Volltext: VI. Jahrgang, 1901 (VI. JG., 1901)

Nr. 15. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 115. 
dass derartige Zustände dringend Abhilfe fordern, und 
dass es sich um eine wichtige, das ganze Reich berührende 
Präge handelt; es hiesse den eigenen Gesichtskreis be¬ 
schränken, wollte man die Angelegenheit bloss vom 
localen Standpunkte aus beurtheilen. 
Weite Gesichtspunkte sind es auch, die den Verfasser 
der Broschüre über die Reform der österreichischen 
Arb eiterw'ohnungs-Gesetzgebung leiten; er erkennt die 
Fehler, welche dem alten Gesetze anhafteten, und macht 
Vorschläge für die Behebung derselben, wenn dies auch 
neuerdings im Rahmen eines Steuergesetzes, wie es das 
frühere war, geschehen soll. Vor Allem soll durch die 
Gesetzgebung dahin gewirkt werden, dass bei möglichster 
Wahrung der Anforderungen der Hygiene einerseits und 
der Billigkeit anderseits auch dem anlagesuchenden 
Capital nicht jeder Anreiz benommen werde, sich auf 
diesem Gebiete zu bethätigen. Die fachmännischen Gut¬ 
achten — so führt der Verfasser des Näheren aus — 
schwankten hinsichtlich der zulässigen Maximal-Ver¬ 
zinsung des aufgewendeten Capitals zwischen 3-5 und 
4 °/0. Thatsächlich würde jedoch jede derartige Fixierung 
durch das Gesetz selbst dessen Zweck empfindlich be¬ 
einträchtigen. Den Vorschriften über die zulässige Maximal¬ 
verzinsung des in Arbeiterwohnungen investierten Capitals 
muss die nöthige Beweglichkeit gesichert bleiben und 
dieser Zweck ist nur dadurch zu erreichen, dass die 
Festsetzung des fraglichen Percentsatzes im Rahmen des 
Gesetzes der Verordnungsgewalt überlassen wird. Bei 
der örtlichen Zinsfussfestsetzung wird darauf Bedacht 
zu nehmen sein, dass die Investierung des Capitals in 
Gebäuden mit gesunden und billigen Arbeiterwohnungen 
anderen ähnlichen Capitalsanlagen gegenüber, wenn auch 
nur im beschränkten Masse, doch immerhin noch privi¬ 
legiert erscheint. Einen Zinsfuss, welcher sich um 0*15 
bis 0,30°/o über die ermittelte Durchschnittsverzinsung er¬ 
hebt, sieht der Verfasser im Allgemeinen als ausreichend 
an, um dem Vermieter einen angemessenen Antheil an 
dem Werte der Steuerbegünstigung zu sichern, die, nach 
Absicht des Gesetzgebers, in erster Linie den Mietparteien, 
der arbeitenden Bevölkerung, in deren Interesse das Gesetz 
erlassen wird, zugute kommen soll. Aus diesem Grunde 
wird das Gesammtzinserträgnis des steuerbegünstigten Ge¬ 
bäudes einer percentuellen Beschränkung unterworfen, 
dagegen aber dem Vermieter überlassen werden, inner¬ 
halb des zulässigen Gesammterträgnisses den Zins der 
einzelnen Wohnungen festzusetzen. Bei Festsetzung der 
zulässigen Maximalverzinsung soll übrigens nicht allein 
auf die Heranziehung des Privatcapitals, sondern nament¬ 
lich auch darauf Rücksicht genommen werden, dass 
öffentliche Anstalten, welche in irgend einer Weise die 
Zwecke des allgemeinen Besten zu fördern berufen sind, 
wie Kranken- und Unfallversicherungs-Anstalten, Landes- 
credit-Institute, Sparcassen etc., angeregt werden, ihre 
verfügbaren Capitalien in zunehmendem Masse in Arbeiter¬ 
wohnhäusern zu investieren. Es wird Aufgabe des Gesetzes 
sein, jene Resultierende zu finden, welche den auf beiden 
Seiten zu schützenden öffentlichen Interessen entspricht. 
In Hinsicht auf die den Bauführern zu gewährenden 
Begünstigungen wird das neue Gesetz im Allgemeinen 
an den Principien des alten festhalten, so dass dasselbe, 
wie schon früher erwähnt, seinem Wesen nach den 
Charakter eines Steuergesetzes nicht verlieren wird. Doch 
sollen die dem Erbauer der billigen und gesunden Arbeiter¬ 
wohnungen und durch diesen indirect dem Mieter der¬ 
selben gewährten Begünstigungen reichlichere als nach 
dem geltenden Gesetze sein, welches nur die Steuerfreiheit 
von der Hauszinssteuer auf 24 Jahre vom Zeitpunkte 
der Vollendung des Gebäudes gewähre. Im neuen Gesetze 
wird auch die Befreiung von der Hausclassensteuer und 
eine weitgehende Begünstigung in der Entrichtung des 
Gebürenäquivalents in Aussicht genommen. So tritt 
das früher ausschliesslich entscheidende finanzpolitische 
Moment in dem Masse zurück, als die hygienischen und 
ethischen Zwecke in den Bestimmungen des neuen Ge¬ 
setzes zu erhöhter Bedeutung gelangen. Hierin ist auch 
die fortschrittliche Ausgestaltung des Gesetzes zu er¬ 
blicken und der Weg zur weiterer socialpolitischen Reform 
in Hinsicht auf die Wohnungsgesetzgeber vorgezeichnet. 
Die Hauszinssteuer. 
(Referat und Beschluss des 3. Oesterr. Städtetages.) 
V. 
Die natürliche Folge dieser Sachlage wäre schliess¬ 
lich, dass der Staat, der, wie erwähnt, im Gesetze über 
die directen Personalsteuern ein mit der Steigerung ihres 
Ertrages im Verhältnisse stehendes Sinken des Ertrages 
der Realsteuern in Aussicht nahm, auf seine Einnahmen 
aus den Realsteuern ganz verzichte und sie den Ge¬ 
meinden überweisen könnte. Und dieses Ziel muss jeder 
einsichtsvollen Steuerpolitik doch eigentlich vorschweben. 
Mit einer allgemeinen staatlichen Personal-Einkommen¬ 
steuer erscheint ein so allumfassendes System von staat¬ 
lichen Ertragssteuern, wie es derzeit in Oesterreich be¬ 
steht, unvereinbar und um so widersinniger, als der 
Staat die Personal-Einkommensteuer ganz allein für sich, 
frei von Landes- und Gemeindezuschlägen haben will, 
und die autonomen Corporationen, welche sehr bedeutende 
eigene und staatliche Aufgaben zu besorgen haben, 
nöthigt, ihren Finanzbedarf lediglich durch Zuschläge zu 
den Ertragssteuern zu decken. Durch dieses Zuschlag¬ 
system werden die autonomen Körperschaften ge¬ 
zwungen, die Ertragssteuern, welche ohnehin die ärmere 
Bevölkerung schwer belasten, zu unmässiger Höhe zu 
steigern und die ungerechte Vertheilung des Steuer¬ 
druckes noch mehr zu verschärfen. Die Länder haben 
wenigstens von der Personaleinkommensteuer insoferne 
einen Vortheil, als ein Theil des Mehrertrages ihnen über¬ 
wiesen wird; die Gemeinden, namentlich die grossen, 
aber haben durch die neue Steuergesetzgebung nicht 
nur keinen Vortheil, sondern zum Theile sogar noch 
eine Beschränkung ihrer Steuerquellen erfahren. 
Mit Rücksicht auf diese Darstellung wird dem 
Städtetage folgende Resolution zur Annahme empfohlen: 
Resolution: 
„Es sei die k. k. Regierung aufzufordern, sie möge 
Veranlassung treffen, dass die feste Grenze, durch welche 
der Herabsetzung der Gebäudesteuer im Gesetze über die 
directen Personalsteuern ein Ziel gesetzt ist, aufgehoben 
und der ganze LTeberschuss zur Herabsetzung der Gebäude¬ 
steuer verwendet werde. 
Es sei ferner an die k. k. Regierung die Aufforderung 
zu richten, die Ergebnisse der Volkszählung vom 31. 
December 1900 über die Wohn- und Mietzinsverhältnisse 
der Bevölkerung zum Anlasse zu nehmen, eine aus¬ 
giebige Herabsetzung der staatlichen Hauszinssteuer zur 
Durchführung zu bringen, wobei auf die Möglichkeit 
eines allfälligen Ersatzes hingewiesen wird, der darin 
gefunden werden könnte, dass die Personaleinkommen-
	        
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