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Nr. -20.
OBERÖSTEREEICHISGHE BAUZEITUNG.
Hoher Kraftleistung dienstbar zu machen. 75.000 Natur¬
pferdekräfte werden dem Flusse auf diese Weise per
Secunde abgewonnen. Die Kosten des von Geheimrath
Professor Intze in Aachen geleiteten Baues wurden auf
3,000.000 Mark veranschlagt. Die Anlage verspricht jeden¬
falls, eine der interessantesten in ihrer Art zu werden.
In Deutschland rangen sich die städtischen Be¬
hörden, Volksvertretungen und Regierungen leider erst
zu spät zu der Erkenntnis durch, dass durch regelrecht
angelegte Thalsperren Wildbäche und Hochwasser nicht
nur ihrer Gefährlichkeit beraubt, sondern für weite
Länderstrecken zu Quellen des Segens gestaltet werden
können. Die diesbezügliche Schrift des Oekonomierathes
Classen aus dem Jahre 1876 gieng an den massgebenden
Kreisen fast spurlos vorüber, obwohl man in den Vogesen
schon 1871 Stauweiher angelegt hatte, die sich trefflich
bewährten. Die grösste der elsässischen Anlagen, die¬
jenige von Sewen im Kreise Thann, die ein Niederschlags¬
gebiet von 54 Quadratkilometer beherrscht, hat bei 22
Meter grösster Tiefe einen Fassungsraum von 100.000
Cubikmeter. Die Sperrmauer ist aus grossen Granit¬
würfeln mit Cement-Kalkmörtel in cyklopischer Weise
aufgeführt. Erst die starken Niederschläge zu Anfang der
Achtzigerjahre und die in ihrem Gefolge eingetretenen
Ueberschwemmungen Hessen die Thalsperrenfrage auch
in anderen Gegenden eine brennende werden. Zunächst
nahm man in Rheinpreussen und Westphalen die Stau¬
weiheranlage und die Verbauung der Wildbäche energisch
in Angriff, theils zu industriellen, theils zu landwirt¬
schaftlichen Zwecken, vielfach aber auch zur Versorgung
von Städten mit Trinkwasser. Am bekanntesten ist dies¬
bezüglich die Thalsperrenanlage im Eschbachthale bei
Remscheid geworden, da dieselbe durch den dortigen
Wasser- und Gasdirector Karl Borohardt eine muster-
giltige Beschreibung erfahren hat. An dieser Stelle kann
daher von ihrer näheren Erörterung abgesehen werden.
Erbauer dieser Anlage für Kraft- und Trinkwasser-Ge¬
winnung war Deutschlands grösste Autorität auf dem
Gebiete des Thalsperrenbaues, der jetzige Geheimrath
Professor Intze in Bonn. Gegenwärtig wird projectiert,
das Werk durch eine zweite Thalsperre zu ergänzen und
gleichzeitig es mit einer Filtrieranlage für Trinkwasser
zu versehen, da das in jüngster Zeit beobachtete Auf¬
treten von Typhus-Erkrankungen in Remscheid auf das
unfiltrierte Leitungswasser zurückgeführt wird. In ihrer
gegenwärtigen Gestalt hat die Anlage einen Fassungs¬
raum von 1,000.000 Cubikmeter. Die Sperrmauer wurde
so eingerichtet, dass die Kraftwirkungen sich beim leeren
wie beim vollen Becken stets im inneren Drittel der
Mauer dicke halten.
Ebenfalls von Professor Intze hergestellt wurde die
Sperre im Beverthale am Oberläufe der Wupper. Sie
besteht aus einer gekrümten Mauer in einer Dicke von
17 Meter an der Basis bis 4 Meter an der Krone, in
einer Länge von 250 Meter. Die Staubeckenfläche misst
500.000 Quadratmeter und der Inhalt des gefüllten
Weihers beträgt 4,000.000 Cubikmeter.
Auch Bayern, Sachsen, Schlesien und besonders der
Harz haben bereits kleinere und grössere Thalsperren
aufzuweisen. Speciell der letztere ist daran reich, und
manche darunter sind schon ziemlich alt.
Die Baukosten der deutschen Anlagen schwanken
pro Cubikmeter bebauten Wassers bei Erddämmen
zwischen 10 und 20, bei Mauerwerk zwischen 20 und
70 Pfennig.
Jedenfalls steht heute in Deutschland die Kunst des
Thalsperrenbaues auf der Höhe der Zeit, und es bleibt
nur zu wünschen übrig, dass ihre Leistungsfähigkeit
überall dort in Anspruch genommen werde, wo die
hydrographischen Verhältnisse es als zweckdienlich er¬
scheinen lassen.
Nachschrift der Redaction. Wir erlauben
uns, den obigen interessanten Ausführungen hinzuzu¬
fügen, dass es sehr zu bedauern ist, dass die staatlichen
Behörden diesem Gegenstand nicht erheblich grösseres
Interesse entgegenbringen, da dieselben doch die zunächst
dabei Beteiligten sind. Wenn man bedenkt, welche Un¬
summen jährlich für Ueberschwemmungsschäden und
Flussregulierungen vom Staate bezahlt werden, so ist
es doch ein naheliegender Gedanke, dass, wenn diese
Summen capitalisiert würden, sie uns in den Stand
setzten, ein wohlgeordnetes Thalsperrensystem über ganz
Deutschland zu bauen, weiches jegliche Ueberschwem-
mungsgefahr beseitigen und damit Verringerung derFiuss-
regulierungen zur Folge hätte, auch ohne Frage nicht
nur den grössten Einfluss auf die Niederschläge ausüben
würde, sondern besonders der Landwirtschaft durch
künstliche Bewässerung zugute käme, (siehe die obigen
Nilanlagen) und unserer Industrie eine solche Fülle
neuer billiger Wasserkräfte zuführen würde, dass der
Aufschwung sich gar nicht absehen Hesse; denn heute
sind die meisten Wasserläufe für industrielle Zwecke
unbrauchbar, da nicht constant, im Frühjahr zu wild, im
Hochsommer kraftlos und keinen regelmässigen Betrieb
zulassend ohne die Zuhilfenahme der Dampfmaschine.
Heute im Zeitalter der Elektricität sollte man glauben,
dass, wenn der Staat sich einer so wichtigen Sache nicht
im vollen Masse annehmen würde, die Industrie sich
selbst helfen., müsste durch Zusammenschluss zu Riesen¬
gesellschaften zur Ausnützung durch Thalsperren zu
schaffender Wasserkräfte; allerdings wäre dann zu
fürchten, dass das wohlüberlegte System eines Netz¬
werkes von Thalsperren zum Schaden der guten Sache
darunter zu leiden hätte und nur etwas halbes ge¬
schaffen würde, denn auch die Städte sind mit guter
Quellwasserleitung dabei betheiligt und unzählige andere
Interessenten mehr, nicht zum wenigsten die Schiffahrts¬
canäle.
Aus den G-emeinderaths-Sitzungen in Linz.
In der am 2. d. M. abgehaltenen Sitzung des Ge-
meinderathes in Linz wurden folgende Bauangelegen¬
heiten erledigt:
Gemeinderath Dr. Prohaska berichtet über das
Gesuch mehrerer Hausbesitzer an der äusseren Land¬
strasse um Verlängerung der Umbaufrist für ihre Häuser.
Der Gemeinderath hat bekanntlich im November 1898
den Besitzern der kleinen Häuser auf der Landstrasse
eine zwölfjährige Befreiung von der Gemeindeumlage
zugesichert, wenn sie ihre Häuser innerhalb einer be¬
stimmten Frist niederlegen und durch Neubauten ersetzen.
Von dieser Begünstigung haben wider Erwarten nur die
Besitzer der Häuser Nr. 59 und 61 Gebrauch gemacht.
Nunmehr ersuchen die übrigen Hausbesitzer den Ge¬
meinderath, die bezeichnete Frist bis Ende 1903 zu ver¬
längern. Das Stadtbauamt hat sich gegen eine solche
Verlängerung ausgesprochen. Im Namen der Petenten
stellt jedoch der Referent den Antrag: Die im Gemeinde-
rathsbeschlusse vom 9. November 1898 für eine zwölf¬
jährige Befreiung von der Gefrieindeumlage bestimmte