Volltext: II. Jahrgang, 1897 (II. JG., 1897)

2. Wegen der Grösse der Rohr- und Canalquerschnitte 
desSchwemmsystems, haben die für gewöhnlich ab¬ 
ziehenden Hauswässer ungünstige Abflussbedingungen 
und bedürfen eines tlieuren Spülbetriebes. 
3. Die ungünstigen Abflussbedingungen der weiten 
Schwemmleitungen werden sehr häufig vermehrt 
durch geringes Gefäll und flache Lage der Leitungen, 
weil diese zur Regenzeit immer noch nach dem Flusse 
hin entlastet werden müssen, wodurch die Tiefer¬ 
legung der Leitungen behindert wird. 
4. Durch die Entlastung der Schwemmleitungen bei 
Regenfall in die öffentlichen Wasserläufe vermittelst 
sogenannter Nothausläufe ist es unvermeidlich, dass 
auch Schmutzwässer und Excremente in den Fluss 
gelangen. 
5. Bei starken Regengüssen staut das Regenwasser in 
allen Leitungen des Schwemmsystems, also auch in 
den Hausrohren so auf, dass das Wasser durch Aus¬ 
güsse und Closets in die Kellerräume tritt und diese 
arg überschwemmt. 
6. Alle diese von 1 bis 5 ausgegebenen Uebel vermeidet 
das Druckluftsystem: seine engen Leitungen und 
einfachen Vorrichtungen erfordern nur ein geringes 
Anlagecapital, alle Leitungen haben gute Gefälle, aus 
ihnen gelangt niemals etwas in den Fluss, und alle 
Häuser der Stadt haben eine gleich gute und wirk¬ 
same Entwässerungsanlage. 
Dazu kommen beim Druckluft system noch folgende 
Vortheile: 
7. Durch das Princip, viele — für sich völlig abge¬ 
schlossene — Entwässerungsgebiete einzurichten, 
kann man den gegenwärtigen und zukünftigen Ver¬ 
hältnissen eines Stadtgebietes ohne Baukosten- und 
Zinsverluste ganz und gar Rechnung tragen, d. h. 
man canalisiert da, wo es nÖthig ist, und man braucht 
zur Verbindung, selbst weit von einander entfernter 
Entwässerungsgebiete (Vororte von Städten, Villen¬ 
quartiere, Fabriksanlagen), nur ein enges, eisernes 
Sammelrohr. 
8. Der kostspieligste Theil einer Oanalisationsanlage, 
nämlich die Stammleitung, fällt beim Druckluftsystem 
besonders einfach und billig aus. Das eiserne Sammel¬ 
rohr, das die von den einzelnen Ejectoren kommen¬ 
den Zweigrohre aufnimmt, liegt wie diese selber ledig¬ 
lich in frostsicherer Tiefe und folgt im übrigen der 
Stadtoberfläche. Auch hat das Sammelrohr eine ver¬ 
hältnismässig geringe Weite, da die Wässer in ihm 
durch die Druckluft mit grosser Geschwindigkeit vor¬ 
wärts getrieben werden. So z. B. braucht das Sammel¬ 
rohr einer Stadt von 25.000 Einwohnern (in seinem 
untersten Theile) nur etwa 30 Centimeter weit zu 
sein. Auch Ablagerungen sind in solchem Stammrohr 
ganz unmöglich. 
9. Auch die Pumpstation des Druckluftsystems ist schon 
insofern eine billige Anlage, als sie gänzlich unab¬ 
hängig von Grund und Boden und Gefällverhältnissen 
ist: man erbaut irgendwo in der Stadt ein einfaches 
Kessel- und Drucklufthaus oder bringt die Druck¬ 
luftmaschinen in vorhandenen Gebäuden mit Kessel¬ 
anlagen unter. 
10. Die einzelnen Entwässerungsgebiete arbeiten völlig 
unabhängig von einander. Etwa vorhandene Krank¬ 
heitskeime durchziehen nicht langsam die Stadt, 
sondern erreichen mit den Schmutzwässern schnell 
den Tiefenpunkt und den luftdicht verschlossenen 
Ejector, der sie einer ebenfalls überall luftdichten 
Leitung, dem Sammelrohr zuführt. Sonach müssen 
Epidemien, wenn sie durch Leitungen verbreitet 
werden können, so zu sagen leicht localisiert werden. 
d. r. 
Ein Musterhaus. 
Das neueste Musterhaus ist in Paris (in der Rue de 
Clichy) erstanden. Es entspricht allen Anforderungen der 
Bequemlichkeit und Gesundheit und verwirklicht alle 
Fortschritte, die wir der neuesten Wissenschaft und deren 
Anwendbarkeit verdanken. Dass kaltes und warmes 
Wasser in allen Zimmern stets verfügbar ist, Personen- 
und Lastenaufzüge, Sprechleitungen, elektrische Klingel¬ 
züge vorhanden sind, ist selbstverständlich und gehört 
schon längst zum Alltäglichen. 
Das Neueste der Neuen, das Vollkommenste in der 
Vollkommenheit besteht in den vielfältigen Vorkehrungen 
gegen Mikroben und andere gefährliche Lebewesen, gegen 
Ansteckungen aller Art, sowie in der ausgiebigen An¬ 
wendung der Elektricität. Voriges Jahr bewunderten 
Pariser Besucher die elektrischen Koch- und sonstigen 
Einrichtungen auf der Berliner Gewerbe-Ausstellung, jetzt 
sind wir hier schon darüber hinaus. 
Das Musterhaus hat einen eigenen Hof zum Ausklopfen 
der Teppiche, deren Staub durch Schirme und sonstige 
Vorkehrungen aufgefangen und verhindert wird, irgendwo 
in das Haus zu dringen. Die Haus-, und Küchenabfälle, 
der Auskehricht, werden in einem glasierten gusseisernen 
Behälter geschüttet, der sich sofort schliesst und nieder¬ 
geht. Unten leert er sich in das grössere Sammelbecken 
und steigt dann wieder auf. Man braucht nur auf einen 
Knopf zu drücken. 
Die Küche ist ganz mit Kacheln ausgekleidet, eine 
Luftscheibe in der Decke führt allen Staub und Rauch 
und alle unangenehmen Gerüche nach aussen. 
Nachts braucht man nur die Hausthür aufzuschliessen 
und die Treppe erstrahlt in elektrischer Beleuchtung, die 
nach einigen Minuten erlischt. (Diese Einrichtung gibt 
es bereits in vielen Berliner Häusern. Red.) 
Die Dielung ruht auf Leisten, die mit antiseptischem 
Wollstoff überzogen sind. Die Decke darunter besteht 
aus festem Gement, wodurch sie gegen Feuer und Lebe¬ 
wesen (Ungeziefer) gefeit ist.. Alle Leisten und Gesimse 
sind abgedacht, um dem Staub keine Lagerstätte zu bieten. 
Selbstverständlich fliessen alle Abwässer, auch aus 
den Aborten, durch glasierte Röhren unmittelbar in die 
Siele. 
Das ganze Haus ist mit elektrischer Heizung versehen. 
In allen Zimmern laufen unter den Teppichen Drähte aus 
Nickeleisen, um die Wärme zu bringen. Die Küche ar¬ 
beitet nur mit Elektricität, weshalb Kamine und Schorn¬ 
steine wegfallen und nur noch als Zierrath aus alter Ge¬ 
wohnheit beibehalten wurden. Anstatt beim Herd und bei 
der Lampe sitzt man fortan auf und an dem elektrischen 
Draht. Leider ist mehrfach die Beobachtung gemacht 
worden, dass Personen, die viel schreiben, die Elektricität 
nicht vertragen können. Dies wird wohl für deren Ver¬ 
allgemeinerung kein zu grosses Hindernis sein. 
In einem Hause der Avenue d’Alma soll Luftkühlung 
eingerichtet werden. Im Sommer wird durch geeignete 
Vorrichtungen Luft in die Zimmer eingeführt, die nur 
15—16 Grad warm ist. Bis jetzt behalf man sich damit, 
Eis in den Zimmern aufzustellen. 
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OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Nr. 11.
	        
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