Volltext: II. Jahrgang, 1897 (II. JG., 1897)

Nr. 5. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Seite 35. 
Beim Bauschwindler liegt aber die Sache anders. 
Ihm ist es nicht einmal darum zu thun, das Gebäude 
fertig zu bringen; am allerwenigsten hofft er bei dem 
Verkaufe des Hauses einen grösseren Nutzen heraus¬ 
zuschlagen. 
Sein Hauptgewinn liegt in der betrügerischen Aus¬ 
beutung der Bauhandwerker, die oft ihr ganzes Vermögen 
dem Bauschwindel zum Opfer bringen müssen. 
Dabei gehen diese Bauschwindler äusserst schlau und 
vorsichtig vor. 
Sie treten niemals persönlich vor die Oeffentlichkeit, 
sondern bedienen sich eines Strohmannes, zumeist eines 
moralisch defecten, mehr oder weniger technisch gebildeten 
Individuums, das, wenn die Sache schief geht — für die 
Folgen aufzukommen hat und auch manchmal dem Straf-, 
beziehungsweise Ooncursgesetze nicht entgeht. — Solche 
Menschen sind bald gefunden. 
Hat sich der Bauwucherer oder Bauschwindler ein 
solches Subject verschafft, dann verkauft er ihm einen 
Baugrund (natürlich zum Zwei- bis Dreifachen des wirk¬ 
lichen Wertes), das heisst, er lässt diesen Strohmann als 
Eigenthümer des Grundes in die öffentlichen Bücher 
eintragen und den Kaufschilling sammt den Uebertragungs- 
gebüren als erste Sätzpost im Grundbuch sicherstellen. 
Nach dieser Post wird jener Betrag, der unter 
normalen Umständen zur Erbauung des Gebäudes noth- 
wendig wäre, als zweite oder dritte Satzpost vorgemerkt. 
Damit ist aber der Wert des zu erbauenden Hauses 
gewöhnlich erreicht, in manchen Fällen oft. sogar über¬ 
schritten. 
So weit könnte nun gegen dieses Vorgehen nicht 
viel eingewendet werden — dann schon gar nicht, wenn 
der Baucredit wirklich gegeben und zum Hausbau ver¬ 
wendet würde. 
Nun liegt aber eben der Betrug darin, dass bis heute 
noch kein Bauwucherer jenen Betrag wirklich gegeben 
hat, der im Grundbuche eingetragen erscheint. 
In der ersten Zeit des Baues folgt der Bauschwindler 
dem Strohmann wöchentlich zumeist nur jenen Betrag 
aus, den er laut seiner Lohnliste am Ende der Woche 
an die Arbeiter zu zahlen hat. 
Der Strohmann wird, falls er nicht selbst schon so 
raffiniert ist, vom Geldgeber unterrichtet, wie inan Waren 
auf Credit bekommt, wie man etwas vorsichtige Geschäfts¬ 
leute ködert und wie man die harmloseren auf die 
Belehnung des Hauses durch irgend eine Sparcasse 
vertröstet. 
Ist der Bau endlich so weit gediehen, dass zur 
Fertigstellung nur mehr einige hundert Gulden nöthig 
sind, dann stockt der spärliche Geldzufluss von Seite des 
Bauwucherers vollständig, er zieht seine Hand zurück und 
zwingt den Strohmann, sich zahlungsunfähig zu erklären. 
Die Bauhandwerker sind nun verzweifelt. 
Ein Regress an den Bau ist unmöglieh, da derselbe 
überlastet ist; und unter solchen Umständen ist es dann 
nur natürlich, dass die geprellten Bauhandwerker noch 
freudig sich einverstanden erklären, wenn der Bauwucherer 
ihnen mittheilt, dass „er aus reiner Menschenliebe, trotz¬ 
dem er so bedeutende Summen bei diesem Geschäfte 
verliere“ — doch bereit sei, seinen Strohmann mit 10 bis 
25 Percent auszugleichen. 
Der Strohmann ist dann in diesem Falle noch vor 
dem Strafhaus gerettet. 
Die Bestie von einem Bauschwindler triumphiert, 
denn wieder hat sie einen glänzenden Raubzug vollbracht, 
die Bauhandwerker aber, die sich wochen- und monate¬ 
lang plagen und rackern mussten, haben nicht nur keinen 
Verdienst — nein, sie sind auch um einen grossen Theil 
ihres Betriebscapitals gebracht — in den meisten Fällen 
sogar gänzlich ruiniert worden. 
Die hier geschilderte Art des Bauschwindels ist nicht 
die einzige; aber sie bildet fast immer den rothen Faden, 
der sich durch alle diese Geschäfte zieht. 
Die Ueberlastung durch den Baucredit ist immer das 
Mittel, die Bauhandwerker um den Lohn ihrer Arbeit zu 
bringen. 
Diese Ueberlastung hat aber noch einen ganz be¬ 
sonderen Zweck. 
Es ereignet sich jetzt immer häufiger, dass das Haus 
zu einem Preise (sei es nun freiwillig oder executiv) 
verkauft wird, der unter der Belastung der Baucredit- 
satzpost liegt, so dass scheinbar auch der Geldgeber einen 
empfindlichen Nachtheil erleidet. 
Doch nur scheinbar. 
Denn erstens hat er kaum ein Viertel des vorgemerkten 
Betrages wirklich gegeben; zweitens lässt er das Haus 
bei der Execution durch eine Vertrauensperson zurück¬ 
kaufen und drittens (und das ist die Hauptsache) benützt 
er den Unterschied zwischenVerkaufspreis und Belastung 
zur Bemäntelung der Concurs masse irgend eines seiner 
Strohmänner. 
Den von mir gestellten Antrag glaube ich folgender¬ 
maßen begründen zu können: 
Es ist zweifellos ein Gebot nicht blos der Billigkeit, 
sondern auch der Gerechtigkeit, dass diejenigen, welche 
an der Entstehung oder Verwertung einer Sache mit¬ 
gewirkt haben, einen Anspruch darauf haben, die Ent¬ 
lohnung ihrer Dienstleistungen und die Vergütung des 
von ihnen gemachten Aufwandes — aus dem durch sie 
geschaffenen Gute zu erhalten. 
Dieses Gebot findet in det Gesetzgebung vielfach 
Ausdruck. 
So steht ein gesetzliches Pfandrecht nach Artikel 
374 H.-G.-B. dem Oommissionär an jedem C.ommissions- 
gute — nach Artikel 382 des bezogenen Gesetzes dem 
Spediteur wegen der Fracht, der Provision, der Auslagen, 
Kosten und et wa geleisteten Vorschüsse auf das Speditions¬ 
gut und nach Artikel 409 des H.-G.-B. dem Frachtführer 
wiegen aller, den Frachtvertrag begründenden Forderungen 
an dem Frachtgute zu. 
Auf ähnlichen Erwägungen beruht auch das Reten- 
sionsrecht des Kaufmannes nach Artikel 313 H.-G.-B. 
wegen fälliger Forderungen gegen einen anderen Kaufmann 
aus den zwischen ihnen geschlossenen beiderseitigen 
Handelsgeschäften, sowie des Advocaten nach § 19 der 
Advocatenordnung für seine Forderungen aus der ge¬ 
leisteten Vertretung — auf die für seine Partei ein¬ 
gegangenen Barschaften. 
Der Schutz, welchen der Oommissionär, Spediteur, 
Kaufmann, Advocat u. s. w. auf Grund seiner Aufwendungen 
für das Commissions- oder Speditionsgut u. s. w. gefunden 
hat — gebürt sicherlich auch dem Bäuhandwerker für 
seine Leistungen, ja diesem noch in erhöhtem Maße ; 
denn während es sich beim Oommissionär, Spediteur, 
Frächter u. s. w. nur um die Verwertung eines bereits 
vorhandenen Productes handelt, werden durch die Thätig- 
keit des Bauhandwerkers neue, und zwar meist bedeutende 
Wertgegenstände geschaffen. 
Ferner werden die Baugewerbe grösstentheils von 
kleinen Geschäftsleuten ausgeübt, für die ein Verlust der
	        
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