Volltext: III. Jahrgang, 1898 (III. JG., 1898)

Seite 114. 
OBERÖSTERRUICHlSCHE BAUZEITUNG. 
Nr. 15. 
illegitim waren, war das Bauen noch durch andere Motive 
geboten. Es waren grosse Bauwerke das Sinnbild grosser 
Macht und konnten für den Bestand ihrer Herrschaft 
von Wichtigkeit werden. 
Die Herrscherfamilien des Visconti, des Sforza, der 
Mediceer haben sämmtlich kollossale Werke hinterlassen 
oder begründet; so verdankt den Visconti’s der Dom von 
Mailand, „der gegen das ganze Alterthum in die Schranken 
treten soll“, und die berühmte Certosa bei Pa via, genannt 
„die grösste und prächtigste Kirche der Christenheit“, 
ihre Entstehung. Endlich sind es die Päpste, welche zur 
Erhöhung und besserem Ansehen des päpstlichen Stuhles 
und zur Förderung der Devotion der Christenheit ihren 
Ruhm in unvergänglichen Bauten suchten. 
Mögen nach diesem Gesagten die Motive, nach welchen 
die Werke der Baukunst damals entstanden sind, nicht 
immer die lautersten gewesen sein, jedenfalls waren sie 
der Anlass, dass so gewaltige Männer, wie sie die Früh¬ 
renaissance erzeugt hat, ihre Geistesgaben entsprechend 
verwerten konnten. 
Bericht 
über die Gebarung, den Stand und die Anlage der Fonde 
der Arbeiter-Unfallversiclierungs-Anstalt für Oberösterreich, 
Salzburg, Tirol und Vorarlberg in Salzburg. 
Es ist eine nicht unbegründete Annahme, dass mit 
der Höhe der wirtschaftlichen Production in gewissem 
Grade auch das Schicksal der Anstalten im Zusammen¬ 
hänge steht. Mit dem Aufschwünge der Industrie erweitert 
sich der Wirkungskreis und die Beitragseinnahme der 
Anstalt, während die Belastung zumeist nicht in demselben 
Grade Schritt hält; dieselbe Erscheinung finden wir um¬ 
gekehrt bei dem Rückgänge der Industrie. 
Es mag daher umso erfreulicher erscheinen, dass trotz 
der allgemeinen wirtschaftlichen Depression, über welche 
allseits geklagt wird, das Rechnungsjahr mit einem, wenn 
auch nur bescheidenen Erfolge endete. Der Gebarungs¬ 
abgang, der im Jahre 1894 mit 111.123 fl. seinen Höhe¬ 
punkt erreicht hatte, ist unter dem Einflüsse der mit 
1. Jänner 1895 in Wirksamkeit getretenen Revision der 
Gefahrenclassen, sowie nicht ungünstiger Belastungs¬ 
verhältnisse, allmählich geschwunden, und ist an dessen 
Stelle mit Schluss des Jahres 1897 der wenn auch kaum 
nennenswerte Ueberschuss von 443 fl. 88 kr. getreten. 
Diese Thatsache gibt uns den Beleg, dass die erwähnte 
Revision der Gefahrengrade unter der objectivsten Be- 
urtheilung der widerstreitenden Interessen durchgeführt 
worden ist; sie gibt uns eine gewisse Beruhigung, dass 
die mit Beginn des Jahres 1900 in Kraft tretende neue 
Revision der Gefahrenclassen keine wesentliche Aenderung 
des durchschnittlichen Prämiensatzes ergeben wird, 
dass also die allfällig infolge der Ueberbelastung ein¬ 
tretenden Erhöhungen durch anderweitige Herabsetzungen 
ausgeglichen werden können. Soweit die eigene Arbeit 
zu diesem Erfolge beigetragen hat, können wir mit dem 
Erreichten zufrieden sein; gibt es doch, wie jeder Be¬ 
theiligte weiss, eine Reihe von widrigen Verhältnissen, 
welche unserem Einflüsse ganz entrückt, einem weiteren 
Fortschreiten ein Ziel setzen. Ein Hemmschuh für die 
raschere und erfolgreichere Entwicklung des Institutes 
liegt in den allseits und oft beklagten Mängeln unseres 
Gesetzes, die heute noch ungeschwächt fortbestehen ; 
anderseits aber auch in der Art der Durchführung des 
Gesetzes, da die schwankende und widersprechende Judi- 
catur der Administrativ-Behörden und der Schiedsgerichte 
der Anstalten die für eine gedeihliche Entwicklung un¬ 
entbehrliche Einheitlichkeit der Grundlagen für die Beb 
trags- und Entschädigungsfeststellung benimmt, so dass 
also das Ergebnis sich anders gestalten muss, als es die 
theoretischen Berechnungen ermittelt haben. 
Die Reform des Unfallversicherungsgesetzes ist zum 
allgemeinen Losungsworte geworden. Während die Vor¬ 
stände fast aller Anstalten, bauend auf die mehrjährigen 
Erfahrungen, mit allem Nachdrucke für die Aufrechter¬ 
haltung der grundlegenden Principien (Termitorialsystem 
und Vollbedarfdeckungsverfahren), anderseits aber für eine 
freiere und wirksamere Ausgestaltung der Organisation 
eintraten, findet sich eine gewisse Gegnerschaft, welche 
das Gesetz in seinen Fundamenten bekämpfen. In den 
früheren Berichten hatten wir bereits Gelegenheit die 
Vorzüge unseres Systems näher zu beleuchten, es würde 
zu weit führen, neuerlich darauf zurückzukommen; doch 
die Art, in welcher vielfach der Kampf geführt wird, und 
die Mittel, deren man sich hiebei bedient, können wir 
nicht unerwähnt lassen. 
Es war vorauszusehen, dass die Institution der 
Unfallversicherung, welche einem grossen Theile der Be¬ 
völkerung neue, theilweise sehr empfindliche Lasten auf¬ 
erlegt, während die wohlthätigen Wirkungen derselben 
nicht wie bei der Krankenversicherung sofort, sondern 
nur allmählich in ihrer vollen Tragweite sich fühlbar 
machen können, vielen Anfeindungen ausgesetzt sein 
werde; dabei tritt der Uebelstand recht empfindlich zutage, 
dass jeder sich berufen fühlt, ohne in das Wesen der 
Sache eingeweiht zu sein, zu urtheilen und zu kritisieren. 
Wir begegnen am häufigsten dem Vorwurfe, dass die 
Anstalten anstatt eine gerechte Vertheilung der Lasten 
im Auge zu behalten nur darauf ausgehen, möglichst 
hohe Prämien einzuziehen. Dass dieser Vorwurf nicht, zu¬ 
trifft, geht aus der Betriebsrechnung klar genug hervor; 
bei einem, auf Grund der mathematischen Tafeln berech¬ 
neten, neuen Unfallserfordernisse von 2,105.644 fl. 20 kr. 
zeigt sich ein Ueberschuss von 443 fl. 88 kr.! Die un¬ 
günstigen Erfahrungen der ersten Jahre, welche zumeist 
durch die Mängel des Gesetzes verursacht wurden, haben 
zu vielfachen Erhöhungen der Gefahrenclassen geführt, 
bei sämmtlichen Betriebsarten wurde sie der beobachteten 
Belastung soweit als thunlich angepasst; es wurde auch 
nicht gezögert, von dem niedrigeren Gefahren gerade 
Gebrauch zu machen, soferne die Belastungsverhältnisse 
dies gestatteten. Wenn vielleicht Irrungen vorgekommen 
sind, so darf nicht übersehen werden, dass der Gesetz¬ 
geber den Anstalten das Recht der Einsichtnahme in den 
Betrieb nicht gegeben, dass daher die Anstalten ohne 
die Betriebe zu kennen, bloss auf die eingelangten Mit¬ 
theilungen hin, dieselben einreihen mussten. Ein weiterer 
Vorwurf, der trotz aller Entgegnungen immer wieder er¬ 
hoben wird, ist der der kostspieligen Verwaltung. Man 
sehe auf die Berufsgenossenschaften des deutschen Reiches, 
welche trotz der weit grösseren Mächtigkeit und Dichtig¬ 
keit der Industrie, trotz mancher sonstigen Vortheile (bei 
der 13 wöchentlichen Carenzzeit kommen weit weniger 
Unfälle zur Behandlung) ungefähr dieselben Verwaltungs¬ 
auslagen haben, man vergleiche die Privatversicherungs- 
Gesellschaften mit ihren vielfach mehr als dreimal so 
hohen Spesen. Ein beliebtes Agitationsmittel bildet weiters 
die im § 45 des U.-G. normierte Haftpflicht der Unter¬ 
nehmer für verschuldete Unfälle; man versuchte glauben 
zu machen, dass die Anstalten nur darauf ausgehen, die
	        
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