Volltext: II. Jahrgang, 1897 (II. JG., 1897)

Seite 76. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Nr. 10. 
in unseren Landen so herrlich und reichlich vorhandene 
Talent in die Bahn besonnenen Brfindens zu lenken. 
Den fast zweistündigen, von innerer Wärme gehobenen 
Vortrag belohnten die Anwesenden durch minutenlangen 
demonstrativen Beifall, der bewies, dass der Samen, der 
hier ausgestreut wurde, nicht auf steiniges Land gefallen 
war. Möchte er aufgehen und zur Frucht gedeihen. 
Die X-Strahlen auf dem griechisch-türkischen 
Kriegsschauplätze. 
Mitgetheilt vom Patentburau H. & W. Pataky, Prag und Berlin. 
Wie in Berliner ärztlichen Kreisen verlautet, soll 
sich auch auf die türkische Seite eine deutsche chirur¬ 
gische Expedition begeben und zwar direct auf das 
Schlachtfeld. Sie ist ebenfalls vom Oentralcomite des 
Rothen Kreuzes ausgerüstet, von zwei dirigierenden 
Aerzten, Geheimrath Neuber in Kiel und I. Assistenzarzt 
Dr. Küttner in Tübingen, geleitet und mit Material für 
die Verpflegung von 120 Kranken ausgestattet. Wenn 
alles glatt von statten geht, soll der Extrazug. welcher 
die Expedition aufnimmt, bereits am 29. d. M. abgehen. 
Mit den philanthropischen Zwecken des Rothen Kreuzes 
verbindet die Expedition insofern ein wissenschaftliches 
Ziel, als zum ersten Male durch sie die praktische Ver¬ 
wendbarkeit der diagnostischen Methode mittels Röntgen- 
Strahlen auf die Kriegs-Chirurgie unter den erschwerten 
Umständen eines wirklichen Schlachtfeldes erprobt werden 
soll. Ueber die Ausstattung, mit welcher die Expedition 
zu diesem Zwecke versehen ist, erfährt das bekannte 
Patentbureau H. & W. Pataky folgende interessante 
Einzelheiten: 
Die Apparate zur Erzeugung der Röntgen-Strahlen 
sind von der Berliner Firma Hirschmann bezogen. Das 
wichtigste und theuerste Stück ist ein riesiger Ruhmkorff 
von 32 bis 35 Centimeter Funkenlänge, der mit Queck¬ 
silber-Unterbrecher versehen ist. Die Röhren sind so vor¬ 
züglich ausgepumpt und die verwendeten photographi¬ 
schen Platten so empfindlich, dass die Aufnahme einer 
Hand z. B. nur eine halbe Minute erfordert. DiePlatten zeich¬ 
nen sich ausserdem durch ihre Grösse, die bequem die 
Aufnahme des Oberkörpers eines ausgewachsenen Mannes 
gestattet, wie durch die Art ihrer Verpackung aus, welche 
so gewählt ist, dass sie für Tageslicht undurchlässig ist, 
den Röntgen-Strahlen dagegen nur wenig Hindernis in 
den Weg legt. Ein Baryumplatincyanür-Schirm dient für 
die sofortige Diagnostik kleinerer Verletzungen. Auch ein 
Dunkelzelt wird mitgenommen. Der Ruhmkorff wird an¬ 
getrieben durch eine Chromsäure-Taucherbatterie von 
8 Elementen, die transportabel in einem Schrank unter¬ 
gebracht sind und mittels Kurbel von aussen bedient 
werden können; Elemente und Ruhinkorff nebst Unter¬ 
brecher sind derart zusammen zu setzen, dass sie ein 
stabiles Ganzes bilden. Das Stativ für die Röhren ist 
eigens für den Zweck construiert und gestattet, die 
Strahlen in jeder beliebigen Richtung wirken zu lassen. 
Da die Expedition von jeder Zufuhr isoliert, ohne jede 
Verbindung mit der Eisenbahn sein wird und von Zufällig¬ 
keiten soviel wie möglich unabhängig sein soll, so wird 
alles nur irgend Zerbrechliche oder Ersetzbare in mehreren 
Exemplaren, auch alles nöthige Werkzeug und Material, 
wie ein grosser eiserner Operationstisch u. s. w., von Berlin 
aus mitgenommen. 
Die deutsche Chirurgie erhofft von dieser trotz der 
Kürze der Zeit äusserst sorgfältig vorbereiteten Expedition 
eine reiche Ausbeute von Erfahrungen für das Kriegs- 
Sanitätswesen und eine endgiltige experimentelle Fest¬ 
stellung darüber, ob die X-Strahlen unter den schwierigen 
Verhältnissen des Krieges ihre Feuerprobe bestehen. 
Wünschen wir den kühnen Forschern, die im Dienste der 
Wissenschaft und im Interesse der leidenden Menschheit 
die Schwierigkeiten und Gefahren nicht scheuen, ja selbst 
ihr Leben, ein volles Gelingen und eine glückliche 
Heimkehr 1 
Die Majolika 
Die Keramik ist derjenige Theil der Industrie, der 
sich am meisten der Kunst nähert. Sie ist eine Stufe der 
Plastik, ja es ist als sicher anzunehmen, dass in ihr der 
Ursprung dieser Kunst zu suchen ist. denn der Mensch 
formte Gegenstände aus Lehm und Thon lange, bevor 
er dazu übergehen konnte, solche aus festem Gestein 
zu meissein. Dazu waren Geräthe erforderlich, deren 
Herstellung eine ziemlich vorgeschrittene Technik voraus¬ 
setzt. Heisst es doch in der mosaischen Schöpfungs¬ 
geschichte, dass Gott den Menschen aus einem Erdenkloss 
geformt und ihm dann den lebendigen Odem (das Leben) 
durch die Nase eingeblasen habe. Als Wiege der Keramik 
ist, wie dem „Leipziger Tagblatt“ mitgetheilt wird, Aegypten 
anzusehen, welchem Lande man denn auch die Erfindung 
der Töpferscheibe, des wichtigsten und unerlässlichen Gerä- 
thes bei der Herstellung von Thonwaren, zuschreibt. Zu 
grosser Kunstfertigkeit gelangten jedoch die Aegypter darin 
nicht, da sie sich, gemäss ihrem vorwiegend auf das prakti¬ 
sche Bedürfnis gerichteten Sinn, fast ausschliesslich auf 
die Anfertigung von Gefässen und Geräthen für die Haus¬ 
wirtschaft beschränkten. Eine höhere Stufe nahm Assyrien 
ein, wo man unter anderem Thontäfelchen als Schreib¬ 
material benutzte und sie dann brannte. Auch scheint 
dort die Erfindung der Glasur gemacht worden zu sein, 
obwohl es auch gewichtige Gründe dafür gibt, dass 
wiederum Aegypten die Heimat dieser Erfindung sei. 
Zur eigentlichen Kunst entwickelte sich die Keramik in 
Etrurien und dann in noch höherem Grade in Griechen¬ 
land, namentlich in Athen und Korinth, doch wurde in 
Griechenland die Glasur nicht angewendet, die Gegen¬ 
stände wurden jedoch bemalt und mit Firnis überzogen, 
ein Verfahren, das vervollkommnet in neuester Zeit mit 
so grossem Erfolg wieder zur Geltung gelangt ist. Auch 
in Indien blühte die Keramik in sehr früher Zeit, und 
hier wurde auch die Glasur angewendet. Von den Indern 
erlernten die Araber diese Kunst, brachten sie auf ihren 
Eroberungszügen mit nach Europa und bürgerten sie in 
Spanien ein, wo die Insel Majorca einer der Hauptsitze 
derselben, wie auch der Stapelplatz für den Handel mit 
diesen Thonwaren wurde. Nach der Insel erhielt dann 
auch die Ware den Namen Majolika. Von Spanien ver¬ 
pflanzte sich die Kunst zunächst nach Italien, wo be¬ 
sonders Faenza ein Mittelpunkt der Majolikafabrication 
wurde. Daraus haben dann die Franzosen den Namen 
Fayence (Faience) gebildet. Seit dem letzten Drittel des 
16. Jahrhunderts begann die Majolikafabrication sich auch 
in Deutschland einzubürgern. Sie gelangte zu hoher Blüte 
besonders in Nürnberg, wo z. B. die Deckelkrüge von 
Hirschvogel und die aus glasierten Kacheln hergestellten 
Oefen grosse Berühmtheit erlangten. Der unglückselige 
dreissigjährige Krieg brachte auch diese Kunst zu Falle, 
und als zu Anfang des 18. Jahrhunderts das Porzellan
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.