Volltext: VII. Jahrgang, 1902 (VII. JG., 1902)

VII. Jahrgang, Nr. 17 
Linz, 1. September 1902. 
Öberösterreichische Banzeitnng 
Zeitschrift für Bauwesen 
Organ des „Vereines der Baumeister in Oberösterreich“ 
Redaction und Administration: LINZ, Mozartstrasse 28. — Herausgeber und Verleger: EDUARD KORNHOFFER. 
Man pränunieriert auf die OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG: 
ganzjährig mit K 20.— ^ < ganzjährig mit . K 16 
halbjährig . . „ 10.— _iür halbjährig . . 
für die 
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Provinz . ..... . 
< vierteljahrii 
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I vierteljährig 
Erscheint am i. und 15. 
jedes Monat, 
INSERATE und OFFENER SPRECHSAAL laut aufgelegtem billigsten 
Tarif werden angenommen: Bei der Administration der „Ober¬ 
österreichischen Bauzeitung“, Linz, Mozartstrasse 28, ferner bei 
allen grösseren Annoncen-Expeditionen des In- u. Auslandes. Eventuelle 
Reclamationen und Beschwerden direct an uns erbeten. 
Inhalt. Zum Beginn der Schulen. — Kirchliche Kunst. :— Locale 
Baunotizen. — Eingesendet. — Aus der Fachliteratur.1-— Offene Stellen. — 
Angesuchte Baulicenzen zu Neu-, Um- und Zubauten in Urfahr. — Aus¬ 
weis über die Umschreibung von Immobilien in Linz. — Angesuchte 
Baulicenzen in Linz. — Anmeldungen für Wasserbezug aus dem städt. 
Wasserwerke. — Briefkasten^ — Inserate. 
Zum Beginn der Schulen. 
Die Zeit rückt heran, wo Tausende von Knaben aus 
dem hegenden Kreise, aus dem Frieden der Familie 
hinaus müssen in die weite und kalte Welt. Das sind 
Wochen schwerer Sorge, ernsten Fragens und Bangens 
für die Elternherzen. Sie sind vor eine Entscheidung 
gestellt, deren Verantwortung unendlich schwer ist. Was 
soll der Knabe werden? Die Frage bewegt in diesen 
Wochen wohl manches Vater- und Mutterherz. Sie zu 
erörtern, liegt nahe. Je heftiger der Kampf ums Dasein 
entbrennt, je heftiger die tolle Hast nach dem rothen 
Golde geworden ist, je mehr der Mittelstand zwischen 
den grosscapitalistischen Betrieben vernichtet und zer¬ 
rieben wird, je geringer die Aussichten auf eine wirt¬ 
schaftliche Selbständigkeit sind, umso ernster wird die 
Frage, umso schwerer die Beantwortung. 
Zur Zeit unserer Väter war es in der Regel des 
Vaters sehnlichster Wunsch, den Knaben seinem eigenen 
Berufe zuzuführen. Das war die Zeit, wo der Mann sich 
noch wohl und sicher fühlte in seinem Stande, da er 
stolz darauf war, das zu sein, was er war, wo er weder 
neidisch nach oben, noch herrisch nach unten blickte, 
sondern sich genügen liess mit einer schlichten aber 
gesicherten Existenz. Das war die Zeit, wo das Hand¬ 
werk noch einen „goldenen Boden“, hatte. Der Knabe 
wurde zu keinem anderen Berufe erzogen, kaum dass 
der Gedanke je in ihm auftauchte, etwas anderes zu 
werden als der Vater war. Dem Narrenthurm unserer 
Zeit, mag solche Selbstbeschränkung kleinlich und kasten- 
mässig erscheinen, für uns hat sie etwas Grosses, etwas 
Edles, etwas Erhebendes, denn sie war nur möglich, 
weil der Einzelne in sich geschlossene Persönlichkeit 
war, weil in den Ständen und Berufsgruppen noch stolzes 
Selbstbewusstsein und märkisches Kraftbewusstsein 
herrschten. Daher kam es, dass jene Zeit weniger an 
verfehlten Existenzen, an verkommenen, nirgends hei¬ 
mischen Allerweltsmenschen krankte als die unsere. 
Mag ihre Vorbildung weniger umfassend gewesen sein, 
mag die Beschränkung auf den gewissermassen ererbten 
Beruf den Gesichtskreis verengt haben, in dieser Be¬ 
schränkung wurden Meister gross und die verhältnis¬ 
mässige Enge des Gesichtskreises machte die Augen 
scharf und erhielt sie gesund. Heute ist es anders ge¬ 
worden. Heute setzt der Vater einen Stolz darein, seinen 
Sohn mehr — scheinbar mehr werden zu lassen als er 
selbst ist. Diese Anschauung ist nicht möglich ohne 
Verachtung und Unterschätzung des eigenen Berufes, 
die ja tief bedauerlich sind. Es ist ja an sich natürlich, 
dass der Vater das Geschick seines Kindes so freundlich 
und friedlich, so sicher und so geschirmt gestalten 
möchte wie es nur irgend möglich ist; aber dass er zu 
diesem Zwecke einen anderen „höheren“ Beruf suchen 
zu müssen glaubt, beweist eben, dass er die Zufriedenheit 
mit dem eigenen verloren und vergessen hat. Das Höher- 
hinauswollen hat aber eine schlimme Folge auch für die 
Gesammtheit. Der Mensch haftet doch mit allen Wurzeln 
seines Seins in dem Boden, wo er geboren und gross 
geworden ist. Kraftnaturen können alle Wurzelfasern 
lösen, aber nur diese. Von denjenigen, die über ihren 
Wurzelboden weit hinausgehoben werden, finden nur die 
Wenigsten einen Beruf, den sie voll ausfüllen und der 
sie voll befriedigt. Viele werden in dem neuen Stande 
weder warm noch heimisch; sie kommen sich immer 
fremd und wie Eindringlinge vor. Die Zahl derer, die 
in den sogenannten „höheren Berufen“ Unterkunft und 
Auskommen suchen, meist vergebens suchen, wird immer 
grösser, die meisten vermehren das sogenannte gebildete 
Proletariat, das zu den unerfreulichen und gefährlichsten 
Erscheinungen unserer Zeit gehört. Wie viele, die heute 
als untergeordnete Arbeiter in irgend welcher wissen¬ 
schaftlichen oder Beamtenlaufbahn weder von anderen 
noch von sich recht geachtet werden, würden ein aus¬ 
kömmlicheres, ein befriedigenderes Sein sich errungen 
haben, wenn sie in der Werkstätte, im heimischen Hause 
geblieben wären. Das ist ein gefährlicher Irrthum unserer 
Zeit, dass man meint, jede bedeutendere Begabung müsste 
ohne weiteres zu einem „höheren Berufe“ befähigt sein. 
Der Irrthum entzieht leider unserem guten Handwerk 
viel Kraft, der Irrthum hat mitverschuldet, dass die 
Leute, die ihren Beruf verfehlt haben und verkommen, von 
Jahr zu Jahr an Zahl zunehmen. Gerade in dem Berufe 
des Handwerkers, des kleineren Gewerbetreibenden 
kann sich die höhere Befähigung viel entschiedener und 
nachhaltiger durchringen, als in den Ständen, für die 
eine besondere Befähigung als Vorbedingung gilt. Und 
wiepDft täuschen sich nicht zärtliche Eltern, wohlmeinende 
Lehrer über die Befähigung des Knaben! 
Wie oft reicht sie doch nicht aus, um das zu erreichen, 
was damit erreicht werden sollte! Und dann wird dieser 
Mangel der Grund zu einem unzufriedenen, dumpfen, 
sonnenlosen und sorgenvollen Dasein. Wenn doch jeder
	        
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