Volltext: IX. Jahrgang, 1904 (IX. JG., 1904)

Seite 44. 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 6. 
da nach allen bei Theaterbränden bisher gemachten 
Erfahrungen derartige Einrichtungen infolge der Angst 
des Personales gar nicht gehandhabt werden und sind 
daher absolut zu verwerfen. 
Automaten aus Metall sind ebenfalls verwerflich, 
weil sie nach längerer Zeit verrosten oder bei dem 
Brande infolge der Ausdehnung des Metalles durch die 
Hitze sich verklemmen können. Zudem liegt die Gefahr 
nahe, dass drehbare Klappen trotz allfälliger Gegen¬ 
gewichte durch die heftig ausströmende Luft in Schwin¬ 
gungen versetzt werden und sodann die Wirkung der 
Esse beeinträchtigen, wenn nicht ganz aufheben. Eiserne 
Klappen, die sich durch ihr Eigengewicht, das ausgelöst 
wird, Öffnen sollen, gehen nicht auf, weil der grosse 
Ueberdruck die Klappen an die Rahmen anpresst und 
das Aufgehen verhindert. Beispielsweise hätte bei den 
Versuchen an dem Modelle der Druck pro 1 m2 der 
Klappe 166 bis 200 hg betragen, während der Quadrat¬ 
meter eines 10 Millimeter starken Bleches nur 78 hg wiegt. 
Alle diese Uebelstände werden vermieden, wenn die 
Verschlüsse aus einem leicht brennbaren Stoffe herge¬ 
stellt werden und als solche empfehlen sich mit Papier 
überzogene und gefirnisste Hanf- oder Jutegewebe, 
Zelluloid und dergleichen, die den sonst störenden Luft¬ 
zug auf der Bühne unter normalen Verhältnissen ebenso 
abhalten wie Metallklappen. Zum leichteren Durchbrennen 
der Verschlüsse muss jeder eine Oeffnung von mindestens 
30 Millimeter Durchmesser erhalten. 
Die über das Dach zu führenden Ventilations¬ 
schläuche, respektive Essen sollen aus feuerfestem Ma¬ 
terial (Schwarzblech) hergestellt werden, damit der Ab¬ 
zug der Feuergase möglichst lange gesichert bleibt, 
während die Schläuche im Biihnenraume und die Ueber- 
dachung zum Schutze der Essen gegen Regeii und 
Schnee aus brennbarem Materiale (Holz) herzustellen 
wären, damit die Oeffnungen möglichst bald ganz frei 
werden. 
Die Oeffnungen der Essen über dem Dache dürfen 
aus der früher erwähnten Ursache (Mitreissen der De¬ 
korationsfetzen) auf keinen Fall mit Drahtgittern oder 
Jalousien versehen werden und können zum Schutze 
der Oeffnungen Bretterschirme erhalten. 
Die Höhe der Essen auf der Bühne ist mindestens 
jener über dem Zuschauerraume gleichzuhalten, sollte 
jedoch womöglich grösser sein. Nach abwärts sollen die¬ 
selben so weit reichen, dass der Verschluss bei einem 
ausbrechenden Brande von den Flammen sofort er¬ 
reicht wird. 
Was nun die Grösse des Querschnittes der Essen 
betrifft, so wäre folgendes zu bemerken: 
Für die Ausdehnung der Luft gilt die Formel: 
Vt = V0 (1 + 0-003665 t). 
Nach dieser Formel berechnet sich für 1000 m3 das 
Volumen 
bei t 0° =' 1000 m3 
„ * 100° = 1367 „ 
„ „ 200° = 1733 „ 
„ , 400° =±s 2466 „ 
„ „ 600° = 3199 „ 
„ „ 700° = 3566 „ 
„ „ 800° = 3962 „ 
„ „ 1000° = 4665 „ 
„ „ 1200° = 5398 „ 
„ „ 1600° =± 6864 „ 
Bei den Versuchen am Modelle wurde eine Tempe¬ 
ratur von zirka 700° im Abzugsschlauche konstatiert. 
Bei dem Brande eines wirklichen Theaters wird die 
Temperatur jedoch voraussichtlich eine höhere sein und 
wahrscheinlich 800° übersteigen, weil zum Beispiel beim 
Ringtheaterbrande in Wien die eisernen Traversen über 
dem Zuschauerraume glühend wurden/welcher Zustand 
des Eisens erst bei zirka 800° eintritt. 
Da in einem Theater ein grosser Teil des Bühnen¬ 
raumes mit Dekorationen verhängt ist, welche bei einem 
Brande in kürzester Zeit sämtlich in Flammen geraten, 
so wird die Luft im Bühnenraume auf eine hohe Tempe¬ 
ratur gebracht, welche im Mittel mit 800° nicht zu hoch 
angenommen sein dürfte. 
Da weiter nach den gemachten Erfahrungen eine 
Minute hinreicht, um die ganze Bühne in Brand zu 
setzen, so ergibt sich, dass für je 1000 m3 Rauminhalt 
der Bühne 2199 m3, rund 2200 m3 heisser Luft in einer 
Minute durch die Essen abgeführt werden müssen. 
Wir nehmen an, dass die Höhe der Essen 10 m 
beträgt, eine Dimension, die sich bei den meisten 
Theatern ergeben wird. 
Bei den gemachten Annahmen berechnet sich somit 
die Geschwindigkeit der abziehenden Gase nach der ein¬ 
fachen und für den vorliegenden Fall genügend genauen 
Formel: 
' =. 0'5‘ ^ 2 g h 
273 +7 
mit 11 *97 m per Sekunde. 
Die Temperatur t der Aussenluft wurde in diesem 
Falle gegen die Temperatur tx — 800° vernachlässigt. 
Der Koeffizient 0*5 ist vielleicht zu klein angenommen, 
da aber keine der massgeheiiden Ziffern, genau ermittelt 
werden konnte und die Temperatur innerhalb ziemlich 
weiter Grenzen schwanken kann, ist grosse Vorsicht 
geboten. 
Nach einer genaueren Rechnung wäre die Geschwin¬ 
digkeit bei 800° 18*5 m pro Sekunde. 
Für 1000 m3 Bühnenraum sind daher 
2200 
F = 
3-06 
60 X 12 ~ 
oder, wenn man knapper rechnen will 
F — —_2*0 m2 
60 X 18-5 • . 
Querschnittsfläche der Essen erforderlich. 
Ob man den Gesamtquerschnitt einem Ventila¬ 
tionsschlauche gibt oder auf mehrere Schläuche verteilt, 
wird sich nach lokalen Verhältnissen richten müssen. 
Jedenfalls empfiehlt es sich, wenn tunlich, mehrere 
Schläuche an verschiedenen Stellen anzubringen. 
Unsere vorstehend beschriebenen Versuche sind mit 
geringen Hilfsmitteln angestellt und würden bei Wieder¬ 
holung in grösserem Masstabe gewiss noch weitere Auf¬ 
schlüsse geben. 
Wir wollten durch unsere ‘Arbeit die Grundsaohe 
der Katastrophen bei Theaterbränden klarlegen und die 
Abhilfe dagegen angeben, auf die sonst noch notwendigen 
Vorkehrungen zum Schutze des Publikums aber nicht 
weiter eingehen, weil dieselben in den Rahmen unserer 
Versuche nicht einbezogen werden konnten. 
Wir werden es uns jedoch zur Ehre rechnen, wenn 
durch unsere Arbeiten das Interesse für die Sache neuer¬ 
dings angeregt und einen Schritt näher zu dem von 
uns erstrebten Ziele, einen ausgiebigen Schutz des 
Publikums bei Bühnenbränden zu schaffen, getan wird.
	        
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