Volltext: II. Jahrgang, 1897 (II. JG., 1897)

Seite 180. 
ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. 
Nr. 28. 
Aber nicht allein die technische Vollkommenheit be¬ 
günstigte die grössere Verbreitung der Papiertapete; die 
Vielseitigkeit ihrer Musterung und die Behandlung der 
Papieroberfläche machte sie nicht nur dem Minderbe¬ 
mittelten zugänglich, sondern verschaffte ihr auch Ein¬ 
gang in die Räume der Reichen und Vornehmen. Mit 
der beinahe unbeschränkten Wahl und Vermehrung der 
Farben, der Verwendung von Metallbronzen und Blatt¬ 
gold, von farbigem Wollstaub (Velourtapeten), der 
Pressung mit gravierten Messingstempeln (Estampe- 
tapeten), der Satinierung und Gouffrierung wurden Er¬ 
zeugnisse gewonnen, die in ihrer äusseren Erscheinung 
kaum mehr an bemaltes oder bedrucktes Papier ge¬ 
mahnten, sondern den Eindruck kostbarer Sammt- oder 
Seidengewebe und reicher Goldstickerei hervorzurufen 
vermochten. Neben der oft täuschenden Nachahmung von 
textilen Prachtstoffen schuf die vorgeschrittene Industrie 
mit Hilfe vollkommener Einrichtungen und vorzüglichen 
Materials nicht minder täuschende Imitationen edler Holz¬ 
gattungen und seltener Marmorarten, und selbst grosse 
decorative Gemälde wurden durch den Tapetendruck 
wiedergegeben, welche durch den Duft und die Leucht¬ 
kraft ihrer Farben den wünschenswertesten Ersatz für 
viele unerschwingliche Originalbilder darstellten. 
Durch die verhältnismässig billige Erlangung kostbar 
erscheinender Wandbekleidungen und die ausserordentlich 
wohlfeilen, im allgemeinen geschmackvollen Tapeten für 
den gewöhnlichen Gebrauch, womit die fabriksmässige 
Massenerzeugung das wachsende Bedürfnis befriedigte, 
wurde auch ein leichterer Wechsel nach den jeweiligen 
Geschmacksrichtungen und der wandelbaren Mode wesent¬ 
lich erleichtert, so dass gegenwärtig die Wandbekleidung 
längst aufgehört hat, einen Gegenstand des Luxus für 
Reiche und Wohlhabende zu bilden, sondern zu einem 
volksthümlichen Bedarfsgegenstand geworden ist. Obgleich 
dadurch, ähnlich wie in anderen Zweigen des Kunst¬ 
gewerbes, eine nicht immer zu billigende Imitationssucht 
an Ausdehnung zugenommen hat, so wurde damit doch 
allmählich Sinn und Neigung für Kunstgeschmack in solche 
Kreise des Volkes eingeführt, bei dem sonst kaum der 
geringste Grad des Verständnisses für künstlerischen 
Einfluss angenommen werden konnte. 
Die Absicht der Nachbildung wertvoller Stoffe und 
Techniken durch wohlfeilere Surrogate ist aber erst dann 
in erhöhtem Maße eingetreten, als die Bestrebung nach 
„stilvollen'“ Hauseinrichtungen im Sinne der ehemaligen 
architektonischen Stilarten bestimmteren Ausdruck an¬ 
nahm und grössere Verbreitung zur Folge hatte. In der 
Bemühung, mit einer entschieden ausgesprochenen Vor¬ 
liebe für das Alterthümliche öffentliche wie private Räume 
möglichst echt und im Charakter einer früheren Geschmacks¬ 
periode einzurichten und auszuschmücken, musste auch 
die Wandbekleidung diesen Anforderungen entsprechen. 
Was einerseits oft unter grossen Kosten mit der müh¬ 
samen Erwerbung alterthümlicher, aus früheren Zeiten 
erhalten gebliebener Gegenstände gelang, wusste ander¬ 
seits die künstlerische Handarbeit oder eine leistungs¬ 
fähige Kunstindustrie durch geschickte Imitationen mit 
gleicher äusserlicher Wirkung, aber zu erheblich billigeren 
Preisen zu ersetzen. Demgemäss traten an die Stelle der 
ehemaligen kostbaren Bildwebereien auf Leinen oder Wolle, 
an welchen selbst die bleichende Wirkung des Alters mit 
Sorgfalt wiedergegeben war. Auch die wirkungsvollen 
Ledertapeten fanden täuschende Nachahmung in ge¬ 
presstem Papierstoff mit entsprechender Bemalung und 
selbst edle Haizarten wurden in Form von Tapeten durch 
Befestigung dünner Spähne auf Papier hergestellt, um 
Wandflächen und Täfelwerk aus minderwertigen Holz¬ 
arten damit überziehen zu können. 
In neuerer Zeit kommen endlich, aus Amerika 
stammend, Relieftapeten auf den Markt, welche, mit allen 
Hilfsmitteln technischer Vollkommenheit hergestellt, sich 
durch gute Zeichnung, grosse Dauerhaftigkeit und vor¬ 
zügliche Schärfe des Reliefs auszeichnen. Die sogenannte 
„Lincrusta Walton“, nach einer Erfindung des Amerikaners 
Frodr. Walton aus Linoleummasse gefertigt, scheint ebenso 
wie die aus Papiermasse bestehende „Anaglypta“ von 
Palmer mit gravierten Messingformen geprägt zu werden, 
wodurch eine höhere Schärfe des Musters erzielt wird. 
Ein besonderer Vorzug dieser mit Vermeidung jeder „Alter- 
thümelei“ erzeugten Tapeten besteht in der allgemeinen 
Wahrung ihres Flächencharakters, welcher weder unter 
dem wenig erhabenen, gleichmässigen Relief noch unter 
einer zu bunten oder fleckigen Farbengebung zu leiden hat. 
Soll die Tapete ihrer ästhetischen Aufgabe gerecht 
werden, so ist nämlich in erster Linie der Ausdruck des 
Flächenschmuckes zu berücksichtigen. Stellt sie nicht ein 
in sich abgeschlossenes Gemälde, sondern eine orna¬ 
mentale Musterung vor, so ist die rhythmische Wieder¬ 
holung in derselben sowohl in Zeichnung wie Farbe der 
Gleichmässigkeit unterzuordnen und die Grösse der 
Einzelformen der Grösse des Raumes angemessen zu 
wählen. Bei einseitiger Richtung pflanzlichen Ornaments 
ist die aufstrebende, wachsende Bewegung die natur- 
gemässe, wie ja auch die Einfügung von stilisierten 
Thier- oder anderen Formen selbstverständlich in auf¬ 
rechter Stellung zu geschehen hat. Die Anwendung von 
figürlichen Gruppen, Blumen und Früchten oder sich 
wiederholender kleiner" Landschaften in~ möglichst natur¬ 
getreuer Darstellung kann wohl einem vorübergenden 
Modegeschmack gerecht werden, sie entspricht aber 
keineswegs einer stilgemässen Wandbekleidung, bei 
welcher die Anspruchslosigkeit der Motive und der Ein¬ 
druck einer ruhig wirkenden Fläche die vorherrschende 
Eigenschaft bilden soll. 
Aus den Mittheilungen des Gewerbemuseum zu Bremen. 
Sicherung eiserner Säulen gegen Schadenfeuer. 
Bekanntlich hat es sich bei den grossen Bränden der 
letzten Zeit wiederholt gezeigt, dass die eisernen Stützen, 
die statt der Wände in den modernen Kaufhäusern die 
Deckenlast zu tragen haben, nicht in dem Maße dem 
Feuer widerstehen können, wie es für die Sicherheit 
wünschenswert ist. Da das Eisen aus der neuen Bauart 
nicht wieder verdrängt werden kann, sondern immer 
mehr Verwendung findet, so gilt es, auf Mittel zu sinnen, 
um den eisernen Stützen gegen Feuer eine grössere 
Festigkeit zu verleihen. 
Die Baupolizei mancher Städte schreibt daher, wie 
wir der „Deutschen Schlosserzeitung“ entnehmen, für 
Speicher, Fabriken und ähnliche Anlagen die Ummantelung 
der eisernen Stütz- und Tragconstructionen vor. Eine 
solche Ummantelung, massiv aus Backsteinen ausgeführt, 
würde jedoch den Nutzen der eisernen Construction zum 
grössten Theile illusorisch machen und ausserdem die 
Kosten derart erhöhen, dass an dieser Stelle auf andere 
Abhilfe gesonnen werden muss.. Diese bietet sich zu¬ 
nächst durch die Verwendung der zahlreichen feuerfesten 
Putz- und Isoliermittel, welche die erfindungsreiche
	        
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