Volltext: IX. Jahrgang, 1904 (IX. JG., 1904)

Nr. 7, 
Oberösterreichische Bauzeitung 
Seite 53. 
Angelegenheit seine vollste Aufmerksamkeit widmen zu 
wollen, erklärte jedoch, den von der Donauregulierungs- 
Kommission gefassten Beschluss nicht mehr abändern 
zu können. Selbstverständlich! Gnadenakte werden nie¬ 
mals revoziert, auch wenn sie durch einen Irrtum herbei¬ 
geführt wurden, und ein Gnadenakt war diese Vergebung, 
keineswegs das Resultat sorgfältiger und korrekter Prüfung. 
Werden nun dem Industrierat, in dessen Schosse 
die Angelegenheit der Regelung des Submissionswesens 
seit drei Jahren ruht, endlich die Augen aufgehen, wird 
er endlich zur Ueberzeugung gelangen, dass nur die 
vollste Oeffentlichkeit der Offertverhandlungen solche 
Vorkommnisse unmöglich machen und der Protektions¬ 
wirtschaft ein Ende bereiten kann? Wird er endlich zur 
Ueberzeugung gelangen, dass in dieser Beziehung die 
Interessen der Industrie mit jenen des Gewerbestandes 
parallel laufen und dass sie nur die Höhe der Beträge, 
um welche es sich bei dem einen und dem anderen han¬ 
delt, unterscheidet. Hoffen wir, dass dieses Vorkommnis 
dem Industrierate endlich nahelegen wird, wie sehr die 
Regelung des Submissionswesens und der Einführung der 
vollsten Oeffentlichkeit in demselben nicht nur dem 
Gewerbestande, sondern ebenso der Grossindustrie drin¬ 
gend notwendig ist, und denselben veranlassen, zur end¬ 
lichen Regelung des Submissionswesens das Seinige bei¬ 
zutragen, was er bisher nur sehr zögernd und in ganz 
unzureichender Weise getan hat. Vielleicht war diese 
Angelegenheit der notwendige Anstoss, um die Frage ins 
richtige Geleise zu bringen. „Wiener Communalblatt.“ 
Geschichte der Grundsteinlegung eines 
Gebäudes. (Schluss.) 
Drei Inschriften, welche sich auf die Grundsteinlegung 
beziehen und in verschiedenen Kirchen, die eine in 
Deutschland, die zweite in Monbrison, die dritte in der 
Nachbarschaft von Paris aufbewahrt werden, mögen hier 
noch Erwähnung finden. Die erste in der Kirche des 
heiligen Quirinus in Neuss (bei Düsseldorf) berichtet 
einfach die Tatsache der Grundsteinlegung im Jahre 1208; 
die zweite ist detaillierter und erzählt, dass im Jahre 1226 
der Grundstein der Kirche von Monbrison feierlich von 
dem jungen Grafen Guy V., der damals noch ein Kind 
gewesen, gelegt worden sei. Die dritte Inschrift befindet 
sich in der Kirche von Garches bei Mont Valerien und 
berichtet über deren Grundsteinlegung im Jahre 1297. 
Die Stadt Paris liefert zwei Beispiele von Grund¬ 
steinen aus dem XIV. und XV. Jahrhundert, welche 
deshalb besonders interessant sind, weil sie an derselben 
Stelle gefunden wurden, an die sie von ihren frommen 
Stiftern gelegt waren. Als im Jahre 1847 die Kirche der 
Cölestiner zerstört wurde, um die Kavallerie-Baracken, 
welche jetzt ihre Stelle einnehmen, zu errichten, fand 
der Architekt Ohasles unter der Mauer der Apsis und 
genau in der Achse des Gebäudes einen kubisch ge¬ 
formten Stein mit eingeschnittenem Kreuz von vier 
Zweigen, deren jeder am Ende eine Lilie trug und auf 
der Oberfläche des Steines eine Inschrift, welche berichtet, 
dass derselbe im Jahre 1307 gelegt worden sei. 
Der andere Stein ist nicht weniger interessant und 
zeugt von der Sorgfalt, mit welcher die Architekten zu 
Werke gehen, wo es sich um die Restauration von alten 
Bauwerken und um Bewahrung besonders interessanter 
Reste handelt. Im Jahre 1812, als die Kirche der Karme¬ 
liter auf dem Platze Maubert abgerissen wurde, um dem 
Markte gleichen Namens Platz zu machen, wurde der 
Grundstein der Kirche gefunden, dessen Inschrift kon¬ 
statierte, wie er im Jahre 1409 gelegt worden. 
In der Epoche des Wiederauflebens der Künste und 
Wissenschaften, als die Architektur in Italien den Impuls 
antiker Begeisterung empfing, schützten und schirmten 
die Päpste, welche im XV. und XVI. Jahrhundert 
herrschten, die Architektur in grossmütigster Weise. 
Martin V., Nikolaus V. und andere Pontifices haben das 
Andenken ihrer Werke in mehr als einer Denkmünze 
bewahrt; Paul III. legte ein Bildnis in den Grundstein 
des von ihm errichteten Werkes, eine Handlung, die von 
den Zeitgenossen als übelangebrachte Eitelkeit ge¬ 
tadelt wurde. 
Alle die Zeremonien, welche die Grundsteinlegung 
von Denkmälern des neueren Italiens begleiteten, aufzu¬ 
zählen, dürfte schwierig sein, es genüge hier, aus der 
Geschichte Roms von Gregorovius die merkwürdigen 
Feierlichkeiten, durch welche die Grundsteinlegung der 
neuen Basilika von St. Peter unter dem Papste Julius II. 
am 18. April 1506, verherrlicht wurde, anzuführen. „Der 
Papst verliess in Prozession den Hochaltar der alten 
Kirche und wandte sich nach der ausserordentlich tief 
ausgehobenen Baugrube, in die er ohne Zögern, trotz 
seines hohen Alters, auf einer Leiter hinabstieg, von 
zwei Kardinälen, Zeremonienmeistern und nur wenigen 
anderen Personen begleitet. Ein Goldschmied brachte 
darauf in einer Tonvase zwölf für diesen Zweck eigens 
geprägte Medaillen herbei, zwei grosse in Gold, die 
anderen in Bronze mit Inschriften, die auf das Ereignis 
Bezug hatten; diese wurden sodann vergraben. Nach¬ 
dem nun der aus weissem Marmor gearbeitete Grund¬ 
stein in das Mauerwerk verlegt war, wurde zu seiner 
Weihung geschritten.“ 
Im Jahre 1645 legte Ludwig XIV., der damals noch 
ein Kind war, den Grundstein der Kirche von Val de 
Grace, von Frangois Mansard entworfen ; dabei wurde 
ebenfalls eine zu diesem Zwecke gefertigte goldene 
Medaille, welche auf der Reversseite die Fassade des 
Bauwerkes trug, in den Grundstein eingeschlossen, die¬ 
selbe Zeremonie wurde bei der Grundsteinlegung des 
Invalidendoms 1670 beobachtet. 
Aus diesen wenigen hier angeführten Tatsachen 
kann ersehen werden, wie zu verschiedenen Zeiten der 
Grundstein stets mit Verehrung betrachtet wurde und 
auch unser Jahrhundert ist der altgewohnten Sitte treu 
geblieben. Auch heute noch wird die Grundsteinlegung 
bei öffentlichen, wie Privatgebäuden mehr oder weniger 
feierlich begangen. Kein wichtigeres Gebäude wird jetzt 
erbaut, wo nicht zwei Steine von beträchtlichen Dimen¬ 
sionen besonders zugerichtet und aufeinander gelegt 
werden; der untere von diesen ist mit einer Höhlung 
versehen, der eine auf Metall eingravierte oder auf 
Pergament geschriebene Inschrift mit den Namen des 
Gebäudes, dem Gegenstand der Gründung und anderer 
Informationen aufzunehmen bestimmt ist. Auch die alte 
Sitte, Münzen zu vergraben, ist beibehalten. 
In katholischen Ländern weiht die Geistlichkeit 
den Stein samt seinem Inhalte ein. In England ist die 
Feier, welche die Grundsteinlegung begleitet, nicht 
weniger verbreitet wie in anderen Ländern. 
Die Sitte, den Grundstein von Gebäuden zu weihen, 
sehen wir also zurückreichend bis in die Anfänge der 
Zivilisation und stets haben hochstehende Personen diese 
Weihung vollzogen bis auf den heutigen Tag. W.--S.
	        
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