Volltext: VI. Jahrgang, 1901 (VI. JG., 1901)

Seite 130. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Nr. 17. 
durch die reine Ausführung auch erreicht wurde. Ueber 
die Herstellung des ganzen Baues lässt sich nur das 
Beste berichten. 
Der Unternehmer der Bauausführung, Herr Bau¬ 
meister Franz Weikl, hat es nach keiner Seite hin 
fehlen lassen, dem Gebäude jene Solidität und Ausstattung 
zu verleihen, die es nöthig hat, um als eine Versorgungs¬ 
anstalt, welche unter bischöflicher Patronanz steht, gelten 
zu können. 
Vom Mauer werk an bis zum kleinsten Gegenstand 
ist alles in einer Weise ausgeführt, was die grösste 
Dauerhaftigkeit verspricht, und trotzdem ein gefälliges 
Aussehen nicht entbehrt. 
Es zeigte sich auch bei der Uebergabe des Baues, 
dass sowohl der bischöfliche Bauherr, als auch alle 
anderen der Anstalt nahestehenden Persönlichkeiten von 
der Ausführung des Baues höchlichst zufrieden waren, 
was Herrn Baumeister Franz Weikl nur zur Ehre 
gereichen kann. Eduard Kornhoff er. 
Bäder und Heilstättenbauten. 
i. 
Im 19. Jahrhundert hat die Erfindung, Gründung, 
der Bau und die Einrichtung von Bädern, Heilquellen, 
.Curorten und Heilstätten ihren Höhepunkt erreicht. 
Menschenwitz, Heilkunde, Handelsgeist und Aussicht auf 
reichen Geschäftsgewinn hat da eine Grossindustrie ge¬ 
schaffen, deren Object die kranke oder vergnügungs¬ 
süchtige Menschheit ist. Schon naht die Bäder- und 
Ourzeit in den Heil- und Vergnügungsbädern ihrem Ende? 
das letzte Viertel für die Minderbemittelten mit den auf 
den Selbstkostenpreis (!) herabgesetzten Wohnungs-, 
Verpflegs- und Curkosten beginnt, und noch immer finden 
wir in Tages- und Unterhaltungsblättern die Reclamen 
zahlloser Heilstätten, die unermüdlich neue Kunden und 
Gläubige heranziehen wollen! Die Zahl der verschie¬ 
densten Heilsysteme, der Heil- und Wunderquellen, 
Wassercuren, Natur- und Luftheilanstalten/Warmbäder 
und anderer Heilstätten neuester Erfindung nimmt von 
Jahr zu Jahr stetig zu, so dass beinahe jeder bessere 
Ort mit einigen Bergen, Wäldern und Wiesen urplötzlich 
durch einen findigen Unternehmer, einen kundenlosen 
Arzt ganz unberufen zu einem Luft- und Höhencurorte 
umgewandelt wird. Das übrige besorgt die Reclame. 
Man liest dann bald von einem paradiesischen Thale, 
von ozonreicher Luft, von Staub- und Windfreiheit, von 
wahren Kraftwässern mit mehrfach von Leuchten der 
Wissenschaft analysierten Mineralien. Die Bäder, Wohn¬ 
häuser, das Curhaus sind von dem Specialarchitekten 
X. im modernsten Stile mit dem neuesten zeitgemässen 
Comfort erbaut worden. Man war auch so glücklich, als 
Chefarzt den bekannten Specialisten UMDr. Y., die Zierde 
mehrerer Universitäts-Cliniken, dessen wunderbare Heil¬ 
erfolge überall Sensation erregten, zu gewinnen. Und 
um all diesen Herrlihckeiten die Krone aufzusetzen, hat 
man für die culinarischen Genüsse sich des berühmten 
Restaurateurs Z. aus der Residenz versichert. Kurz, in 
spaltenlangen Artikeln, täglichen Inseraten in den ge- 
lesensten Tages- und Modeblättern wird mit Posaunen- 
stössen für den neuen Curort Stimmung gemacht. Bald er¬ 
scheinen dann neben den angeworbenen Mustercurgästen 
auch einige gläubige hohe und höchste Herrschaften, 
deren Namen dann zu weiteren Reclamen herangezogen 
werden! Das Geschäft wäre daher wohl glücklich be¬ 
gonnen und die Gewinne für Aerzte und Unternehmer 
werden nicht ausbleiben. Freilich wird da von Unbethei- 
ligten zu untersuchen sein, ob all die erstaunlichen An¬ 
preisungen nicht der Märchenwelt entnommen sind! 
Europa zählt heute tausende von wirklichen und 
angeblichen Curorten. Was erstere in Wirklichkeit be¬ 
sitzen, muss den letzteren mit kühner Phantasie an¬ 
gedichtet werden. So sucht man das Vorhandene und 
die Dichtung geschäftlich zu fructificieren und sind die 
letzteren Orte, wenn überhaupt Vergnügungen geschaffen 
wurden, bloss eigentliche Vergnügungsanstalten, bei 
denen der Heilzweck kaum ernst genommen werden 
kann. So hat sich in den abgelaufenen 50 Jahren auch 
die Industrie der Seebäder ins Ungeheuerliche entwickelt. 
Man hat für diese zweckdienlichen Einrichtungen bei¬ 
nahe gar keine Reclame gebraucht. Man hat Seebäder 
aller Ordnungen von eigentlichen Weltseebädern mit den 
herrlichsten Bauten und Unterhaltungsorten bis zu den 
bautenlosen Strandbädern an der Nord- und Ostsee, in 
denen das einzige Bauwerk, der primitive Badekarren 
und das hochgiebelige Bauern- oder Fischerhaus das 
einzige Casino ist, mit dem sich der bedürfnislose Bade¬ 
gast vertraut machen muss. 
Trotzdem das Badewesen auf eine jahrtausendelange 
Entwicklung, auf einen Auf- und Niedergang zurück¬ 
blickt, so kann doch nicht gesagt werden, dass sich 
eine typische Architektur für derartige Anlagen heraus¬ 
gebildet hätte. Selbst in den grossen und berühmten 
Curorten finden wir ganz zweckwidrige, gegen alle 
Regeln der Bauhygiene widersprechende Anlagen für 
Heil- und Wohnzwecke, wenn sie auch der neuesten 
Zeit ihren Ursprung verdanken. In vielen, namentlich 
älteren Curorten ist das ganze Bauwesen, namentlich die 
arg vernachlässigten Logierhäuser in einem isanitäts- 
widrigen Zustande; Staub und der Mangel einer aus¬ 
reichenden Strassensäuberung und Wassersprengung, 
jedweder Canalisation machen sich unliebsam bemerkbar. 
Die sogenannte Curcommission, die einzelnen Hauseigen- 
thüm.er denken sich eben, dass das Publicum, die gut- 
müthigen Zahler, auch mit dem veralteten Trödel vor¬ 
lieb nehmen müssen, da sie Vertrauen zu der Heilkraft 
der primitiven Bäder haben.. Wird in vielen Orten absolut 
gar nichts Zeitgemässes geboten, so verabsäumt man es 
doch nicht, für unbekannt e Zwecke sogenannte. Gürlaxen 
einzuheben, selbst von Leuten, die. enttäuscht nach 
einigen Tagen die vielgepriesene Heilstätte verlassen. 
Denn leider scheinen die lieben Curgäste nur dazu gut 
zu sein, um die Säckel der Unternehmer, . Aerzte, Ver¬ 
mieter zu füllen, die dann nach dem mühelosen Fisohzuge 
den Winter, in einem wonnigen dolce far niente ver¬ 
träumen. Die • eingeborenen Insassen sehen mit einer 
. gewissen Herablassung auf die gpidzuführenden gläubigen 
Opfer, denen sie in der Hauptsache ihre Atzung ver¬ 
danken. Einheitspreise bestehen gar nicht. ,Man macht 
Preise nach dem Ansehen der. Person, nimmt überhaupt 
so viel als man erhalten kann. So machte ich die Er¬ 
fahrung, dass der eine für ein mit Möbeln, aus der Zeit 
des Kaiser Franz ausgestattetes, angeblich insectenreines 
Zimmer täglich nur 5 fl., ein anderer, weil er weniger 
prunkvolles Kofferwerk mit sich führte, bloss die Hälfte 
bezahlen musste. Freilich wurden diese bescheidenen 
Ansprüche noch /durch ganz geistreich erfundene Neben- 
gebüren, Zusätze zu den Wochenrechnungen in unliebsamer 
Weise erhöht. Und dann die zahlreichen offenen Hände, 
die sich an allen Orten vom Morgen bis zum Abend
	        
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