Volltext: IX. Jahrgang, 1904 (IX. JG., 1904)

Nr. 15. 
Oberösterreichische Bauzeitung 
Seite 115. 
schiafften Unternehmungslust, welche jetzt die weitesten 
Kreise ergriffen hat. 
Und endlich sieht man Unternehmungen erstehen, 
welche die bauliche Erweiterung Roms, das ganze Bau¬ 
geschäft in neue Bahnen einer gesunden Entwicklung 
einzuführen geeignet sind. Derartige Gesellschaften 
können nur auf Grundlage von Aktien begründet werden, 
da selbstredend nur grosse Kapitalien wirksam einzu¬ 
greifen imstande sind. So wurde im Dezember des Vor¬ 
jahres in Rom die „Societä italiana per imprese fondiarie“ 
(Italienische Gesellschaft für Bauunternehmungen) ge¬ 
gründet mit einer ersten Einzahlung von 7 Millionen 
Lire, doch wird die Gesamteinzahlung 14 Millionen Lire 
betragen und kann das Aktienkapital durch einen Be¬ 
schluss der Generalversammlung auf 25 Millionen Lire 
erhöht werden. Die Gesellschaft hat als Arbeitsgebiet 
die Hebung des Grundbesitzes, dessen Verwertung durch 
Bauten, die Bautätigkeit zum Zweck, wie den Bau von 
Häusern zum Verkaufe aus freier Hand. Ihre Tätigkeit 
begann die Unternehmung mit dem Besitze von 25.000 
Quadratmeter Baugründen, von denen bereits 15.400 
Quadratmeter verbaut waren. Eine andere Gruppe um¬ 
fasst 51.000 Quadratmeter, von der bereits 25.000 Quadrat¬ 
meter mit Bauten bedeckt sind. Schliesslich hat die 
Gesellschaft die Verfügung über eine zu verbauende 
Grundfläche von 379.500 Quadratmeter. 
(Schluss folgt.) 
Das Wiener Versorgungsheim in Lainz. 
Der Bau und die Einrichtung des neuen Wiener 
Versorgungshauses im XIII. Wiener Gemeindebezirk ist 
nunmehr vollendet und am 15. Juni 1. J. fand in Gegen¬ 
wart des Kaisers die erste heilige Messe in der neu er¬ 
bauten Anstaltskirche statt, worauf der Kaiser, bevor die 
neue Anstalt ihrer Bestimmung zugeführt wurde, dieselbe 
einer eingehenden Besichtigung unterzogen hat. 
Wie bekannt, ist diese neue Anstalt in ausser¬ 
ordentlich grossen Dimensionen gehalten. Nicht weniger 
als 29 Objekte erheben sich auf der ganzen Arena. Die 
Anstalt liegt im Gebiete der ehemaligen Gemeinden 
Lainz und Ober-St. Veit. Die Gesamtgrundfläche hat 
ein Ausmass von rund 353.000 Quadratmeter; sie grenzt 
im Südwesten an die Mauer des Lainzer Tiergartens und 
steigt sanft von Ost nach West an. Die Verteilung der 
einzelnen Gebäude musste diesem ansteigenden Gelände 
möglichst angepasst werden, um allzu grosse kostspielige 
Erdbewegungen zu vermeiden. Diese Steigung war am 
besten durch die Anlegung von Längsterrassen beiläufig 
in der Richtung Süd-Nord zu überwinden und es sind 
im ganzen fünf solche Terrassen angelegt worden. Den 
Mittelpunkt der Hauptanlage bildet inmitten der zweiten 
Terrasse auf einer etwas erhöhten, nach vorne vorge¬ 
schobenen Plattform die Kirche. Sie liegt um 7,5 Meter 
höher als das Haupteingangstor. Von der nahezu senk¬ 
recht zum Haupteingang führenden Zufahrtsstrasse führen 
zwei grosse Rampen zu dieser Plattform. Für Fussgänger 
dient eine dreiarmige Freitreppe. Mit dem Querschiff 
der Kirche sind durch eine je 10 Meter breite Durch¬ 
fahrt die zwei Verwaltungsgebäude architektonisch ver¬ 
bunden. Kirche, Durchfahrt und Verwaltungsgebäude 
haben zusammen eine Frontlänge von 120 Meter. Hinter 
der Kirche, genau in ihrer Achse, steht auf der dritten 
Terrasse das Zentralküchengebäude, dahinter auf der 
vierten Terrasse der Eiskeller und das Wäschereigebäude. 
Zu beiden Seiten des Eiskellers auf der vierten Terrasse 
erheben sich zwei Gebäude zur Unterbringung von 
Pfründnereheleuten und dahinter auf der fünften Terrasse 
zwei Krankenpavillons. Die links von diesen Mittel¬ 
anlagen befindlichen Gebäude dienen zur Unterkunft von 
Frauen. Rechts davon sind die Gebäude zur Aufnahme 
von Männern bestimmt. Auf der zweiten Terrasse er¬ 
heben sich neben den Verwaltungsgebäuden einerseits 
das Heim für die Schwestern, welche den Pfleger- und 
Krankendienst in der Anstalt übernehmen, anderseits ein 
Gebäude für die Diener. Abseits vom Männerheim liegt 
das Isolierhaus für Infektionskranke und 27 Meter davon 
entfernt ein kleineres Gebäude, das Beobachtungshaus, 
ln nächster Nähe davon, auf einem freien Platze, erhebt 
sich ein grosser Kapellenbau, der die Einsegnungskapelle, 
die Prosektur und das Leichenhaus umfasst. Alle 
Zwischenräume sind, von den notwendigen Strassenflächen 
abgesehen, in Gartenanlagen verwandelt. Der erste 
Spatenstich wurde am 26. Juni 1902 getan, die feierliche 
Grundsteinlegung erfolgte am 7. Oktober 1902 in Gegen¬ 
wart Seiner Majestät des Kaisers. Die Erd- und Bau¬ 
meisterarbeiten wurden von den Stadtbaumeistern Wenzel 
König und Ludwig Müller während einer nicht ganz 
zweijährigen Bauzeit, von der sechs Wintermonate ab¬ 
zurechnen sind, da in dieser Zeit die Arbeit ruhte, durch¬ 
geführt. Die Bauleitung lag in den Händen des Bau¬ 
meisters Gröger. 
Die höchste Zahl der täglich beschäftigten Bau¬ 
arbeiter betrug 2800, die Durchschnittszahl 1500 Personen. 
Das Baumateriale wurde grösstenteils auf einer eigens 
hiezu erbauten Schleppbahn zugeführt. Die Fassaden 
aller Gebäude wurden im Ziegelrohbau ausgeführt. Be¬ 
heizung, Beleuchtung, Anlage von Aufzügen, Venti¬ 
lationen, Kanalisierung, Wasserversorgung u. s. w. wurden 
nach den neuesten Erfahrungen und den höchsten Er¬ 
rungenschaften moderner Technik eingerichtet. Sämt¬ 
liche Gebäude des Versorgungsheims sind durch eine 
Rollbahn untereinander verbunden. Gleich innerhalb 
des Haupttores, auf dem grossen Platze, erhebt sich in¬ 
mitten einer Gartenanlage auf hohem Sockel aus Porphyr 
und Granit die Kolossalbüste des Kaisers; sie ist ein 
Werk des akademischen Bildhauers Georg Leisek und 
wurde in der k. k. Kunst- und Erzgiesserei gegossen. 
Die Kirche, im spätromanischen Stil erbaut, bildet, 
wie gesagt, den Mittelpunkt der ganzen Anlage. Ur¬ 
sprünglich war an die einfachste Ausführung gedacht; 
durch die reiche Betätigung des Gemeinsinnes aber, der 
sich in zahlreichen und wertvollen Spenden aus allen 
Kreisen der Stadt erwies, ist sie ein wahres Schmuck- 
kästlein geworden. Auf dem freien Platze vor der Kirche 
erheben sich zwei. 18 Meter hohe eiserne, reich orna¬ 
mentierte Flaggenmaste, welche in entsprechender Höhe 
reich verzierte Ausleger für je zwei Bogenlampen tragen. 
Schlank ragen die beiden Türme 54 Meter hoch in die 
Lüfte. Die Kuppelfassade der Kirche weist reichen 
Figurenschmuck auf. Kniende Engel schmücken das 
Portal und die beiden Durchfahrten links und rechts der 
Kirche zwei Steinfiguren, darstellend die heilige Elisabeth 
und den heiligen Karl Borromäus, ein Werk des akade¬ 
mischen Bildhauers Karl Rathausky, zieren die Turm¬ 
nischen. Eine mächtige Engelsfigur von Josef Heu krönt 
den hohen Giebel, der Fensterbogen in der Vorhalle und 
auf dem Turme tragen die Porträtbüsten des Bürger¬ 
meisters, der beiden Vizebürgermeister, der beiden Stadt¬
	        
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