Volltext: II. Jahrgang, 1897 (II. JG., 1897)

II. Jahrgang, Nr. 6. 
Linz, 15. März 1897. 
Öberösterreichische Banzeitung 
Zeitschrift für Bauwesen. 
f. 
Redaction und Administration: LINZ, Harrachstrasse 22, I. Stock. — Herausgeber und Verleger: Eduard Kornhoffer. 
Man pränumeriert auf die OBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG: 
( ganzjährig mit fl. 10.- _ / ganzjährig mit . fl. 8 
Loco | halbjährig ... „4 
t vierteljährig . „ 2.50 l vierteljährig . . „2 
Erscheint am 1. und 15. 
Monat. 
INSERATE und OFFENER SPRECHSAAL laut aufgelegtem billigsten 
Tarif werden angenommen: Bei der Administration der „Ober¬ 
österreichischen Bauzeitung“, Linz, Harrachstrasse 22, ferner bei 
allen grösseren Annoncen-Expeditionen des In- u. Auslandes. Eventuelle 
Reclamationen und Beschwerden direct an uns erbeten. 
Inhalt: Ein Wort im Interesse unseres Handwerkerstandes. — Der 
Berliner Central-Vieh- und Schlachthof. — Neue Beton-Mischmaschine. — 
Technische Mittheilungen. — Aus der Fachliteratur. — Local-Baunotizen. 
— Briefkasten. — Offertankündigungen. — Offene Stellen. — Inserate. — 
Ertheilte Baulicenzen in Linz und Urfahr. — Anmeldungen für Wasser¬ 
bezug aus dem städtischen Wasserwerke. — I. Ausweis über die Umschrei¬ 
bung von Immobilien in Linz. 
Ein Wort im Interesse unseres Handwerker¬ 
standes. 
Yon einem hiesigen Gewerbetreibenden. 
Eines der Grundübel, an welchem unser Kleingewerbe¬ 
stand nicht erst seit gestern und vorgestern, sondern 
schon seit langen Jahren krankt, ist die unverdiente 
Geringschätzung, deren er sich bei einem grossen Theile 
der sogenannten — aber oft nur fälschlich sogenannten 
— gebildeten Stände erfreut; es ist das ein Uebel, von 
welchem weit weniger gesprochen und geschrieben wird, 
als sich von Rechtswegen gebürte, da einerseits die, die 
darunter zu leiden haben, die Handwerker, aus psycho¬ 
logisch leicht erklärlichen Gründen ihre Kränkung lieber 
schweigend tragen, als ihr rückhaltslos Ausdruck zu ver¬ 
leihen, und anderseits die Leute von der Feder zum 
grössten Theile selbst von derartigen engherzigen Vor- 
urtheilen befangen sind, und sich, weil sie wohlgepflegte 
Hände und Nägel haben und keinen Arbeitsschurz tragen, 
für etwas Besseres halten, als den Handwerker mit seinen 
schwieligen, eisenharten verschwitzten Händen. In der 
Theorie, ja, in der Theorie erkennt heutzutage so ziemlich 
jeder die Gleichheit aller Menschen an, und betrachtet 
den armen Handwerker nicht als ein Wesen niedriger 
Kategorie; aber wenn es zur praktischen Bethätigung 
dieser Gleichheitsdogmen kommt, da sieht es bei 99 
unter hundert verzweifelt übel aus; da regt sich der alte 
ständische Classen-Hochmuth, der in der Gegenwart in 
einem noch widerwärtigeren Bildungsprotzenthum ein 
würdiges Geschwisterlein bekommen hat, und wirft die 
prächtig klingenden Gleichheitstheorien stracks über den 
Haufen. Die Züchtung dieses Hochmuths, dieser Gering¬ 
schätzung des Handwerkerstandes, beginnt bereits in 
früher Jugend. Wohl wird den Kindern in der Volks¬ 
schule das Sprüchlein vom „Handwerk, das einen goldenen 
Boden hat“, eingedrillt, aber wenn Protz junior eine Straf- 
aufgabe oder einen schlechten Vierteljahres-Ausweis nach¬ 
hause bringt, wissen Papa und Mama mit keiner schärferen 
Drohung auf den jugendlichen Sünder einzuwirken, als 
indem sie ihm in Aussicht stellen, er werde bei andauern¬ 
dem Fleiss- und Sittenmangel, „in die Lehre gegeben 
werden“, wobei Papa Protz die Stirn in die denkbar ver¬ 
hängnisvollsten Falten‘legt, und Mama Protz ob der ihrem 
Söhnlein winkenden „Schande“ Thränenströme vergiesst. 
Was Wunder, wenn dann in der Seele des unver¬ 
ständigen Jungen die Vorstellung Raum gewinnt und sich 
festsetzt, es gäbe keine ärgere Schande, als ein Handwerker 
werden zu müssen? — Und wenn dann Protz junior ein 
paar Jahr älter geworden, und etwa in der Quarta des 
Gymnasiums oder der Realschule nur zur Noth durch¬ 
gerutscht ist, dann erneuert sich das Strafgericht in ver¬ 
änderter Form, aber in gleicher Richtung. Der Herr 
Papa kündigt dem jungen Faulenzer oder Schwachkopf 
an, dass er durch seine schlechten Fortschritte im Studium 
unwürdig geworden ist, weiterhin die hehren Hallen der 
Wissenschaft zu besuchen, vielmehr „zur Strafe“ und 
weil er ohnehin zu dumm und zu nichts anderem brauch¬ 
bar sei, in eine Gewerbeschule eintreten müsse. Weinend 
und schluchzend erklärt Mama, sie müsste „sich zu Tode 
schämen“ und werde keiner ihrer Bekanntinnen mehr 
unter die Augen treten können, die Geschwister und Ver¬ 
wandten behandeln den zur Gewerbeschule verurtheilten 
Dümmling oder Taugenichts tagelang wie einen Ausge- 
stossenen, bis derselbe sich aufs Bitten verlegt und 
endlich — Dank der thränenreichen Unterstützung der 
Mama, die „diese Schande nicht überleben könnte“ — den 
Sinn des Herrn Papa erweicht. Zum letztenmale verzeiht 
dieser, Protz junior wird den Musen nicht entrissen, sondern 
darf das Studium, zu dem er doch keinerlei inneren Beruf, 
noch irgend welche Befähigung besitzt, fortsetzen. 
Die Schrecken jener Stunden und Tage wirken nach, 
der Bursche wird fleissiger, gerade so weit um die Mittel¬ 
schule durchmachen zu können, und kommt nach 
mancherlei Fährlichkeiten in die Hochschule. Hier ver¬ 
bummelt er entweder gründlich, um als Diurnist, wenns 
hoch geht, als Sollicitator in einer Advocaturskanzlei 
seine Carriere abzuschliessen, oder er voltigiert — man 
weiss ja wer Glück hat — über alle Examina hinüber, 
und wird endlich ein „Glied der gebildeten Stände“. In 
beiden Fällen aber bleibt in ihm die innerliche Verachtung 
des Handwerkerberufes heften, und hochnäsig blickt er 
bis an sein seliges Lebensende auf „Gevatter Schneider 
und Handschuhmacher“ herab. 
4 Aber auch unter den Angehörigen der „besseren“ 
Stände, welche nie die Gefahr kennen gelernt haben Hand¬ 
werker werden zu sollen, gibt es nur allzu viele, welche 
den Gewerbsmann gering schätzen und ihm — und dass 
sind noch die Besten — nur ein gewisses mitleidiges 
Wohlwollen von oben herab zuwenden, jede unmittelbare 
gesellschaftliche Berührung mit ihm aber als unzukÖmmlich 
betrachten würden.
	        
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