Volltext: VI. Jahrgang, 1901 (VI. JG., 1901)

Nr. 23. 
OBEROSTERRE1CH1SCHE BAU.Z15LTUNO. 
Seite 179. 
tekten in der Geselligkeit gewidmeten Räumen hinein¬ 
zubringen xvissen. Trouville besitzt nicht die grossartigen 
Bauten von Ostende, doch überbietet es dasselbe an Ver¬ 
gnügungen und flottem Leben. Kommt doch alles dahin, 
das ohne Zwang und jede Kritik ein flottes Leben 
führen will. Wein, Weib und Gesang herrschen hier, wie 
einst in Bajä und Puteoli der classischen Römerzeit. 
Trouville ist der volkstümlichste Unterhaltungsort 
Frankreichs und wird in Liedern und im Theater ge¬ 
feiert. 
Eine eigenthümliche Stellung nimmt Helgoland unter 
den Seebädern ein. Das keine Eiland bietet wenig, da 
auch der Raum zu einer baulichen Entwicklung fehlt, 
ja jährlich noch einige Centimeter Strand weggespült 
werden. Seitdem die Insel zu Deutschland gehört, be¬ 
sorgt denVerkehr in den Sommermonaten ein Hamburger 
Dampfer und sind auch die meisten Badegäste Hamburger. 
Unter den Seebädern Deutschlands gilt als das vornehmste 
Norderney. Einen ziemlichen Aufschwung hat das vom 
Oementfabrikanten Dyckerhof begründete Heringsdorf 
und das sich eines steigenden Besuches erfreuende Cranz 
genommen. Diese Seebäder bieten in ihren Bauten nichts 
bemerkenswertes. Besondere Aufregungen und Vergnü¬ 
gungen, wie auch Spielbanken fehlen und Ruhe und 
Beschaulichkeit ist überall zu finden. 
Meistgenannt unter den Seebädern des Südens ist 
die Insel Lido bei Venedig, an der Markung der Lagune 
und des adriatischen Meeres. Schon unter der öster¬ 
reichischen Herrschaft wurde der Lido vielgenannt und 
vielbesucht. Ich kenne seit mehr als dreissig Jahren die 
schöne Insel und habe auch im Frühsommer wieder 
einmal dort Bäder gebraucht. Vor kaum 10 Jahren war 
Lido Staatseigenthum als Fortificationspunkt, doch be- 
sassen daselbst Venezianer Wälder und einige Aecker 
und Weinculturen. Die Bauten der Insel waren gering 
und bestanden in der Einfahrt in den Lagunenhafen von 
Venedig aus einem Fort, einer Kirche und einigen von 
Italienern gehaltenen Speisehäusern an der Lagunenküste, 
wo die Dampfer und Gondeln, die den Verkehr mit 
Venedig vermitteln, den Hafenplatz haben. Von hier 
führte eine Pferdebahn (zwei einspännige Wagen) zu 
dem ungefähr zwei Kilometer entfernten Adriastrand, 
dessen langestreckte, geradlinige, sandige Ufer eine 
selten günstige Oertlichkeit zu Seebädern bieten. Vor 
25 Jahren benützte man nur die am Strand erbauten 
Hütten, die wie Theaterlogen vermietet wurden oder 
Eigenthum venetianischer Nobili waren. Dann erbaute 
man das grosse Bade-Etablissement und die Kabinen¬ 
annexe. Die grossen Holzgebäude stehen auf Piloten 
und sind weit in die See hineingerückt, so dass die 
mächtigen Wogen unter den Concert- und Speisesälen 
dahinrauschen. Die geräumigen Locale sind einfach, 
doch geschmackvoll ausgestattet, es sind eben Utilitäts- 
bauten, bei denen auf Fagadeneffect kein Wert gelegt 
wurde. Die Badegäste, die jedes Jahr in grösserer An¬ 
zahl aus Italien, England, Deutschland und dem benach¬ 
barten Oesterreich erschienen, legten den Gedanken 
nahe, die ziemlich primitiven Anlagen dieses Seebades 
zeitgemäss auszugestalten, denn die stärkenden Seebäder 
kamen immer mehr in Mode und beschäftigten auch 
ärztliche Kreise. So wurde denn auch eine Actien- 
gesellschaft mit einem Capitale von zwei Millionen Lire 
gegründet, welche in wenigen Jahren Lido in ein hoch¬ 
modernes elegantes Seebad umgestaltet hat. Das ganze 
Terrain wurde parkiert, Fahrstrassen zu Spazierfahrten 
angelegt, Parcellen zur Verbauung bestimmt und, um 
die Gäste dauernd an die Insel zu fesseln, grosse» glän¬ 
zend eingerichtete Strandhotels erbaut, die mit den 
Bauten in Ostende wetteifern können. Sehenswert sind 
die neuen Parkanlagen mit einem reichen Palmen- und 
Blumenwuchs, in denen, vom Verkehr abgelegen, eng¬ 
lische Oottagen ihre rothen Verblenderfagaden erheben. 
Es sind dies Familienhäuser für die zahlreichen englischen 
und amerikanischen Gäste, welche Lido immer mehr zum 
Aufenthalt wählen. Auch das gewerbliche Leben entwickelt 
sich immer mehr. — Da hat man wieder im Schweizer¬ 
stil eine grosse Molkerei und Milchcurhaus erbaut. Im 
italienischen Villenstil sind zahlreiche Gebäude entstanden, 
in denen der Handel mit Waren aller Art, besonders 
mit den bekannten Venezianer Specialitäten, und von 
besseren Handwerkern aller Gewerbe ausgeübt werden. 
Ein mächtiger Bau ist auch das Sommertheater mit 
elegantem Cafe und Restaurant. Zur Darstellung gelangen 
Operetten, Ballets und Spectakelstücke. All diese In¬ 
stallationen haben bewirkt, dass heute Lido zu den ersten 
und bestbesuchten Seebädern zählt. Auch über die See¬ 
bäder an der österreichischen Adria sei einiges bemerkt. 
Bilk. 
Neues von der Holzbrandtechnik. 
(Eingesendet.) 
So allgemeiner Verwendung der sog. Paquelin’sche 
Platinbrennstift, d. i. der bislang gewöhnlich in Gebrauch 
stehende Platinbrenner, sich erfreut, so leistet er in gar 
vieler Hinsicht nicht all das, was der Kunstgewerbetrei¬ 
bende und der Dilettant auf der Holzfläche erzielen will. 
Die sog. Decorations- und Tiefbrandstifte, die in den 
letzten Jahren in weiteren Dilettantenkreisen bekannt 
geworden sind, kamen deshalb recht erwünscht, wenn 
sie sich auch in ihrer Anwendbarkeit etwas einseitig er¬ 
weisen, d. h. nur je ein Dessin brennen. Die jetzige 
Saison bringt dagegen dem Dilettanten und Kunst¬ 
gewerbetreibenden zwei neue Brenninstrumente für den 
Holz- und Lederbrand, die,, schon was Vielseitigkeit und 
Neuartigkeit der Arbeitsleistung anbelangt, alle bisherigen 
Holzbrandinstrumente bedeutend übertreffen und ganz 
neue Techniken für den Dilettanten, wie den kunst¬ 
gewerblichen Holztechniker schaffen. Es sind das der 
Kohm’sche „Brennpinse1“, System Mayr zum „Pinsel¬ 
brand “ und „Schwarzbrand“ und die Kohm’sche „Prisma¬ 
punze“ zum „Kerbbrand“ und „Elegance-Tiefbrand“. Be¬ 
trachten wir die Leistungen dieser Instrumente, so ist 
es der durch D. R.-G. Nr. 155.680 geschützte Kohm’sche 
„Brennpinsel“, der, die Technik des Holz- und Leder¬ 
brandes verfeinernd und veredelnd, Brennstiftarbeit 
weit in den Schatten stellt, denn was bislang als 
„Brandmalerei“ bezeichnet wurde, ist lediglich ein Nach- 
colorieren einer mit mehr oder minder stumpfen Stiften 
gebrannten Zeichnung. Gerade dieses Zeichnen mit dem 
Brennstift aber gibt der Brennarbeit ein gewisses primi¬ 
tives Gepräge und nur der Vorgeschrittene erzielt auch 
mit dem Brennstift elegante und malerische Effecte. Mit 
dem Brennpinsel dagegen lässt sich die Pinseltechnik der 
Oelmalerei bei der Brandarbeit selbst am besten imitieren, 
wodurch die Bildwirkung wesentlich gewinnt. Die grössere 
Regelmässigkeit der Arbeit, der Reichthum an zart ver¬ 
laufenden, grossentheils der Holzschnittechnik ähnelnden 
parallelen Linien sichert der Arbeit bessere Modellierung 
und Weiche. Das mühsame Abschattieren mit dem Einzel-
	        
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