Volltext: IX. Jahrgang, 1904 (IX. JG., 1904)

Seite 178, 
Oberösterreichische Bauzeitung. 
Nr. 23. 
sichtige Strassenkehrer, den wir bei § 31 eliminieren 
konnten, hier taucht er wieder auf. ln dem vorhin ge¬ 
gebenen Beispiele haftet also die Stadt für ihn zwar 
nicht nach § 31, wohl aber zweifellos nach § 831 B.-G.-B. 
Trotz des viel ausgedehnteren Anwendungsgebietes 
des § 831 ist derselbe aber in anderer Beziehung günstiger 
für die Städte. Denn hier haben sie einen Exkulpations¬ 
beweis, der ihnen in doppelter Richtung offen steht: 
erstens befreit sie von der Haftpflicht der Nachweis, dass 
sie bei der Auswahl der Person, eventuell der Gerät¬ 
schaften, „die im Verkehr erforderliche Sorgfalt“ beob¬ 
achtet haben, und zweitens befreit sie der Nachweis, 
dass der betreffende Schaden auch bei Anwendung dieser 
Sorgfalt entstanden sein würde. Hinsichtlich dieses Ent¬ 
lastungsbeweises ist zunächst zu bemerken, dass früher 
dem Dienstherrn nachgewiesen werden musste, dass er 
nicht die erforderliche Sorgfalt angewendet habe, während 
jetzt der Dienstherr das Gegenteil beweisen muss. Vom 
theoretisch-juristischen Standpunkt bedeutet dies ent¬ 
schieden einen Fortschritt, denn jeder Jurist weiss, wie 
bedenklich es ist, von jemandem den Beweis von etwas 
Negativem zu verlangen. Die Schwierigkeit springt, ins 
Auge, wenn man an folgendes Beispiel denkt: Soll ich 
beweisen, dass Herr Soundso eine gewisse Aeusserung 
getan hat, so genügt ein einziger Zeuge, der sie gehört 
hat, und mein Beweis ist erbracht; soll ich aber be¬ 
weisen, dass er die Aeusserung nicht getan hat, so 
müsste ich — streng genommen — seinen ganzen Lebens¬ 
weg in der kritischen Zeit verfolgen und von jeder 
Minute durch Zeugen beweisen, dass er gerade damals 
die Aeusserung nicht getan hat, jeder Zeuge muss auch 
noch bekunden, dass er sie unbedingt hätte hören müssen, 
und nicht ein Augenblick darf ohne Beweis bleiben. Aus 
solchem Beispiele ergibt sich zur Evidenz die Schwierig¬ 
keit und Gefahr, ja meist Unmöglichkeit des Beweises 
der Negation. 
Ist nun dieser Dritte unfallversichert, so darf er sich 
nur an seine Versicherungsgesellschaft, nicht an den 
Beamten halten, und die Gesellschaft wiederum kann den 
Beamten nicht nach § 839 in Anspruch nehmen, weil sie 
nicht unmittelbar geschädigt, weil ihr gegenüber keine 
Amtspflicht verletzt ist. 
Der § 839 enthält aber noch für eine spezielle Kate¬ 
gorie von Beamten eine besonders günstige Vorschrift, 
nämlich für die Richter. Auch die Städte sind hierbei 
interessiert, weil auch ihre Organe in gewissen Fällen 
Rechtssachen zu entscheiden haben; ich denke dabei be¬ 
sonders an die Gewerbegerichte. Hier wird nun zwischen 
formeller und materieller Pflichtverletzung unterschieden. 
Für formelle Amtspflichtverletzung (Verweigerung oder 
Verzögerung) tritt dieselbe Haftung ein wie bei jeder 
anderen Verletzung einer Amtspflicht; hierher gehören 
z. B. Nichtanberaumung eines Termins, Nichtberücksichti¬ 
gung von Anträgen, Verschleppung der Sache und der¬ 
gleichen. Anders bei materieller Pflichtverletzung, das 
heisst bei einem pflichtwidrigen Urteilsspruch. Hier tritt 
eine Haftung nur dann ein, wenn die Pflichtverletzung 
als solche mit einer kriminellen Strafe bedroht ist, also 
z. B. nicht, wenn der Richter ein Vorbringen der Partei 
unberücksichtigt lässt oder wenn er Dinge, die bestritten 
waren, als erwiesen annimmt und dergleichen. Eine 
Haftung tritt hier eigentlich nur in den Fällen schwerer 
Verbrechen, wie Rechtsbeugung, Urkundenfälschung und 
dergleichen ein. Und auch diese Ersatzpflicht fällt fort, 
„wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unter¬ 
lassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechts¬ 
mittels abzuwenden“. 
Diese Vorschriften bezwecken und bewirken, dass 
der Richter ohne Sorgen vor Regressen nach wirklich 
freier Ueberzeugung urteilen kann, mag er Zivilrichter 
oder Stadtausschussmitglied oder Gewerberichter sein. 
Eine besondere Art der Haftung greift nun noch bei 
einzelnen speziellen Kategorien von städtischen Organen 
Platz, nämlich bei denjenigen, welchen nach Gesetz oder 
Vertrag die Aufsicht über eine Person obliegt, die 
„wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustandes 
der Aufsicht bedarf“. (§ 832 B. G.-B.) 
Hier haftet der Beaufsichtigende prinzipiell für jeden 
Schaden, den der zu Beaufsichtigende anrichtet; er kann 
sich nur durch den Beweis entlasten, dass er seiner 
Aufsichtspflicht genügt habe oder dass der Schaden auch 
sonst entstanden wäre. 
Hier haben wir es nun mit derjenigen Bestimmung 
zu tun, welche in Lehrerkreisen soviel Besorgnis und 
Erregung hervorgerufen hat. Freilich war diese Beun¬ 
ruhigung eine vielfach ins masslose übertriebene, aber 
wenn man selbst alle Uebertreibungen ausschaltet, bleibt 
doch in der Tat ein nicht unerhebliches Feld für diese 
besondere Haftung der Lehrer übrig. Auch hier liegt die 
Gefahr in der völlig freien Entscheidung der Gerichte; 
denn diese sind es, die in jedem Einzelfalle festzustellen 
haben, ob der schädigende Unfall noch im Rahmen der 
Aufsichtspflicht des Lehrers liegt und die zweifelhaften 
Fälle Hessen sich dutzendweise aufzählen; z. B. ein 
Schüler hält während des Unterrichts den Federhalter 
verkehrt und verletzt dabei seinen Nachbarn; oder ein 
Schüler überrennt bei einem Jugendspiel einen Gefährten 
so, dass dieser ein Bein bricht; oder ein Knabe gibt beim 
ieiim Stp^s, 
dieser ertrinkt; oder die Schüler treiben beim Spazier¬ 
gange Unfug, durch den jemand verletzt wird u. s. w. 
In allen diesen Fällen wird heute keiner, auch der 
beste Jurist nicht, mit Sicherheit sagen können, ob 
schliesslich in letzter Instanz eine Haftpflicht des Lehrers 
angenommen werden wird, ja man kann geradezu sagen, 
dass das Urteil schliesslich vom Temperament der Richter 
abhängig ist, denn ein besonders vorsiohtiger oder pe¬ 
dantischer Richter wTird da ganz anders urteilen, als ein 
anderer, der dem Lehrer weniger grosse Zumutungen stellt. 
Beiläufig sei hier noch bemerkt, dass auch die oben 
behandelte Haftung der städtischen Organe im allgemeinen 
beim Lehrer besonders scharfe Formen annimmt. Man 
denke nur an die Verantwortlichkeit des Lehrers für die 
Beschaffenheit der Turngeräte, die Vornahme von Experi¬ 
menten, die vielen kleinen Dienste, zu denen er die Schüler 
hergebrachterweise verwenden muss u. s. w. 
Wesentliche Verbesserungen an Dampf¬ 
maschinen. 
Von Ingenieur Karl Morgenstern, Stuttgart. 
Unsere heute gebräuchlichen Dampfanlagen bieten 
in ihren Ausführungen immer noch recht reichliche Ge¬ 
legenheit zu Ersparnissen, denn ein grosser Teil der 
nutzbaren Wärme geht im Abdampf der Dampfmaschinen 
und Pumpen oder in den Einspritzkondensationen und 
durch überlastete oder unzweckmässig angelegte Kessel¬ 
feuerungen verloren. Oft genug ist von zuständiger Seite 
(Ueberwachungsvereine) darauf aufmerksam gemacht 
worden; aber nur ein ganz kleiner Teil von Anlagen¬ 
besitzern und Betriebsleitern sucht in seinen Kreisen 
f,A: 
'h 
f
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.