Nr. 17.
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG.
Seite 131.
dem Heilungsuch enden trinkgeldheischend entgegen¬
stellen und auch für Dienste Entlohnung fordern, die
überhaupt nie geleistet wurden I
All das sind Uebelstände unserer Bäder und Heil-
stätten-Industrie, die fern von Humanität Kranken und
selbstredend oft auch Minderbemittelten für hohe Beträge
kaum den bescheidensten Comfort zu.bieten wagt. Leicht¬
gläubige werden da durch Prospecte, Inserate, breit¬
spurige Anpreisungen, romanhaft verfasste Badeort-
Broschüren mit fascinierenden Ansichten all der Herr¬
lichkeiten, die das paradiesisch gelegene „Stinkenbrunn“
bieten soll, irregeführt, und die Heilungsopfer werden
nie alle!
Die meisten Heilstätten, das ganze Bäderwesen über¬
haupt fordert dringend nach Reformen. Die politischen
Behörden aller Länder sind gutherzig genug, um jedem
Orte, ob er hiezu taugt oder nicht, das Monopol als
„Curort“, das Recht zur Einhebung von Cur-, Verschöne¬
rungs- und Musiktaxen zu gewähren. Nach diesem Privi¬
legium sind daher die Curgäste berufen, die Mittel zu
bieten, dass irgend ein in den weitesten Kreisen un¬
bekannter Ort mit einer zweifelhaften Quelle sich zu
einer Heilstätte ausgestalten könne. Dieses Vorgehen
der Behörden muss als Uebereilung bezeichnet werden.
Man sollte doch zuerst untersuchen, ob die Quelle Heil¬
wert besitzt, ob die Anlagen für Bäder und andere Heil¬
zwecke wirklich allen bautechnischen und hygienischen
Anforderungen entsprechen, ob auch die Wohnungsfrage
der Kranken und Heilungsuchenden in zeitgemässer
Form gelöst ist. Eben in diesen Orten sollte man mit
dem Benützungsconsens der Wohnungen sehr strenge
vorgehen und eine stete Ueberwachung der leeren und
möblierten Wohnungen einführen. Warum bestehen bis
heute noch nicht gewisse Baunormen für Bäder, Bade¬
hotels, möblierte Häuser? Warum hat man eben für
dieses Bauwesen, das heute so üppig aus dem Boden
schiesst, keine Verordnungen und Gesetze geschaffen ?
Warum hat man nicht wie in den grossen mustergiltigen
Curorten der Vereinigten Staaten Nordamerikas nicht
streng einzuhaltende Tarife für Heilzwecke und Woh¬
nungen aufgestellt, die für alle dieselben Rechte und
Gegenleistungen bieten? Wir in Europa haben wohl
Tarife für Bäder, ganz abgesehen von den unerlässlichen
Trinkgeldern, doch mit den Wohnungen und anderen
Erfordernissen ist man in den Preisforderungen ganz der
Willkür der Curgewaltigen und Eigenthümer überlassen.
In vielen Orten hat man wohl als behördl. Ueberwachungs-
organe Badecommissäre ernannt, denen jedoch all diese
Agenden ferne liegen. Es sind dies zumeist vornehme
oder sich vornehm dünkende Herren, die für all das
keine Augen haben, Repräsentations-Pflichten üben, in
der Gesellschaft den Schwerenöther spielen, sich als
Vergnügungsapostel gefallen. Trotz dieser Amtsperson
können die Bauten, die Installationen aussehen wie sie
wollen, der Herr Coramissär hat für all das kein Auge!
Und wie sieht es mit den öffentlichen, bloss für
Reinigungszwecke bestimmten Bädern der grossen Welt¬
städte und der grossen Gemeinden überhaupt aus?
Der Staat überlässt diese Sorge der Gemeinde-Ver¬
waltung und umgekehrt. Und so verharren beide in Un-
thätigkeit und lassen die hochwichtige sanitäre Frage
öffentlicher Bäder ganz unberücksichtigt.
Man überlässt die Bäderbauten und deren Betrieb
Privat-Unternehmern, welche wie in früheren Jahr¬
hunderten dieses Geschäft in primitiver Art gewerb-
mässig betreiben. Trotzdem spricht man von öffentlichen
Bädern — wohl darum, weil jeder für sein gutes Geld
derartige hygienische Anstalten besuchen kann. Von
irgend einem System, einer als praktisch den Zweck er¬
füllenden Bautype, von gewissen zweckdienlichen An¬
lagen und Einrichtungen ist keine Rede. Zumeist wird
ein sogenanntes Wannen- oder Dampfbad in irgend einer
keinem anderen Zwecke mehr nutzbaren Baracke oder
in einer kleineren Mietkaserne, oder nur in einigen Ge¬
schossen derselben installiert. Weder der Bauherr und
Unternehmer, noch der Bau- oder Maurermeister, noch
der sogenannte Installateur für Wasserleitungs-Arbeiten
haben kaum Sinn und Verständnis wie ein allgemeines
Bad eingerichtet sein soll! Zumeist fehlen auch die
Mittel, um derartige Adaptierungen in besserer und
eleganterer Form durchzuführen. Map sieht in den dürftig
ausgestatteten schmalen Räumen, dass eben nur das
Nothwendigste und ganz Unentbehrliche vorhanden ist.
Man findet kaum die einfachste Decoration, den be¬
scheidensten Comfort. Selbst das Wasser wird dem
Badegaste mit der grössten Sparsamkeit zugemessen
und auch die Wäsche ist in den bescheidensten Ab¬
messungen zugeschnitten. Und trotzdem werden für die
Benützung derartig höchst bescheidener Reinigungs¬
anstalten ganz ansehnliche Beträge abgefordert. Selbst
in grossen Städten finden sich wenige grosse Bade¬
anstalten als selbständige grosse Bauten, die durch eine
reichere Fagadenentwicklung, durch einen gewissen
monumentalen Charakter sich als Öffentliche gemein¬
nützige Anstalten zu charakterisieren imstande wären.
In den wenigsten Städten wird auch die Zahl der all¬
gemeinen Badeanstalten als der Bevölkerungszahl ent¬
sprechend angenommen. Ich kenne Städte mit mehr als
100.000 Einwohner, die nur über ein oder zwei öffent¬
liche Bäder verfügen. Kleinere Orte besitzen überhaupt
keine derartigen Sanitätsanlagen. Man muss in vielen
Orten auf den Sommer warten, wo die Nähe eines Flusses
oder Teiches ein Kalt wasserbad ermöglicht. Und da
hört man oft Gemeindevorsteher sagen: Was kümmert
die Gemeinde die Bäderfrage, dieselbe hat kein Geld für
solche Bauten und dieselben entsprechen auch keinem
Bedürfnisse. Die Reichen lassen sich in ihren Häusern
und Wohnungen eigene Badezimmer einrichten und für
Volksbäder haben wir kein Geld. Für die Arbeiter haben
wir nach Vorschrift in den Fabriken Brausebäder, und
auch Wannen. Das müssen wir Privatunternehmern
überlassen und die scheuen das Risico. So wälzt der
Staat die Verpflichtung zur Errichtung öffentlicher Bäder
auf die Gemeinde und diese will wieder Badhausbauten
nur Privatunternehmern überlassen. So ist es denn
Thatsache, dass auf diesem Baugebiete eine Lethargie
lastet und dass den Architekten so selten Gelegenheit
geboten wird, ihr Talent in derartigen Bauausführungen
zu bekunden.
Im Folgenden soll nach dieser Einleitung über
Bäderbauten von „Einst und Jetzt“ gesprochen werden.
Bück.
Das chemische Feuerlöschwesen in Haus
und Familie.
Am 18. Juli d. J. hatte sich im Kuppelsaale der
„Internationalen Ausstellung für Feuerschutz und Feuer¬
rettungswesen“ in Berlin eine zahlreiche Zuhörerschaft
versammelt, um den mit Demonstrationen verbundenen
Vortrag des Herrn Chemikers Konrad Gautsch aus