Volltext: II. Jahrgang, 1897 (II. JG., 1897)

Seite 114. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Nr. 15. 
sich auf und setzen sich auf den Boden des Gefässes. 
Bei dieser Prüfungsart fallen nun die Cementfabrikanten 
mit ihrer Ware wieder durch. Dasselbe würde aber einem 
passieren auch mit dem Stern-sehen Cement, welcher 
eines der vorzüglichsten Product©, auf dem Erdbälle ist. 
Mit einem Worte, bei diesen Prüfungen geht immer 
die leichte Ware als Siegerin hervor. 
Die Technik hat aber die Annahme schon längst im 
Stiche gelassen, dass dies Zeug vom Wasser undurch¬ 
dringlich wäre, und die Erfindung dieses leichtesten und 
zugleich festesten hydraulischen Mediums hat Hand in 
Hand auch andere Erfindungen nach sich gezogen, denn: 
Ein Narr macht zehn Narren. 
Hier ist gleich eine von den vielen Erfindungen. 
Es werden z. B. die Betonschichten, welche aus 
diesem Materiale erzeugt werden, mit Letten oder Lehm- 
klexen verquacksalbert, um das Durchdringen des Wassers 
zu verhüten. Verdient Patent! Dann wird noch zugelassen, 
dass mit solchem hydraulischen Kalke die städtischen 
Canäle erbaut werden, damit der Unrath nicht unmittel¬ 
bar abgeführt werde, sondern damit er sich in die Erde 
verseuche, dass Mund und Nase, Lunge und Magen der 
nächsten Nachkommenschaft auch was davon haben, und 
endlich, dass die Existenz den Söhnen Aesculaps, die 
doch auch Steuern bezahlen müssen, für die Dauer ge¬ 
sichert sei; ferner dass die mit grossem Kostenaufwande 
erbauten und zu erbauenden Spitäler nicht leer stehen. 
Dann verlangt man Ventilationsanlagen, die eine 
bessere Luft liefern sollen, als die Atmosphäre der Um¬ 
gebung selbst ist. Wenn eine solche Prüfung heute noch 
eventuell zur Durchführung käme und infolge dessen das 
Resultat unbefriedigend wäre, da frage ich: Ja, um 
Gotteswillen, wer ist denn Schuld daran. Wer? Die 
Herren Cementfabrikanten selbst. Nun will ich mich noch 
solcher Prüfungen erinnern, die auf ein anderes Blatt 
gehören. Bei einer Mörtelprüfung — also Sandprobe — 
hat ein Fabrikant gegen die Qualität des Sandes Be¬ 
schwerde erhoben, weil in demselben organische Stoffe 
waren, welche beim Abladen des Sandes auf der Bau¬ 
stelle fallen gelassen wurden. Da hiess es: „Man muss 
mit einem solchen Sand die Versuche anstellen, wie dieser 
in der Praxis verwendet wird.“ Ferner wurden wieder 
andernorts Betonwürfel gemacht, aus hydraulischem Kalk 
sowohl als auch aus Cementkalk. Als man nun diese für 
genug reif hielt, um sie einer Probe zu unterziehen, 
wurde unter anderem ein Würfel aus hydraulischem Kalk 
mit der Krämpe zufällig schön gespaltet und ein Würfel 
aus Cementkalk, der den Krämpenschlägen nicht parieren 
wollte, mit einem Schlägel zertrümmert. Alle Einwendungen 
gegen dieses Vorgehen seitens der anwesenden Fabrikanten 
hat nichts genützt. Das Protokoll lautete dahin, dass 
die Masse des Würfels Nr. so und soviel (aus Cement¬ 
kalk) ein zu loses und zu lockeres, dagegen jene des 
Würfels aus leichtem hydraulischen Kalk ein inniges 
Gefüge hat. (Schluss folgt.) 
Der Blackwall-Tunnel in London. 
Vom Standpunkte eines Ziegeleitechnikers. 
Der Blackwall-Tunnel in London, welcher am 22. Juni 
1. J. durch den Prinzen von Wales als Stellvertreter der 
Königin eröffnet wurde, stellt fraglos eine der grössten 
Leistungen des Jahrhunderts dar, eine Leistung, auf 
welche der Londoner Grafschaftsrath sammt seinen 
Ingenieuren stolz sein kann und für deren Vollendung 
dieses Jahr, das durch das Regierungsjubiläum der 
Königin in der Geschichte Englands festgehalten werden 
wird, so recht geeignet erscheint. Dieser Tunnel ist ein 
geradezu grossartiges Bauwerk, welches den Osten 
Londons mit dem südlichen Themseufer verbindet. Das 
wenig anziehende Ostende von London hat eine Be¬ 
völkerung von P7 Millionen Menschen und diese hatten 
an einem neun englische Meilen langen Flussufer keinerlei 
Verbindung mit dem südlichen Themseufer. Diesem 
Uebelstande abzuhelfen, entschloss man sich schliesslich, 
die beiden Themseufer durch einen Tunnel zu verbinden. 
Schon Vaze versuchte 1805 einen solchen zu graben, 
jedoch ohne Erfolg; der von Brunnei innerhalb 16 Jahren 
angelegte Tunnel zwischen Wapping und Rotherhithe ist 
von keinem grossen Nutzen, da ihm die Zugänge fehlen. 
Im Jahre 1887 wurde durch eine Parlamentsacte die 
Erlaubnis zum Bau des jetzt vollendeten Tunnels gegeben, 
aber der neue grafschaftliche Rath Londons war anfäng¬ 
lich nicht geneigt, den kostspieligen Plan auszuführen. 
Der Vertrag mit den Bauunternehmern, den Herren 
S. Pearson & Son wurde erst 1892 unterzeichnet. Die 
ganze Anlage kostete nahezu Millionen Lstr. = 
Mk. 30,600.000, ausserdem musste Privateigenthum im 
Werte von 340.000 Lstr. — Mk. 6,936.000 erworben werden, 
um die Zugänge herzustellen. 
Der Unternehmer Pearson machte einen Voranschlag 
von 871.000 Lstr. Mk. 17,768.400 und der Rest wurde 
für Arbeiterwohnungen, Zugänge und Versetzung von 
Familien ausgegeben. 
Ehe wir auf den speciell für den Ziegler interessanten 
Theil eingehen, müssen hier ein paar Worte über die 
Ingenieurarbeiten Platz finden. 
Seitens der vorgenannten Unternehmerfirma S. Pear¬ 
son & Son hatte deren Vertreter, Herr Moir, die volle 
Verantwortung in Bezug auf die Construction. Dem Graf¬ 
schaftsrath gegenüber ist der Oberingenieur Alex. R. Binnie 
für die Pläne dieses Riesenwerkes verantwortlich, dem 
zu seiner Unterstützung die Ingenieure Hay und Maurice 
Fitz-Maurice zugetheilt waren, die sich während der 
Ausführung der Arbeiten stets auf der Arbeitsstelle befanden. 
Die Schwierigkeiten der Anlage dieses Tunnels 
waren weit grösser, als bei den Tunnels unter dem 
Mersey und dem Severnflusse, da dort die Arbeit durch 
ein festes FeLenbett gieng, während bei der Themse 
zwischen dem Dach des Tunnels und dem Flussbett nur 
eine fünf Fuss; dicke Kieselschicht sich befindet, und der 
eigentliche Tunnel durch einen stets in seiner Zusammen¬ 
setzung wechselnden Untergrund gegraben werden 
musste. Kein Wunder, dass mehrere Ingenieure einer 
Fähre oder einer Brücke das Wort redeten und die den 
Contract eingehende Firma von hervorragendsten In¬ 
genieuren gewarnt wurde, nicht allzu sanguinisch zu 
sein und Vermögen und Ruf aufs Spiel zu setzen, für 
ein Unternehmen, dessen Schwierigkeiten zu überkommen 
unmöglich für eine Privatfirma sei. Selbst der verstorbene 
Greathead, der durch die Construction des nach ihm be¬ 
nannten Bohrschildes den Tiefbau-Ingenieuren aller 
Länder bekannt ist, stand der Sache ablehnend gegenüber. 
Binnie sprach sich indessen entschieden für einen 
27 Fuss hohen Tunnel aus, der breit genug sein sollte, 
Fussgängern und zwei Wagenreihen bequemen Durch¬ 
gang zu gewähren, und es wurde daran festgehalten, 
seinen Plan zur Ausführung zu bringen. 
So galt es denn, unter der 1200 Fuss breiten und 
bei Hochwasser 46 Fuss tiefen Themse einen Tunnel
	        
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