer Kräfte erwachsen müssen. Dadurch wird es 
immer mehr dahin kommen, dass der Handwerkerstand, 
auch bei besseren Zeitverhältnissen, zum Proletariat 
herabgedrückt wird und der Notstand in dieser so be¬ 
deutsamen Klasse im Staatsleben bedenkliche Dimen¬ 
sionen annimmt. Der Ehrgeiz muss schwinden, dass der 
Handwerksmeister, der die Mittel dazu hat, seinen Sohn 
in die höhere Schule schickt, um ihn einem anderen 
Stande zuzuführen; selbst die besser situierten Kreise 
sollten sich nicht scheuen, ihre Söhne ein Handwerk 
lernen zu lassen, denn die Meistersöhne, welche von früh 
an auf das Handwerk angewiesen sind, werden die besten 
Stammhalter des Handwerks. Wenn alle Eltern von dem 
Standpunkte ausgehen, dass ihre Kinder etwas Besseres 
werden als sie, dann haben wir schliesslich keinen 
ordentlichen Arbeiterstand, keinen tätigen und leistungs¬ 
fähigen Handwerkerstand, dann schwindet die eigentliche 
werktätige Bevölkerung. Das Handwerk braucht unter 
den heutigen schwierigen Erwerbsverhältnissen selbst 
tüchtige, intelligente Kräfte; durch die Zuführung solcher 
würde es materiell und sozial gehoben und es sollte der 
Ehrgeiz der besser situierten Meister sein, dem Hand¬ 
werke in ihren höher gebildeten Söhnen solche Kräfte 
zur Verfügung zu stellen, um dem Handwerke die ihm 
gebührende Stellung und Vertretung zu sichern. K. Z. 
Diverses. 
Eine transportierte Kirche. Die Bewohner von 
Obereichwald in Böhmen zeigen den Fremden eine 
Sehenswürdigkeit ersten Ranges. Sie besitzen nämlich 
eine Kirche, welche in Venedig gebaut und dann stück¬ 
weise in Tausenden von Kisten nach Obereichwald 
transportiert worden ist. Fürst Clary-Aldringen, der in 
der Gegend von Obereichwald grosse Güter besitzt, hat 
den Obereichwaldern zu dieser originellen Kirche ver¬ 
holten. Der Fürst, der ein grosser Verehrer venetianischer 
Baukunst ist, sah in Venedig die Kirche der Madonna 
delP Orta, die wahrscheinlich von Bartolomeo Ban erbaut 
worden ist, und war von dieser Kirche so entzückt, dass 
er beschloss, in Obereichwald eine Kopie errichten zu 
lassen. Der Architekt Pietro Bigaglia in Venedig erhielt 
den Auftrag und ging sogleich ans Werk. Aus istrischem 
Kalk und Veroneser Marmor wurden die Teile der Kirche 
hergestellt, numeriert, in Kisten verpackt und nach Ober¬ 
eichwald geschickt, wo man die Kirche in der Art auf¬ 
baute wie man eine Maschine montiert. Das Gebäude 
ist 55 Meter lang, der Turm 50 Meter hoch. Der Stil 
des venetianischen Originals ist getreu nachgebildet 
worden. Nur einige kleine Abweichungen waren mit 
Rücksicht auf die amerikanische Transportart notwendig. 
Zur Nachahmung empfohlen. Im Wiener Kommunal¬ 
blatte finden wir folgende Notiz: Eine Villenkolonie 
für Beamte in Lainz. Eine Schar von Beamten
	        
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