Volltext: VIII. Jahrgang, 1903 (VIII. JG., 1903)

Nr. 14. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITHNO. 
Seite 107. 
wie er zur Karbidfabrikation verwendet wird; doch ge¬ 
nügen auch unter Umständen unreinere Qualitäten, die 
man bei der Karbidfabrikation nicht mehr verwenden 
könnte. Verfügt man über die geeigneten Rohmaterialien, 
so bieten sich grössere pekuniäre Chancen für die Fabri¬ 
kation gegenüber der früher beschriebenen Lufterhärtungs- 
Methode, weil der Bindemittelzusatz wesentlich einge¬ 
schränkt werden kann, weil dieses Bindemittel in der 
Regel billiger ist, als Zement oder hydraulischer Kalk, 
weil die Fabrikatiönsdauer bis zur Fertigstellung des 
Steinös bedeutend kürzer ist und weil verhältnismässig 
weniger Arbeitskräfte notwendig sind, 'wenigstens im 
Grossbetriebe. 
Man unterscheidet beim Dampferhärtungs-Verfahren 
die Anwendungsart von Dämpfen ohne Druck und mit 
Druck. Die erstere Methode wird meist vorgezogen, wenn 
es sich um Verwertung von Abdämpfen aus irgend einem 
industriellen Etablissement handelt, z. B. wenn mit einer 
schon bestehenden Fabrik eine Sandziegelei kombiniert 
und die Erhärtung der Steine durch den vorhandenen, 
von Dampfmaschinen, Heizapparaten u. dgl. kommenden 
Abdampf geschehen soll. In diesem Falle handelt es sich 
meistens um kleinere Einrichtungen. Grössere Anlagen 
mit regelmässigem Betrieb und einer Produktion von 
10.000 und mehr Ziegeln pro Tag werden am besten mit 
Dampf unter Druck arbeiten und zwar am vorteilhaftesten 
bei einer Dampfspannung von 8—12 Atm. Die Durch¬ 
führung der Erhärtung erfolgt unter normalen Verhält¬ 
nissen in zirka 10 Stunden soweit, dass die Steine ohne- 
weiters vermauerungsfähig sind. Man kann also, 
Mischung und Pressung mit eingerechnet, in etwa 10 
bis 12 Stunden aus dem Rohmaterial fertige Ziegelsteine 
hersteilen, während dieser Prozess bei Anwendung mit 
Dampf ohne Druck in der Regel 3—4 Tage dauert. Ebenso 
wie die Erhärtungsweise, kann auch die Vorbereitung 
des Rohmaterials, bevor es durch Pressung geformt wird, 
auf verschiedene Arten vor sich gehen. Man kann ent¬ 
weder den Sand mit dem Kalkzusatz auf kaltem Wege 
mischen, die Mischung dann verpressen und die Form¬ 
linge hernach erhärten. Geschieht die Vorbereitung aber 
auf heissem Wege, d. h. wird die Mischung schon vor 
der Verpressung und Erhärtung mit heissen Wasser¬ 
dämpfen behandelt, so dass der später zu erfolgende Er¬ 
härtungsprozess bereits eingeleitet ist, so lässt sich die 
Verpressung zu Formlingen leichter bewerkstelligen, die 
unerhärteten Formlinge sind schon haltbarer und ge¬ 
statten infolgedessen das Abnehmen von der Presse, das 
Aufsetzen auf die Steinwagen und den Transport zum 
Erhärtungsraum ohne Schwierigkeit, d. h. ohne dass ein 
Teil der Formlinge durch Bruch unbrauchbar wird. Von 
grossem Vorteil für das Produkt ist es, wenn der Kalk 
gut abgelöscht und während des Mischprozesses die ein¬ 
zelnen Sandkörnchen vollständig und innig mit einer 
feinen Kalkschicht umzogen werden, was bei dem ver¬ 
hältnismässig geringen Zusatz an Kalk nur dadurch zu 
erreichen ist, dass ein intensives Aneinderreiben der ein¬ 
zelnen Teilchen der Mischung, gewissermassen ein Durch¬ 
kneten derselben in geeigneten Maschinen, z. B. Koller¬ 
gängen, Flügelmisch- und Knetmaschinen etc. stattfindet. 
Beim Vorbereiten der Rohmaterialien auf kaltem Wege 
wird der Kalk in der Hauptsache schon vor der Mischung, 
also für sich allein, abgelöscht, d. h. ein Kalkbrei oder 
ein trockenes Kalkhydratpulver hergestellt und dann mit 
dem Sand in irgend einem Misch- oder Knetapparat ver¬ 
mengt. Bei der heissen Aufbereitung kann man dasselbe 
Verfahren anwenden und während der Mischung und 
Knetung den Mischbehälter mittels Dampf, heissen Wassers 
oder mit direktem Feuer heizen. Vorteilhafter und für 
den Effekt der Aufbereitung günstiger ist es, den natur¬ 
feuchten Sand direkt mit frischem Aetzkalk zu ver¬ 
mischen und von der Einwirkung der bei der Ablöschung 
sich entwickelnden Hitze auf die Mischmaschine zu pro¬ 
fitieren. Für Gegenden, die einen strengen Winter auf- 
Wreisen, ist in allen Fällen die heisse Vorbereitung zu 
empfehlen, sofern während der kalten Jahreszeit über¬ 
haupt fabriziert werden soll. Aeusserst wichtig ist auch 
die Regulierung des Feuchtigkeitszusatzes während des 
Mischprozesses, damit die Mischung immer möglichst 
gleichmässig feucht in die Presse kommt; denn bei Feuch¬ 
tigkeitsschwankungen in der Mischung werden auch 
Differenzen in Jer Stärke der Pressung entstehen und 
die Steine infolgedessen in der Härte und ebenso in der 
Wetterbeständigkeit variieren. 
Das in dieser Hinsicht vollkommenste Aufbereitungs¬ 
system ist dasjenige von Schwarz, weil hiebei der ganze 
Prozess der Mischung und Aufbereitung in einer einzigen 
Maschine erledigt wird und zwar auf heissem Wege bei 
gleichzeitigem intensiven Durchkneten der Masse und 
genauester Feuchtigkeits-Regulierung. Für grössere An¬ 
lagen und bei den hohen Ansprüchen an die Qualität 
des Fabrikates ist die Einrichtung nach System Schwarz 
sehr zu empfehlen, wie aus den nachstehenden Press¬ 
stimmen hervorgeht. 
Der Zusatz von Zement beim Lufterhärtungs-Ver- 
fahren beträgt durchschnittlich 15 Prozent und erhöht 
sich bei Anwendung von hydraulischem Kalk bis zu 
35 Perzent; bei Mischung von Zement und hydraulischem 
Kalk durchschnittlich 20 bis 25 Perzent. Der Zusatz von 
Fettkalk beim Dampferhärtungs-Verfahren schwankt da¬ 
gegen zwischen 5 bis 10 Perzent. Die Festigkeit der 
Ziegel variiert zwischen 100 und 300 kg pro cm2. Bei 
Lufterhärtungssteinen mit reichlicher Anwendung von 
gutem Bindematerial werden, wie aus den Mitteilungen 
der Materialprüfungs-Anstalt am Schweizer Polytechnikum 
Zürich, I. Heft, Seite 134—143 ersichtlich, Druckfestig¬ 
keiten bis 300 kg pro cm2 erzielt, die jedoch nach der 
Frostbeständigkeitsprobe oft erheblich heruntersinken. 
Für dampferhärtete Steine wurden in der eidgen. 
Materialprüfungs-Anstalt in Zürich und in der chemisch¬ 
technischen Versuchsanstalt Charlottenburg ähnliche 
Festigkeitswerte festgestellt, mit dem Unterschiede, dass 
die im hochgespannten Dampf erhärteten Steine durch¬ 
schnittlich die grössere Festigkeit und Frostbeständigkeit 
aufweisen. Im Grunde genommen bilden die weit über 
200 kgjcm2 ansteigenden Druckfestigkeitsziffern in Prüfungs¬ 
zeugnissen, mit welchen zu Zwecken der Geschäfts¬ 
reklame paradiert wird, durchaus keinen zuverlässigen 
Masstab für die Beurteilung des Fabrikations Verfahrens. 
Es wird derartigen „Prüfungssteinen“ vielfach durch 
einen ungewöhnlich hohen Kalkzusatz oder Beimischung 
von etwas Portlandzement, ferner durch sehr starke und 
sorgfältige Pressung bei reichlicher Materialauffüllung in 
den Formkästen der Presse eine erstaunliche Festigkeit 
verliehen; diese das Publikum blendenden Festigkeits¬ 
werte sind aber illusorisch, weil die Anforderungen des 
praktisch regulären Betriebs, also technische und öko¬ 
nomische Gründe, eine Fabrikationsweise verbieten, welche 
bei Herstellung solcher Prüfungssteine meistenteils Ver¬ 
wendung findet. Das untrügliche Merkzeichen einer in 
abnormaler Weise erreichten hohen Festigkeit der Steine
	        
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