Volltext: IX. Jahrgang, 1904 (IX. JG., 1904)

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IX. Jahrgang, Nr. 19. 
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Linz, 1. Oktober 1904. 
Oberösterreichische Banzeitnng 
Zeitschrift für Bauwesen 
Organ des „Vereines der Baumeister in Oberösterreich“. 
Redaktion und Administration: Buchdruckerei C. KOLNDORFFER, LINZ, Domgasse Nr. 5. 
Man pränumeriert auf die ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG: 
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jedes Monat. 
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INSERATE und OFFENER SPRECHSAAL laut aufgelegtem billigsten 
Tarif werden angenommen: Bei der Administration der „Ober¬ 
österreichischen Bauzeitung“, Linz, Domgasse Nr. 5, ferner bei 
allen grösseren Annoncen-Expeditionen des In- u. Auslandes. Eventuelle 
Reklamationen und Beschwerden direkt an uns erbeten. 
Inhalt. Zur Geschichte des Ornaments. — Verkehrsgeschwindig¬ 
keiten zu Lande einst und jetzt. II. — Der Meistertitel. — Lokale Bau- 
notizen. — Aus den Gemeinderatssitzungen in Linz. — Patentliste. — 
Aus der Fachliteratur. — Briefkasten. — Ausweis über die Umschreibung 
von Immobilien in Linz. — Anmeldungen für Wasserbezug. — Angesuchte 
Baulizenzen. — Inserate. 
Zur Geschichte des Ornaments. 
Bei dem vor kurzem abgehaltenen Kongress fran¬ 
zösischer Architekten in Paris hat Architekt Julius 
Lecroix über die Geschichte des Ornaments einen geist¬ 
vollen Vortrag gehalten, den wir glauben, in deutscher 
Uebersetzung unseren geehrten Lesern mitteilen zu 
müssen. 
Herr Lecroix sprach: 
Die Arabeske spielt in der Kunst eine ganz ähnliche 
Rolle, wie die Pflanzenwelt in der Natur. Sie verkleidet 
unsere Bauwerke, sie umrankt unsere Zimmergeräte, sie 
hängt sich um unsere Gefässe, sie verbrämt unsere Ge¬ 
webe. Frei und fessellos, unbestimmbar und wechselvoll 
ist die Arabeske gleichsam der Pantheismus in der Kunst. 
Ihre unverwüstlichen Triebe und Zweige lassen sich 
durch alle Jahrhunderte verfolgen. In Aegypten taucht 
das Ornament auf in symbolischem Ernst, es erscheint 
auf den Profilen der Hieroglyphen, welche Papyrusblätter 
und Steinwände bedecken, in unübertroffener, gedrun¬ 
gener Feinheit und Korrektheit. 
Griechenland gestaltet es, entsprechend seinem 
Genius, ebenso edel als schmiegsam, ebenso rein wie 
sinnvoll, mannigfaltig ohne Ueberladung und reich ohne 
IJebermass. Da winden sich die Irrgänge der Mäander, 
sprossen die Akanthusblätter, die Palmetten von Lorbeer 
und von Aloe, da hängen die Perlenschnüre, ja sogar 
die Haarflechten ihrer Frauen. 
In Rom bleibt das Ornamept griechisch, aber es artet 
aus, verirrt sich auf dem Felde der Mosaik. 
In Asien jedoch erreicht es seine volle Entwicklung. 
Eine schrankenlose Phantasie waltet in den Dekorationen 
der Chinesen; da gibt es weder Regel noch Kompass 
mehr; die Flüsse münden in den Wolken und die Bäume 
wachsen in den Himmel. Kein Botaniker vermöchte die 
chimärische Flora zu bestimmen, welche Chinas Lack- 
und Porzellangefässe verziert. Wellen und Muscheln, 
Vögel und Pagoden, Drachen und andere Fabelgebilde 
drängen und stosßen einander, wie die wechselnden Ge¬ 
stalten eines Traumes. Aber die Leichtigkeit der Zeich¬ 
nung, das unendliche Spiel der Formen, die Feinheit und 
der Glanz der wie für einen Blumenstrauss zusammen¬ 
gestimmten Farbentöne bringen doch in all diese Un¬ 
ordnung den Zauber der Harmonie. 
Ostindien breitet auf lückenloser Fläche seine reichen 
Verzierungen aus: eintönig, farbenglühend und formen¬ 
weich. 
Die Araber, bei welchen, durch die Vorschrift des 
Koran: „du sollst dir keine Bilder machen“ die Natur 
ausgeschlossen ist, halten fest an einer idealen Raum¬ 
teilung. Da sind weder Menschen- noch Tiergestalten, 
Pflanzen sogar sind ausgemerzt: nichts als Linien, bald 
so verschlungen, gebrochen, gekreuzt: aber mit diesen 
Formgeweben tun sie Wunder. — Manchmal setzt auch 
die arabische Schrift ihre zierlich geschlungenen Zeichen 
an die Arabesken und an die Mauern, die Basreliefs 
tönen Rede und Gesang. Die ganze Alhambra ist eigent¬ 
lich eine „gebaute Dichtung“. 
Das weniger strenge Persien streut Blumen in Fülle 
über die abstrakten Zierformen der Araber; sogar fabel¬ 
hafte Tiergebilde werden eingeführt. 
Die byzantinische Ornamentik bringt eine Vermengung 
der Antike mit den morgenländischen Elementen; die 
romanische Kunst wiederholt eigentlich nur dasselbe. 
Aber da erscheint der Spitzbogen; er herrscht von 
jetzt an in der Baukunst von drei Jahrhunderten und 
aus seinem schlanken Stamm erblüht eine wunderbare 
Formenwelt. Gleichzeitig bahnt sich die Ornamentik 
ihren Weg in die Handschriften, in die Hora- und Mess¬ 
bücher; die Blumen und Blätter, die Tiere hoch und 
nieder, geometrische wie menschliche Figuren bilden 
sich unter dem Pinsel des Illuminators fort bis ins Un¬ 
endliche. — Die Blumen zumal sind für ihn ein glanz¬ 
reiches, unerschöpfliches Thema; bald fassen sie die 
Blätter der Handschriften mit einer bescheidenen Rand¬ 
verzierung ein; bald ranken sie daran hinauf als ein 
Blumengewinde, das sich zum Festschmuck um die 
Säulen und die Pfeiler einer Kirche schmiegt. Hier 
reihen sich die Zeilen des heiligen Buches unter einem 
Triumphbogen von Rosen aneinander, dort lässt ein 
Kirschenzweig seine scharlachglühenden Beeren darüber 
fallen. Die bescheidensten Pflanzen finden in diesen 
frommer Andacht geweihten Büchern ihren Platz, wie in 
der lebendigen Schöpfung dicht neben den schönsten 
und reichsten. Nach Pergamentblättern, welche mit 
Lilien prächtiger geschmückt sind als „Salomen in aller 
seiner Herrlichkeit“, kommen andere, von den Zacken¬ 
formen der Distel eingerahmfc» 
Der bescheidene, von den Psalmen besungene Ysop 
sprosst am Schluss einer Strophe; die Granaten, weichen 
Salamon die Lippen seiner Sulamith vergleicht, schütten 
ihren Schatz aus über einem Evangelium; das Korn 
wächst empor, wo im Texte die Bitte an den Vater ge¬
	        
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