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O B E RÖST E R R EI (J H1SCHE BAUZELTUNG.
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jeder, der in strengster Rechtlichkeit und Vertrauens¬
würdigkeit das wahre Heil des Erwerbslebens erblickt,
kann nur mit aufrichtiger Trauer die Wirkungen von so
verhängsvollen Wahlverwandtschaften verfolgen.
Und die Wirkungen dieser Bündnisse zwischen Ver¬
käufern und Angestellten zum Nachteile der Verbraucher
sind in der Tat traurig genug. Zunächst vergiften sie
das Verhältnis zwischen Prinzipal und Angestellten.
Dann schädigen sie das Geschäft entweder dadurch, dass
bessere Qualitäten durch schlechtere verdrängt werden,
oder dadurch, dass die Ware zu teuer gekauft wird. In
der Regel aber auf beide Arten, denn wo die gesunde
Konkurrenz ausgeschaltet wird, kauft der Verbraucher
im allgemeinen zu schlechte und zu teuere Ware. Die
ganze Branche, ja das wirtschaftliche Leben des Landes
leidet unter solchen Machenschaften, weil jeder Antrieb
zur Verbesserung oder Verbilligung der Ware da weg¬
fällt, wo die Erlangung der Aufträge nicht von Qualität
und Preis, sondern von Trinkgeldern und Extraprovisionen
abhängt.
Wie vergiftend die Bestechung der Angestellten
wirkt, mag noch an einigen — übrigens der Praxis ent¬
nommenen — Beispielen hier gezeigt werden: Eine
chemische Fabrik, die alle Machenschaften verschmäht,
welche das Tageslicht zu scheuen haben, erfindet eine
neue, ihr ausgezeichnet scheinende Farbe zum Färben
einer bestimmten Tuchsorte. An eine hervorragende
Färberei, welche grossen Bedarf in derartigen Farben
hat, wird eine Mustersendung gemacht. Da der Meister
der Färberei von dem Konkurrenten der liefernden
Firma bestochen ist, erklärt er die neue Farbe für total
unbrauchbar. Die Firma beruhigt sich nicht mit dieser
Entscheidung, sendet vielmehr einen Chemiker in die
Färberei, um sich von dem Resultate selbst zu über¬
zeugen. In seiner Not wendet sich der bestochene
Meister an die chemische Fabrik, welche er protegiert
und erhält den Rat, dem Tuche einen bestimmten Stoff
zuzusetzen, der die neue Farbe zerstören soll. Der
Streich gelingt und der Chemiker überzeugt sich von
der Wertlosigkeit der neuen Erfindung.
Besehen wir uns nun die' Konsequenzen dieses un¬
redlichen Vorgehens: die chemische Fabrik gibt die
Fabrikation des neuen Farbstoffes vielleicht auf, der ihr
grossen Nutzen gebracht, der vielleicht die deutsche
Exportziffer gehoben hätte. Die zurückgebliebene Firma
behauptet das Feld; die Färberei, welche den bestochenen
Meister angestellt hat, muss eine nie wiederkehrende
Gelegenheit versäumen, eine Verbesserung ihres Fabrikates
in die Wege zu leiten, welche ohne Zweifel ihren Umsatz
und ihre Stellung in ihrer Branche gehoben hätte. Und
alle diese Schädigungen treten nur ein, weil der An¬
gestellte einen erbärmlichen Vorteil in unredlicher Weise
einheimsen will.
Noch fluchwürdiger sind jene Fälle, in denen
Menschenleben dadurch gefährdet oder vernichtet werden,
dass minderwertige Materialien infolge von Bestechungen
an Stelle von guten Qualitäten geliefert werden. Eine
Stahlfirma veranlasst den Einkäufer einer kleineren
Schiffswerft durch Geschenke dazu, eine schlechtere
Stahlsorte zu hohem Preis für die Herstellung der Schiffs¬
wellen zu akzeptieren. Während eines Sturmes zerbricht
dann die Schiffswelle und das Schiff geht mit Passagieren
und Mannschaft unter.
Der Direktor eines Hotels bestellt, durch Provision
gefügig gemacht, den Personenaufzug bei einer Firma,
die nicht genügende Erfahrung auf beregtem Gebiete
besitzt. Die Folge davon ist, dass das Seil des Aufzuges
nach einiger Zeit reisst, wobei Gäste des Hotels ver¬
unglücken.
Man wende nicht ein, dass dies gesuchte Beispiele
seien: solche Fälle kommen leider häufig genug vor, nur
weiss man nur sehr selten, welche fluchwürdigen Ur¬
sachen das Unglück herbeigeführt haben.
Die Frage drängt sich auf die Lippen, wie diesem
System der Bestechung von Angestellten zu begegnen
ist, das unser wirtschaftliches Leben schädigt und ver¬
giftet. Ein Universalrezept gibt es natürlich nicht.
Wichtig ist vor allem, dass die Geschäftsinhaber die
höchste Sorgfalt auf die spezielle Auswahl der Leute
verwenden, die mit dem Einkauf betraut sind oder die
entscheidenden Einfluss auf die Erteilung von Aufträgen
haben. Nur charakterfeste Personen sollten an so ver¬
antwortungsvolle Posten gesetzt werden. Angestellte,
die den Lebemann herauskehren, die an Sport, Spiel,
Gelagen und Liebschaften zu viel Geschmack finden, die
infolge von Schulden oder drückenden Familienverhält¬
nissen in Sorgen leben, sollte man nicht der Versuchung
aussetzen, mit Vertretern und Reisenden zu verkehren,
denen jedes Mittel recht ist, um Aufträge zu erlangen.
Anderseits müssen aber auch Posten, an welchen Ver¬
führung droht, reichlich oder wenigstens auskömmlich
dotiert werden. Denn häufig genug wird die Unredlich¬
keit dadurch förmlich grossgezogen, dass Einkäufer,
denen die Sorge für die entscheidenden Interessen des
Geschäftshauses übertragen werden, erbärmliche Gehälter
beziehen. In solchen Fällen sind die verantwortlichen
Instanzen mitschuldig an den Unredlichkeiten, zu denen
sich die Angestellten erniedrigen lassen. Fr. Wort.
Bauten in Amerika.
Nachstehende interessante Neuigkeit sendet uns
Herr Richard Liiders, Ingenieur und Patentanwalt in
Görlitz zu:
Im vorigen Jahre wurde es der Leitung der in den
Vereinigten Staaten sehr beliebten technischen Schule*)
in Boston nach Schluss des Schuljahres klar, dass nach
der Zahl der Anmeldungen von Schülern, welche die
Eintrittsprüfung bestanden hatten, im kommenden Schul¬
jahre die Lehrräume für die elektrotechnische Ab¬
teilung viel zu klein sein würden. Die Direktoren be¬
schlossen daher, ein neues Gebäude zu errichten, für das
die Summe von 100.000 Pfund Sterling ausgesetzt wurde.
Die Schwierigkeit war nun, einen Baumeister zu finden,
der sich anheischig machte, das Gebäude während der
Ferien vor Beginn des kommenden Schuljahres, also in
in einem Zeitraum von nicht ganz drei Monaten aus¬
zuführen. In dem in deutschen Baukreisen als Erfinder
des tragbaren Schwerkraft-Betonmischers bekannten
Baumeisters Frank B. Gilbreth wurde der Gesuchte ge¬
funden. Der Vertrag wurde am 28. Juni unterzeichnet;
als Endpunkt wurde der 15. September festgesetzt. Am
2. August, das heisst 35 Tage nach Unterzeichnung des
Vertrages, war das Gebäude unter Dach und Fach und
viele Klassenzimmer für das Aufträgen des Putzes fertig.
Die Schnelligkeit, mit der dieser Bau vor sich ging, ist
ein Wunder zu nennen, wenn man bedenkt, dass 1300
Pfähle zu rammen, eine Million Steine zu legen waren
*) „Massachusetts Instituts of Pedmolozy.“