Volltext: VI. Jahrgang, 1901 (VI. JG., 1901)

Seite 132. 
OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Nr. 17. 
München über das „chemische Feuerlöschwesen in Haus 
und Familie“ anzuhören. 
Redner begann, wie uns das Bautechnische 
Bureau von Curt Lemcke, Berlin-Wilmers¬ 
dorf mittheilt, mit der Abweisung jener vielverbreiteten 
Ansicht, dass das chemische Feuerlöschwesen eine Er¬ 
rungenschaft der Neuzeit wäre, vielmehr sei dasselbe 
schon bei den ältesten Völkern Europas und Asiens 
nachzuweisen. Dasselbe war sowohl im alten Indien wie 
in Aegypten in Gebrauch. Der erste historisch verbürgte 
Fall liegt vor bei einer Belagerung, bei welcher Sulla, 
ein römischer Feldherr, die Thürme der belagerten 
Festung in Brand stecken wollte, dies jedoch nicht 
konnte, weil die Thürme von den Vertheidigern mittels 
einer Alaunlösung feuerfest gemacht worden waren. Bei 
den Römern war es eine allgemein bekannte Thatsache, 
dass Salzwasser beziehungsweise Alaunlösungen einen 
feuersicheren Anstrich lieferten. Davon wurde bei Ge¬ 
bäuden, hauptsächlich aber bei Belagerungsmaschinen, 
welche, da sie aus Holz gefertigt waren, von den Be¬ 
lagerten häufig durch Feuerbrände angezündet wurden, 
Gebrauch gemacht. Auch an den drei Psalmen singenden 
und unverletzt bleibenden Jünglingen im Feuerofen mag 
ein Körnchen Wahrheit sein, jedenfalls war das Geheim¬ 
nis, sich durch Imprägnierung gegen Feuer zu schützen, 
schon in alten Zeiten, bekannt. Namentlich waren es die 
Priester, welche sich im Besitze solcher Wundermittel 
befanden. So wird von Dianapriestern berichtet, dass 
sie alljährlich, um das Volk zu entmündigen, über feurige 
Kohlen liefen, ohne sich zu verbrennen. Man vermuthet, 
dass der Imprägnierungsstoff Vogelleim gewesen ist, 
jedenfalls waren es klebrige Stoffe, welche den Körper 
gegen den Einfluss des Feuers schützten. Aus dem 
Mittelalter meldet man, dass die Priester Mittel wussten, 
um bei den sogenannten „Gottesgerichten“, bei welchen 
die betreffenden Personen dem Feuer ausgesetzt wurden, 
ihre Günstlinge zu retten. Eiweiss, Malvenschleim, Essig, 
vermischt mit Kalk etc. werden als Mittel angegeben, 
um die Haut gegen Feuer unempfindlich zu machen. 
Natürlich waren die Priester infolge des Besitzes. dieses 
Geheimmittels unversehrbar und brauchten deshalb eine 
Feuerprobe nicht zu scheuen. Solche Gottesgerichte 
wurden dergestalt abgehalten, dass z. B. jemand glühen¬ 
des Eisen vom Taufstein zum Altar tragen oder über 
glühende Pflugscharen gehen musste, wobei nun die 
betreffenden Körpertheile, die mit dem Feuer in Berüh¬ 
rung kamen, bestrichen wurden. Ein Streit zwischen 
dem Bischof von Lausanne und Rudolf von Burgund in 
Betreff eines Waldes wurde so geschlichtet, dass jeder 
einen Dienstmann zur Feuerprobe stellen, musste. Der 
Streit endete zu Gunsten des Bischofs, der sein neues 
Besitzthum lediglich seinen chemischen Kenntnissen zu 
verdanken hätte. Selbst Kaiserinnen wurden dem Gottes¬ 
gerichte unterworfen; war ein Verdacht wegen ihrer 
ehelichen Treue entstanden, so mussten sie sich davon 
reinigen, indem sie im blossen Hemde über glühende 
Kohlen giengen. Natürlich sprang auch hier öfter die 
Chemie als Retterin der bedrängten Tugend ein. 
Die chemischen Salze fanden wohl ihre erste An¬ 
wendung im dreissigjährigen Kriege unter den Schweden. 
Sie fertigten Patronen an, stopften gestossenen Alaun 
hinein, in die Mitte PulVer und einen Zündfaden. Die 
Patronen wurden in das brennende Gebäude geworfen 
und der Brand somit gelöscht. Diese Patronen wurden 
auch in grösseren Dimensionen hergestellt und mit 
Wurfmaschinen in den Brand befördert. Das Feuer wurde 
mehr durch die heftige Lufterschütterung infolge der 
Explosion als durch das Alaun gelöscht. Dies zeigte 
sich auch bei dem berühmten Londoner Brand von 1666. 
Die ganze Stadt drohte schon in Flammen aufzugehen, 
die Löschmittel erwiesen sich als unzureichend, da kam 
man auf den Gedanken, die Reihe der brennenden Häuser 
zu durchbrechen und sprengte ein grosses Gebäude in 
die Luft. Durch die colossale Lufterschütterung war 
sofort der Brand gelöscht. Auf diesem Principe beruht 
das um 1720 erfundene „Löschfässchen“. Dieses wurde 
in das brennende Haus gerollt, explodierte und erstickte 
so den Brand. Die Entwicklung gieng weiter, eine Er¬ 
findung folgte der anderen, wobei sich namentlich die 
Schweden rege betheiligten. Anfangs des 19. Jahrhunderts 
wurde Alaun und Kochsalz gemischt, 1846 von Bergrath 
Kühn in Meissen die Löschdose erfunden, sodann ein 
Kuchen aus Schiesspulver; welcher, wenn er ins Feuer 
geworfen wurde, schwefelige Gase entwickelte und so 
den Brand erstickte. 1864 folgte die Erfindung des 
„Extincteurs“, welcher aus einem Metallcylinder besteht. 
Ende der Achtzigerjahre erregte das Feuerlöschpulver 
grosses Aufsehen und wurde auch eifrig gekauft. Die 
Brandproben gelangen vorzüglich, da hier gewisse 
Machinationen für das Functionieren sorgten; diese 
fehlen in der Praxis und so hat man die theuren Feuer¬ 
löschpulver nicht mehr verwendet. Ein ähnliches Schicksal 
wurde den Feuerlöschgranaten zutlieil, welche von Amerika 
aus mit grossem Eifer vertrieben wurden, sich aber in 
der Praxis nicht recht bewährt haben. Um das Publicum 
vor dem Ankauf zu warnen, erliess der Polizeipräsident 
Richthofen am 15. October 1889 eine Warnung vor der¬ 
artigen Fabrikaten. Die Warnung ist übrigens auf Ver¬ 
anlassung des . Herrn Vortragenden erfolgt, welcher an 
zuständiger Stelle die volle Wertlosigkeit der betreffenden 
Feuerlöschmittel wissenschaftlich nachgewiesen hat. Nach 
diesen vielfachen Enttäuschungen drängt sich wieder die 
Frage auf: Was haben wir nun für Mittel, einen kleinen 
häuslichen Brand selbständig zu löschen? Häufig genügt 
schon etwas Wasser, Tücher, Teppiche zum Ersticken 
des Feuers; man kann auch einen Blumentopf zer¬ 
schlagen und die Erde zweckmässig als Löschmittel 
verwenden. Die kleinen Kübelspritzen, vielfach in der 
Ausstellung zu sehen, sollten in keinem Haushalt fehlen, 
ebenso für ernstere Fälle eine feuersichere Löschdecke. 
Beim Brand einer Petroleumlampe wirft man eine Decke 
über und erstickt so das Feuer. Ist das Dienstmädchen 
einmal der Versuchung unterlegen, das Feuer durch 
Petroleum zu verstärken oder will eine Dame beim 
Lockenbrennen Spiritus nachfüllen, so kann leicht ein 
Brand entstehen. Um das zu verhüten, halte man sic.h 
eine Flasche vorräthig, welche circa S1^ Liter salz¬ 
haltiges Wasser enthält, welche gute Dienste leisten 
wird. Die Löschutensilien sollen leicht sein, damit sie 
auch von Damen benutzt werden können. Leicht ent¬ 
zündliche Stoffe, wie Vorhänge, Portieren u. dgl. m. kann 
man leicht durch Imprägnieren schützen, welches jeder 
Laie leicht/ ausführen kann. Vortragender zeigt Scharlatan¬ 
stoffe' Arrangements aus Stoffblumen, welche ihre ur¬ 
sprüngliche Farbe bewahrt haben, trotzdem sie impräg¬ 
niert sind. Am besten eignen sich bei gefärbten Stoffen 
Anilinfarben, welchen die Imprägnierung absolut nichts 
anhaben kann, ebenso werden Tücher, Leinwand etc. 
durch Imprägnierung feuersicher gemacht. Diese Stoffe 
zeigen, nachdem sie über eine Lampe mit 16—18.000 Grad
	        
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